Motivation So wollen wir arbeiten

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Wie früher bei Mama

So arbeitet es sich bei Google und Facebook
Bequemer zur Arbeit geht es kaum. Der Google-Shuttle holt die Mitarbeiter vor der Haustür ab und fährt sie bis zum Google-Campus nach Mountain View. Den Verkehr, der regelmäßig morgens und abends den Highway 101 zwischen San Francisco und der südlichen Bay Area verstopft, bekommt man in dem Luxus-Liner kaum mit. Stattdessen ist Arbeiten angesagt. WLAN etwa ist an Bord des Shuttles inklusive.Acht junge Kollegen der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten, die bei Handelsblatt und Wirtschaftswoche arbeiten, haben das Silicon Valley besucht. Den kompletten Report ihrer Reise finden Sie hier im Kaufhaus der Weltwirtschaft. Quelle: Sebastian Kirsch
Sonnenschirme, wohin das Auge reicht. So empfängt die Google-Zentrale am 1600 Amphitheatre Parkway in Mountain View jeden Tag ihre Mitarbeiter. Auf der Terrasse im Innenhof wird allerdings nicht nur Kaffee getrunken; hier wird auch gearbeitet. Der Hof ist einer der zentralen Treffpunkte, wichtig für den Ideenaustausch. Quelle: Sebastian Kirsch
Google sorgt sich um das Wohl der Mitarbeiter. Sport machen kann hier jeder – entweder zum Abspannen in einem der Fitness-Studios auf dem Campus. Oder aber bei der Arbeit. Die Mitarbeiterin hält mit dem Laufband Schritt, während sie ein paar Ideen in den Computer tippt. Quelle: Andreas Dörnfelder
Die Mitarbeiter von Google sollen bei der Arbeit die beste Version ihrer selbst sein, so eine Sprecherin. Und so sorgt das Unternehmen dafür, dass die Googler zwischendurch mal richtig ausspannen können. Etwa im Liegestuhl im Innenhof-Gärtchen. Das Smartphone allerdings ist immer dabei. Quelle: Andreas Dörnfelder
Damit kein Googler vergisst, wo er eigentlich arbeitet, ist das Logo der Internetfirma omnipräsent, die Corporate Identity allgegenwärtig. Und sei es nur der Fußabstreifer. Quelle: Sebastian Kirsch
Wie praktisch, dass auch die Billard-Kugeln perfekt ins Google-Design passen. Ein Spielchen zwischendurch soll den Geist beflügeln ... Quelle: Andreas Dörnfelder
Wie der große Innenhof ist auch die Kantine ein Treffpunkt. Bunt und laut geht es hier zu Stoßzeiten zu – alle wichtigen Neuigkeiten aus dem Unternehmen werden hier kommuniziert. Quelle: Sebastian Kirsch

Das Papa-Prinzip braucht eine väterliche Führungsfigur, einen Firmengründer oder -erben im Gestus des gütigen Patriarchen, der über ein klares Weltbild verfügt und über genaue Vorstellungen von Gut und Böse. Wolfgang Grupp verkörpert diesen Unternehmertyp. Grupp ist alleiniger Inhaber des deutschen Textilherstellers Trigema und lässt sich in Fernsehwerbespots meist von einem sprechenden Affen anmoderieren. Etwa 1000 Mitarbeiter beschäftigt sein Unternehmen im baden-württembergischen Burladingen, und auf der Firmenwebsite spricht Grupp von der "großen Betriebsfamilie", zu der sie alle gehörten. Natürlich ist er das Oberhaupt. Mit Manschettenknöpfen und Einstecktuch.

Demgegenüber ist das Mama-Prinzip ein junges Phänomen, das mit dem Aufstieg der Internetkonzerne erst richtig populär wurde. Es sei äußerst erstrebenswert, erzählte Google-Gründer Larry Page vor zwei Jahren dem Magazin Fortune, dass "sich die Mitarbeiter als Teil der Firma fühlen und die Firma für sie wie eine Familie ist". Eine recht große Familie in seinem Fall. Der Chef des globalen Konzerns mit 48.000 Mitarbeitern hat augenscheinlich ein eher mütterlich geprägtes Familienbild. Google-Niederlassungen auf der ganzen Welt sehen aus wie Spielplätze und Kinderzimmer mit bunten Schaukeln, Sitzsäcken und Rollern. Hier und da bekommt man sogar noch Haare geschnitten, Wäsche gewaschen und die Hemden gebügelt. Wie früher bei Mama.

Beide Prinzipien schaffen den unmündigen Arbeitnehmer, der in einer infantilen Rolle verharrt und wie jedes verwöhnte Kind unerfüllbare Erwartungen an Vorgesetzte und Unternehmen entwickelt. So als solle der Job die Bedürfnisse stillen, die Menschen im Privatleben nicht befriedigen können.

Prallen die Erwartungen aufeinander, müssen Leute wie Rudolf Spiller ran. Der 58-Jährige sanierte erst die Kamerafirma Leica, nun soll er den kriselnden Automatenhersteller Höft & Wessel retten. "Glück und Arbeit" war der Titel eines Kolloquiums, zu dem Spiller die Belegschaft nach Feierabend in die Firmenkantine in Hannover lud. Knapp 100 der 320 Beschäftigten kamen. Eingeladen war auch der Mentalcoach der Fußballfrauennationalmannschaft, und als der die Mitarbeiter anhielt, vom Sport zu lernen, mal "über ihre Grenzen zu gehen" und "für eine Sache zu brennen", fragte einer der Angesprochenen: "Wie soll ich das umsetzen?" Da mischte sich Firmenchef Spiller ein: "Anstatt immerzu abgeholt werden zu wollen, könnte man ja auch selbst mal irgendwo hingehen!"

Mitarbeiter müssen eben auch selbst Verantwortung für ihre Situation übernehmen. "Motivation ist keine einseitige Sache", präzisiert Spiller. Seiner Erfahrung nach sei die Hälfte der Arbeitnehmer dazu sogar bereit – bei den anderen aber sei immer der Chef schuld. In jeder Belegschaft gebe es einen harten, zum Stillstand entschlossenen Kern, der gar nicht mehr zu motivieren sei. "Acht bis zwölf Prozent der Mitarbeiter werden von den anderen nur noch mitgeschleppt", sagt Spiller. In Krisenfirmen ist es sogar ein Viertel. Was soll der Vorgesetzte da tun?

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