Heutzutage verrät die Häufigkeit eines Suchbegriffs bei Google manchmal mehr als jede Meinungsforschung. Die Anfragen zum Wort “Diät” zum Beispiel verliefen in den vergangenen fünf Jahren immer nach dem gleichen Muster: In der ersten Januarwoche erlebt es in schöner Regelmäßigkeit einen Höhenflug. Über das Jahr hinweg bis Anfang Dezember ebbt das Interesse der Suchenden an Abnehmtipps dann stetig ab - bis es gegen Ende des Jahres wieder in die Höhe schnellt.
An der Entwicklung der Diät-Sucher kondensiert ein allgemeiner Trend, den Forscher bereits seit vielen Jahren feststellen: Wer zum neuen Jahr einen guten Vorsatz fasst, ist zunächst hochmotiviert. Doch innerhalb der ersten drei Monate verlässt etwa die Hälfte der Menschen aufgrund von Alltagsstress und lange eingeschliffener Gewohnheiten den Weg der Veränderung.
Für das Jahr 2018 lassen sich die beliebtesten Vorsätze der Deutschen laut einer aktuellen Umfrage der Krankenversicherung DAK-Gesundheit auf drei einfache Punkte bringen: weniger Stress, mehr Sport, mehr Familie. Um diese und andere gute Vorsätze auch wirklich bis zum Ende verfolgen zu können, sollten Sie die folgenden Strategien aus der psychologischen und ökonomischen Forschung kennen.
SMARTe Ziele
Die Frage, ob man einen guten Vorsatz auch wirklich in die Tat umsetzen kann, hängt stark davon ab, wie man diesen formuliert. Managementforscher haben dafür das Akronym SMART geprägt, das dafür stehen soll, Ziele zu proklamieren, die spezifisch, messbar, erreichbar, realistisch und zeitlich begrenzt sind. Konkret heißt das: “Ich werde jede Woche zweimal für jeweils eine Stunde nach der Arbeit ins Fitnessstudio, um Übungen für den Rücken zu machen.” ist ein besseres Ziel als “Ich will mehr Sport machen.”
Richtige Anreize
Das Erreichen eines Vorsatzes macht sich oft auch auf dem Konto bemerkbar. Wer weniger rauchen will, gibt weniger für Zigaretten aus. Wer mehr sparen will, hat ein dickeres Finanzpolster. Die Aussicht auf mehr Geld motiviert. Aber auch das eigentliche Setzen eines Ziels verschafft oftmals schon einen Motivationsschub. "Ziele wirken im Prinzip genauso wie monetäre Anreize", sagt Sebastian Goerg, "oft sogar stärker." Der deutsche Ökonom erforscht an der Florida-State-Universität, wie ein vorher definiertes Ziel die Arbeitsleistung beeinflusst.
In einem Experiment ließ er Studenten die Bibliothek des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn umsortieren. Eine Gruppe fing an, einfach zu arbeiten, ohne Vorgabe. Sie erhielt einen pauschalen Lohn und pro geordnetem Buch einen Bonus. Mitglieder einer anderen Gruppe fragte Goerg dagegen vorher, wie viele Bücher sie einzusortieren gedachten, die Bezahlung war genauso hoch wie in der ersten Gruppe. Das Ergebnis: Jene Probanden mit fester Vorgabe sortierten in der gleichen Zeit 15 Prozent mehr Bücher ein. Goerg begründet das mit der Verlustaversion. Wer ein einmal gesetztes Ziel erreicht, fühlt sich gut. Scheitert er, fühlt er sich überproportional schlechter. Und um dieses negative Gefühl zu vermeiden, strengt man sich umso stärker an.
Gute Vorsätze: Das nehmen sich die Deutschen für 2018 vor
Die Wünsche für das neue Jahr ähneln denen vergangener Jahre: Weniger Stress erhoffen sich viele. Vor allem Jüngere denken dabei an ihr Handy und wünschen sich mehr Offline-Zeit.
Quelle: repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der DAK-Gesundheit
Stress abzubauen ist das Ziel von 59 Prozent, wie die repräsentative Erhebung im Auftrag der DAK-Gesundheit ergab.
58 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Zeit für Familie und Freunde.
53 Prozent würden gern mehr Sport treiben.
18 Prozent der Befragten haben sich vorgenommen, sich im neuen Jahr weniger mit Handy, Computer und Internet zu beschäftigen.
Vor allem die 33- bis 44-Jährigen sehnen sich nach weniger Stress und einem ruhigeren Familienleben (jeweils 69 Prozent) oder wollen sportlich aktiver werden (59 Prozent).
Auffällig ist, dass vor allem die Jüngeren zwischen 14 und 29 Jahren von mehr Offline-Zeit träumen. 34 Prozent von ihnen gaben an, sie wollten ihr Smartphone weniger nutzen.
Nicht zu früh freuen
Eine blühende Fantasie ist an sich nichts Schlechtes. Nur: Beim Erreichen von guten Vorsätzen könnte sie im Weg stehen. Gabriele Oettingen zum Beispiel warnt in vielen Studien davor, sich zu oft vorzustellen, wie schön es denn wäre, endlich einen neuen Job zu haben oder mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. "Positive Fantasien verführen Menschen dazu, zu glauben, sie hätten ihre gewünschte Zukunft schon erreicht", schreibt die Psychologin, die an der New-York-Universität forscht. Diese Einstellung führe zu größerer Entspannung und geringerer Leistung - was das Erreichen der gewünschten Zukunft erschwere.
In ihrem Buch "Die Psychologie des Gelingens" empfiehlt sie daher einen anderen, realistischeren Ansatz. Sie bezeichnet ihn als mentales Kontrastieren. Dabei stellt man sich zwar eine gewünschte Zukunft vor, versucht aber bewusst, diesem warmen Wunschbild die kalte Realität entgegenzusetzen. Dort sucht man dann nach persönlichen Hindernissen, die man aus dem Weg räumen muss, um zum Ziel zu gelangen. Wer so denkt, realisiert zum einen, dass die gewünschte Zukunft eben doch noch nicht erreicht ist - und erkennt zudem, dass bis dahin noch mehr Arbeit nötig ist.
Gute Vorbereitung ist alles
Schweigen ist Gold
In eine ähnliche Kerbe wie Oettingen schlägt auch der Unternehmer Derek Sivers in einem TED Talk. Er rät, unter Berufung auf eine lange Forschungsgeschichte, dazu, die eigenen Ambitionen für sich zu behalten. Denn sobald man einem Freund oder Kollegen erzähle, dass man etwa an einem Marathon teilnehmen will, ernte man bereits einen Teil der Lorbeeren dafür. Und das, obwohl man außer dem Vorsatz noch überhaupt nichts geleistet habe. Besser wäre es, einfach zu schweigen, bis man wirklich kurz vor dem Start steht. Wer doch nicht ruhig bleiben kann, sollte sich aber zumindest eine Ankündigung überlegen, für die man noch keinen überschwänglichen Applaus bekommt. Im Fall des Marathons empfiehlt Derek Sivers etwa diese Ansage: “Ich will diesen Marathon wirklich laufen, aber dazu muss ich fünfmal die Woche trainieren - tritt mir in den Hintern, wenn ich das nicht tue.”
Wenn-dann-Pläne
Vorbereitung ist alles, das weiß auch Peter Gollwitzer. Der Professor an der New-York-Universität ist ein renommierter Experte in Sachen Vorsatz-Forschung. Und er hält Ziele prinzipiell auch für eine gute Idee. "Bei deren Übersetzung in zielstrebiges Handeln gibt es allerdings öfter Probleme", sagt Gollwitzer. Die Lösung: Wenn-dann-Pläne. Diese einfachen Konstruktionen kennt man aus mancher Programmiersprache. Beim Erreichen von Zielen funktionieren sie nach einem ähnlichen Prinzip.
Zunächst überlegt man, welche konkreten Probleme auf dem Weg zum Ziel lauern - und bereitet dann eine entsprechende Reaktion vor. Will man etwa keine Süßigkeiten mehr essen, könnte ein Hindernis sein, dass Kollegen ständig Kuchen mit ins Büro bringen. Wer sich dafür vorher eine konkrete Handlung überlegt - etwa für sich selbst gesunde Knabbereien parat haben - der kann dadurch die Kontrolle über die Situation behalten.
Sinnvolle Selbstgeißelung
Richard Thaler hat in diesem Jahr den Wirtschaftsnobelpreis für seine Forschung in der Verhaltensökonomie gewonnen. Seine prominenteste Erfindung: Das sogenannte “Nudging” (engl. to nudge = schubsen), eine Technik, mit der Entscheidungen so präsentiert werden, dass die ökonomisch oder gesundheitlich bessere Alternative attraktiver erscheint. Die App StickK bietet die Möglichkeit, Thalers Idee auf sich selbst und seine Ziele anzuwenden.
Die Idee wurde von Dean Karlan und Ian Ayres entwickelt, beide sind Professoren an der amerikanischen Yale Universität. Sie propagieren, dass man einen Vertrag mit sich selbst schließen muss, um ein Ziel zu erreichen. Bricht man diesen, tritt eine selbstgewählte Strafe ein. So schubst man sich selbst in die richtige Richtung.
Im konkreten Fall könnte das so laufen: Man setzt sich das Ziel, jeden zweiten Tag fünf Kilometer zu joggen. Man wählt einen Schiedsrichter aus, dem man regelmäßig Rechenschaft darüber ablegen muss. Und man wählt einen Geldbetrag aus, den man verliert, sollte man sein Ziel verfehlen. Dieser Betrag wird dann entweder an einen guten Zweck gespendet. Oder, um den Einsatz noch schwerwiegender zu machen, an eine Institution, die man überhaupt nicht mag, etwa Verbände der Waffen- oder Tabaklobby.
Hilfreiche Fehlschläge
Haben Sie doch mal von der Torte genascht? Oder nach einem stressigen Tag kurz an einer Zigarette gezogen? Kein Problem. Kleine Stolperer passieren auf dem steilen Weg zum Gipfel der Umgewöhnung. Deshalb sollte man aber nicht gleich den bisherigen Fortschritt in die Tonne treten. Stattdessen hilft es, in solchen Momenten der Schwäche noch wachsamer zu sein, damit nicht das eintritt, was Psychologen den "What the hell"-Effekt nennen: Wer ein Stück Pizza zu viel isst, denkt häufig "Zur Hölle mit der Diät!" - und schiebt völlig unkontrolliert auch noch den Rest hinterher.
Einen noch nicht geschafften Vorsatz kann man sogar positiv wenden, wenn man sich den so genannten Zeigarnik-Effekt zunutze macht. Benannt nach der litauischen Psychologin Bljuma Zeigarnik, beschreibt er die Eigenart von nicht abgeschlossenen Aufgaben, im Kopf zu bleiben und ständig auf sich aufmerksam zu machen, damit man sie nicht vergisst. Der Psychologe Brandon Smit von der Ball-State-Universität konnte den Effekt auch bei einer Studie mit hoch motivierten Angestellten beobachten. Seine Lösung: Einen klaren Plan formulieren, wie man die unvollständigen Aufgaben angehen will. Das entspannt nicht nur, sondern erleichtert auch das weitere Vorgehen.