Fast jeder Zweite der neu eingestellten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat im vergangenen Jahr nur einen befristeten Arbeitsvertrag erhalten. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage der Grünen-Bundestagsfraktion hervor, die der „Rheinischen Post“ (Mittwoch) vorliegt. Demnach gab es 2016 - ohne Auszubildende und Mini-Jobber - rund 3,4 Millionen sozialversicherungspflichtige Neueinstellungen. „Hiervon waren rund 45 Prozent, also etwa 1,6 Millionen Stellen, befristet“, heißt es in dem Papier. 2015 waren 41 Prozent aller Neueinstellungen befristet.
Das Arbeitsministerium beruft sich in seiner Antwort auf eine aktuelle Stellenerhebung des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit.
30- bis 39-Jährige besonders betroffen
Der Anteil der Befristungen an allen Neueinstellungen nahm 2016 im Vergleich zum Vorjahr nicht nur bei Jüngeren, sondern auch bei Arbeitnehmern mittleren und höheren Alters zu, wie es weiter hieß.
Was ist ein befristeter Arbeitsvertrag?
Bei einem zeitlich befristeten Arbeitsverhältnis läuft der Vertrag nach einer bestimmten Zeit oder zu einem bestimmten Ereignis aus - eine Kündigung ist nicht nötig. Wenn eine Befristung nicht vom Teilzeit- oder Befristungsgesetz abgedeckt wird, gilt sie als. Der Arbeitsvertrag gilt als auf unbestimmte Zeit geschlossen.
Für die Befristung ohne Sachgrund nach Paragraph 14 Absatz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) ist es wichtig, dass noch nie ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestanden hat. Die Befristung ist auf maximal zwei Jahre beschränkt. Falls das Arbeitsverhältnis auf weniger als zwei Jahre befristet ist, darf der Arbeitgeber den Vertrag bis zur Dauer von zwei Jahren verlängern, allerdings maximal drei mal. War also zuerst ein Arbeitsverhältnis von vier Monaten vereinbart, können noch 20 Monate drangehängt werden - nur nicht in zu kleinen Schritten.
Eine Befristung ohne Sachgrund gibt es auch bei Neugründungen von Unternehmen. Nach § 14 Abs. 2a TzBfG dürfen Verträge bei der Gründung eines Unternehmens auf vier Jahre befristet sein. In den ersten vier Jahren seit Neugründung ist eine mehrfache Verlängerung möglich.
Neben "Wir kennen uns noch nicht" oder "Wir wissen nicht, wie lange das Unternehmen überlebt" gibt es noch die sogenannten sachlichen Gründe für eine Befristung. Nach § 14 Absatz 1 TzBfG gehören unter anderem dazu:
- vorübergehend höherer Bedarf an Mitarbeitern zur Hochsaison
- eine Befristung zur Erprobung
- die Integration in den Arbeitsmarkt nach einer Ausbildung oder einem Studium
- die Vertretung anderer Arbeitnehmer
- die Arbeit an sich erfordert eine Befristung
Die Zweckbefristung ist für den Fall gedacht, dass das Arbeitsverhältnis mit einem bestimmten Ereignis, anstatt zum 15. März oder nach sechs Monaten endet. Das wäre beispielsweise "bis zur Schließung des Unternehmenssparte Kosmetik". Allerdings muss im Vertrag klar erkennbar sein, in welchem Zeitrahmen das Ereignis eintreten wird. Zwei Wochen vor Eintreffen dieses Ereignisses und dem Ende des Arbeitsverhältnisses muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer schriftlich informieren.
Befristete Verträge können nicht gekündigt werden. Es sei denn, es liegt ein wichtiger Grund vor, sodass die außerordentliche Kündigung greift.
Besonders deutlich stieg er bei Beschäftigten zwischen 30 und 39 Jahren: Wurden 2015 noch 38 Prozent von ihnen befristet eingestellt, waren es 2016 bereits 49 Prozent. Auch bei den über 50-Jährigen erhöhte sich der Anteil der befristeten Neueinstellungen - von 39 auf 41 Prozent im vergangenen Jahr. Bei den 25- bis 29-Jährigen erhielten 2015 noch 47 Prozent einen befristeten Arbeitsvertrag, im vergangenen Jahr waren es sogar 50 Prozent.
Insgesamt stieg der Anteil befristeter Jobs an der betrieblichen Gesamtbeschäftigung damit von 7,7 Prozent im Jahr 2015 auf 7,8 Prozent im vergangenen Jahr, wie laut Bericht aus der Regierungsantwort hervorgeht.
Hier haben die meisten Menschen einen befristeten Arbeitsvertrag
Deutschlandweit haben 7,6 Prozent der Frauen und 6,5 Prozent der Männer nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Das geht aus dem IAB-Betriebspanel hervor.
Am besten ist die Lage für Arbeitnehmer in Bayern: Dort arbeiten nur 7,5 Prozent der Frauen und 4,3 Prozent der Männer befristet.
Auch im Norden Deutschlands sieht es gut aus: 7,8 Prozent der Frauen und 5,6 Prozent der Männer haben keinen unbefristeten Job.
In Thüringen hangeln sich 8,2 Prozent der Frauen und 5,9 Prozent der Männer von Befristung zu Befristung.
8,4 Prozent der sächsischen Frauen und 5,5, Prozent der Männer arbeiten befristet.
Im Saarland liegt der Anteil der Frauen, die keinen unbefristeten Arbeitsvertrag haben, wie auch in Sachsen bei 8,4 Prozent. Der Anteil der Männer beträgt 5,8 Prozent.
In Hessen arbeiten ebenfalls 8,4 Prozent der Frauen befristet, bei den Männern sind es 6,4 Prozent.
8,5 Prozent der Frauen arbeiten befristet, bei den Männern haben 6,2 Prozent keinen unbefristeten Arbeitsvertrag.
8,6 Prozent der Frauen und sechs Prozent der Männer haben keinen unbefristeten Arbeitsvertrag.
In Rheinland-Pfalz haben deutlich mehr Frauen als Männer einen befristeten Arbeitsvertrag. 8,7 Prozent stehen 5,6 Prozent gegenüber.
Ähnlich deutlich ist das Verhältnis in Baden-Württemberg: Hier haben 8,8 Prozent der Frauen und 5,7 Prozent der Männer einen befristeten Arbeitsvertrag.
Im Stadtstaat Bremen arbeiten 9,2 Prozent der Frauen befristet. Bei den Männern sind es sogar noch mehr: 9,5 Prozent der männlichen Bremer hangeln sich von Vertrag zu Vertrag.
In NRW haben 9,3 Prozent der Frauen und 7,2 Prozent der Männer befristete Arbeitsverträge.
In Brandenburg arbeiten 9,7 Prozent der Frauen befristet. Bei den Männern sind es 10,2 Prozent.
9,9 Prozent der Frauen und 8,2 Prozent der Männer in Mecklenburg-Vorpommern haben keinen unbefristeten Arbeitsvertrag.
In Hamburg sind 10,6 Prozent der Frauen und 7,5 Prozent der Männer befristet eingestellt.
Die Bundeshauptstadt ist trauriger Spitzenreiter: 13,1 Prozent der Frauen und 10,4 Prozent der Männer haben keinen unbefristeten Job.
Die Quote derer, die nach einer Befristung von ihrem Betrieb übernommen wurden, blieb demnach mit 40 Prozent unverändert. Die Flut befristeter Jobs vor allem bei jüngeren Arbeitnehmern sei "fatal, denn das ist gerade das Alter, indem die Familienplanung eigentlich im Mittelpunkt stehen sollte", sagte die Grünen-Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke. Arbeitsverhältnisse mit Verfallsdatum machten die Familiengründung oft unmöglich. Die nächste Bundesregierung müsse die sachgrundlose Befristung abschaffen, forderte Müller-Gemmeke.