Die Erwartungen steigen, die Zufriedenheit sinkt. Das muss aber nicht so sein, wie ein Blick nach Indien zeigt: Ausgerechnet dort ist die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit weltweit am höchsten. Die Inder, Bürger eines aufstrebenden, aber in weiten Teilen bitterarmen Landes, stehen seit Jahren an der Spitze der Zufriedenheitsrangliste. Das jedenfalls hat die internationale Personalberatungsfirma Kienbaum herausgefunden, die zuletzt 7.400 Arbeitnehmer in 20 Ländern befragt hat. In der Spitzengruppe tauchen auch China und Russland auf. Am Ende der Liste rangieren die Industrieländer Frankreich, Spanien und Japan. Deutschland bewegt sich knapp unterhalb des globalen Durchschnitts.
Vielleicht ist hohes Wachstum ja besser als großer Wohlstand. In Indien, so sagt Kienbaum, habe die wachsende Wirtschaft das Zusammengehörigkeitsgefühl gefördert. Die Softwareindustrie des Landes hat weltweit einen hervorragenden Ruf. Wer da einen Job in einem etablierten Unternehmen hat und zugleich die Armut um sich herum wahrnimmt, schätzt sich besonders glücklich. Ob es nun die soziale Kluft in Indien ist oder einfach nur die Freude der Aufsteiger an ihrer Arbeit: Diskussionen um beheizbare Außenspiegel oder Massagen in der Mittagspause wirken da wie Jammern auf höchstem Niveau.
Auch Gehaltserhöhungen verpuffen schnell, weil man sich an sie gewöhnt. Das hat der britische Psychologe Chris Boyce von der University of Warwick belegt. Gallup-Experte Nink warnt daher davor, Geld zu überschätzen. "Natürlich muss das Gehalt stimmen, darf also im Branchenvergleich nicht stark abfallen", sagt er. Aber selbst eine faire und angemessene Entlohnung sei bloß ein "Hygienefaktor", der kein Glück schaffe. Wichtiger sei echte Zuwendung. "Wenn Angestellte sich ernst genommen fühlen, eigenverantwortlich und innerhalb gewisser Freiräume arbeiten können, sind sie kreativ", sagt Nink.
Papa- und Mama-Prinzip in Unternehmen
Dafür ist das Personalmanagement allerdings wirklich verantwortlich, wie eine noch unveröffentlichte Studie des Bundesarbeitsministeriums zeigt. "Ob ein Mitarbeiter sich für die Firma ins Zeug legt, hängt von seinem direkten Vorgesetzten ab", sagt Managementexperte Jordan. Der Chef beeinflusst die Stimmung am Arbeitsplatz. Versagt er, steigt die Fluktuation. Jordan erzählt, dass er einmal einen leitenden Angestellten entlassen musste. Der hatte sich nur mit Vertrauten umgeben, duldete keinen Widerspruch und kontrollierte seine Mitarbeiter exzessiv. "Das Engagement seiner Mannschaft war im Keller, die Kündigungsrate enorm. Und deshalb brachen auch die Ergebnisse ein", erzählt Jordan. "Wir mussten den Mann rausnehmen, sonst hätten wir die ganze Organisation verloren." Als der Chef ging, knallten bei den Mitarbeitern die Korken.
Solche Fälle zeigen, wie viel vom richtigen Führungsstil abhängt und welcher Druck sich aufstauen kann. Der steigt, je mehr die Arbeitsbeziehungen von Hoffnungen und Ansprüchen überladen sind. Viele Spitzenkräfte tragen selbst dazu bei: etwa jene ungezählten Chefs mittelständischer Unternehmen, die mit der "Wir sind eine große Familie"-Geschichte das Herz ihrer Mitarbeiter zu gewinnen versuchen.