Ich habe meine Steuererklärung für 2012 schon fertig. Es ist mir ein Rätsel, warum so viele Berufstätige teilweise einige Jahre mit ihren Erklärungen in Verzug sind. Nun ist es nicht so, dass ich ein Mathe-Ass wäre. Auch Steuerrecht finde ich eher öde. Und ich kann mir durchaus viele andere Dinge vorstellen, die interessanter und angenehmer sind. Trotzdem gelingt es mir, die Tätigkeit gleich zu Beginn des Jahres hinter mich zu bringen und es nicht als lästig zu empfinden. Denn ich kann mich schlicht dafür motivieren. Und ich bin überzeugt, dass es jeder kann.
Aus dem lösungsorientierten Coaching ist bekannt: Eine positive Sicht auf zu erledigende Aufgaben kann helfen, diese mit mehr Tatendrang und einer guten Grundeinstellung anzugehen. Statt weg-von zu hin-zu. Wer beim Thema Steuern nur an unsortierte Belege, viel Arbeit, unverständliche Paragrafen und sehr viel nervtötenden Stress denkt, motiviert sich allenfalls negativ. Denn das einzig Schöne daran ist die Vorstellung an den Moment, in dem diese Aufgabe endlich abgearbeitet ist.
Mein Geheimrezept ist, mir eine ordentliche Rückerstattung vorzustellen. Ich sehe dann vor mir, dass ich den Steuerbescheid vom Finanzamt in den Händen halte. Ich kann beschreiben, wie sich das Papier anfühlt und sehe schwarz auf weiß eine fett gedruckte satte Rückerstattung. Dann male ich mir aus, was ich mit dem Geld tun werde. In meiner Fantasie reicht die Erstattung für ein Kurzwochenende im Wellnesshotel an der Ostsee. Die bloße Vorstellung an Meer, Sauna und Entspannung löst in mir einen Zustand guter Energie aus, auch wenn ich in der Realität das Geld noch nie für einen Urlaub ausgegeben habe. Aber zu wissen, dass ich es tun könnte – und zwar sehr bald, wenn ich die Erklärung nur zügig abgebe – spornt an. Der Gedanke an das positive Ziel setzt so viel Energie frei, dass ich einfach mit der Steuererklärung beginne.
Hin-zu statt weg-von
Natürlich ist eine Steuererklärung eine Menge Arbeit. Doch wenn man die einzelnen Arbeitsschritte separat angeht, wird es deutlich leichter. Belege anfordern sollte keine große Mühe sein. Belege sortieren auch nicht. Eine Auflistung der Ausgaben und Einnahmen zu erstellen, ist nun wirklich kein Riesenproblem. Pauschalen eintragen – kein Ding. Das Einzige, was einen daran hindern kann, ist der Mangel an Elan.
Viele Menschen schaffen es nicht, sich aufzuraffen. Sie glauben auch nicht, dass es funktioniert, sich mit einer Belohnung zu motivieren. Und das ist das Kernproblem. Der Satz "Das klappt doch nie" ist bei diesen Menschen zur Überzeugung geworden – ein Glaubenssatz. Wir tragen eine Reihe solcher Glaubenssätze in uns. Vermittelt wurden sie uns durch vergangene Erfahrungen, die wir in bestimmter Weise interpretieren und verallgemeinern. Wir halten sie für wahr und machen sie zur Basis unseres Handelns, obwohl sie logisch gar nicht begründbar sind.
Wer muss eine Einkommensteuererklärung machen?
Alleinstehende Arbeitnehmer, die nur bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind, müssen in der Regel keine Steuererklärung abgeben. Das ändert sich, wenn ...
- wenn Nebeneinkünfte von mehr als 410 Euro pro Jahr erzielt wurden.
- der Arbeitnehmer bei mehreren Arbeitgebern gleichzeitig beschäftigt ist oder war.
- keine Einkünfte aus einer Arbeitnehmertätigkeit mit Lohnabzug erzielt wurden, aber der Gesamtbetrag der Einkünfte bei einem Ledigen im Jahr 2017 beispielsweise durch eine Rente über 8.820 Euro liegt.
- Lohnersatzleistungen wie beispielsweise Arbeitslosen- und Elterngeld über 410 Euro pro Jahr bezogen wurden.
- auf der Lohnsteuerkarte ein Freibetrag eingetragen wurde.
- der Arbeitnehmer verheiratet ist und einer der Ehegatten nach der Steuerklasse V oder VI besteuert wurde.
- der Arbeitnehmer verheiratet ist und die Ehegatten nach dem sogenannten Faktorverfahren besteuert wurde.
- der Arbeitnehmer nacheinander bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt war und ein Arbeitgeber einen sonstigen Bezug (beispielsweise Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld oder Abfindungen) versteuert hat, bei dem der Arbeitslohn beim anderen Arbeitgeber nicht mit einbezogen wurde.
- der Arbeitnehmer geschieden wurde – oder der Ehegatte gestorben ist – und er im gleichen Jahr wieder geheiratet hat.
- zum Ende des Vorjahres ein sogenannter Verlustvortag festgestellt wurde – beispielsweise Verluste aus Vermietung und Verpachtung.
Bisweilen betreffen solche Glaubenssätze ganze gesellschaftliche oder soziale Gruppen. Die Aussage "Frauen können nicht einparken" etwa, kann bei einzelnen Frauen dazu führen, dass sie überzeugt sind, nicht einparken zu können – und es gerade deshalb nicht problemlos schaffen. Wer von seinen Glaubenssätzen als Wahrheit überzeugt ist, wird sich schwer tun, sich für einen Gegenbeweis zu motivieren.
Darum macht auch den meisten Menschen die Steuererklärung keinen Spaß. Ihr Glaubenssatz: Die Steuererklärung zu machen ist immer ätzend, und ich verstehe sowieso nicht, wie es funktioniert. Warum sollten positive Gedanken jetzt etwas daran ändern? Fakt ist natürlich: Irgendwann muss die Steuererklärung gemacht werden. Und wer nicht sehr viel Geld für einen Steuerberater ausgeben kann, der wird nicht drum herumkommen.
Belohnung vom Luxusfriseur
Das positive Ziel, mit dem man sich motivieren kann, muss dabei nicht unbedingt die Rückerstattung sein. Schließlich kann nicht jeder damit rechnen. Für einen Selbstständigen könnte es aber auch motivierend sein, schnell über die zu zahlenden Steuern Gewissheit zu haben. Das nimmt Druck und gibt Freiheit.
Eine andere Möglichkeit ist, sich selbst für die erledigte Steuererklärung zu belohnen. So wie jene Selbstständige, die sich dann einen Besuch bei einem Luxusfriseur gönnt. Das Geld dafür spart sie vorher an und gibt es auch aus, selbst wenn sie weiß, dass sie mit einer satten Steuernachzahlung zu rechnen hat. Anderen genügt schon die Aussicht auf die Zeit, die sie übrig haben werden, wenn die Steuererklärung einmal gemacht ist.
Welches Ziel passt, muss jeder selbst herausfinden. Am besten, man sucht sich eines, dessen Vorstellung möglichst viel Freude bereitet.
Wichtig ist auch, die richtigen Arbeitsbedingungen zu schaffen, damit die unangenehme Aufgabe nicht mehr als ganz so lästig empfunden wird. Techniken aus dem Neuro-Linguistischen Programmieren (NLP) können dabei helfen.
Eine dieser Techniken wird Circle of Excellence genannt. Mit ein wenig Übung kann sie Menschen in einen motivierten und kraftvollen Zustand bringen – und sie dazu befähigen, auch unangenehme Tätigkeiten mit Elan anzugehen.
Tipps zur Steuererklärung
Wer seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 selbst anfertigt – und zur Abgabe der Erklärung verpflichtet ist –, muss sie bis zum 31. Mai 2017 abgegeben. Wer mehr Zeit braucht, kann beim Finanzamt einen Antrag auf Fristverlängerung stellen. Erledigt ein Steuerberater oder ein Lohnsteuerhilfeverein die Steuererklärung, endet die Frist erst am 31. Dezember 2017.
Damit das Finanzamt die Steuererklärung schnell bearbeiten kann und keine Nachfragen stellen muss, sollten Steuerzahler zu allen Rückforderungen Belege mitschicken. Um die Werbungskosten zu begründen, kann es hilfreich sein, den ausgeübten Beruf möglichst genau anzugeben.
Wer seine Steuererklärung selbst erledigt, sollte auf jeden Fall die Anleitung (von dort aus auf Steuerformular > Einkommensteuer > Einkommensteuer 2016 klicken) lesen, die das Bundesfinanzministerium in seinem Formularkatalog veröffentlicht. Das Finanzamt setzt voraus, dass der Steuerzahler sich diese Anleitung genau durchgelesen hat.
Um den Steuerbescheid später kontrollieren zu können, sollten Steuerzahler eine Kopie ihrer Steuererklärung behalten - entweder gedruckt oder gespeichert als Datei.
Bevor Steuerzahler ihre Erklärung beim Finanzamt abgeben, sollten sie sich über laufende Verfahren zum Steuerrecht informieren. Häufig lässt sich die Rechtsprechung auf den persönlichen Fall übertragen. Auch, wenn ein Sachverhalt noch nicht endgültig geklärt ist, kann es sich lohnen die Ausgaben bei der Steuererklärung geltend zu machen. Bei positivem Prozessausgang besteht auch nach vielen Jahren noch die Chance auf eine Steuererstattung.
Seit 2012 sind sehr viel mehr Steuerzahler verpflichtet, ihre Steuererklärung elektronisch zu übermitteln. Unternehmer müssen nahezu sämtliche Steuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 2011 elektronisch an das Finanzamt übermitteln. Ausgenommen von dieser Pflicht sind Arbeitnehmer, die keine sogenannten Gewinneinkünfte haben.
In den richtigen Zustand kommen
Im Vorfeld ist es gut, das Ziel (Zeitsouveränität, Friseurbesuch oder satte Rückerstattung) vor Augen zu haben und es sich auszumalen. Wie fühlt es sich genau an, wenn das Ziel erreicht ist? Der Circle of Excellence funktioniert dabei wie eine Gedankenreise. Man stellt sich einen Kreis auf dem Boden vor und visualisiert diesen. Er hat vielleicht dicke, gelbe Ränder. Oder er leuchtet und ist elastisch. Je konkreter man ihn sich vorstellt, desto besser.
Im nächsten Schritt beantwortet man sich die Frage, welche Ressourcen man braucht, um die Steuererklärung zu machen: Zeit, Lust, Ruhe, Konzentration? Es geht darum, sich die konkrete Situation vorzustellen – und zwar mit allen Sinnen. Hat man eine genaue Vorstellung tritt man in den imaginären Kreis hinein und unternimmt eine Gedankenreise, in der es so einfach ist, die verhasste Aufgabe endlich zu erledigen. Man visualisiert die Situation und soll – so sagen es Motivationstrainer – damit die nötige Energie bekommen, das Projekt auch in der Realität zu schaffen.
Zugegeben, ein wenig esoterisch klingt diese Übung schon. Ob sie das richtige Mittel zu Motivation ist, muss der Selbstversuch zeigen. Und wenn das nächste Mahnschreiben vom Finanzamt oder Steuerberater kommt, könnte es zumindest einen Versuch wert sein.
Dieser Artikel ist zuerst auf zeit.de erschienen.