New Work Insights
Das Konzept der Neuen Arbeit wird nun auch schon 35 – doch was hat es damit wirklich auf sich? Quelle: iStock

Happy Birthday, neue Arbeit! Oder: Was bist du eigentlich?

New Work: Ist das eine humanere Arbeitswelt oder sind es Ideen mit der Lebensdauer von Eintagsfliegen? Klar ist: Um die Deutungshoheit ringen viele und nicht immer geht es dabei um jene, die die Arbeit verrichten müssen.

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Unsere Kolumnistin Saskia Eversloh ist Journalistin und Wirtschaftswissenschaftlerin und arbeitet als-Buchautorin, Beraterin und Moderatorin zum Thema New Work. An dieser Stelle schreibt sie ab heute jeden zweiten Montag über die schöne neue Arbeitswelt und die vielen neuen Begriffe, die sie hervorgebracht hat – und, was davon zu halten ist.

Happy Birthday, New Work. Alles Gute zum Geburtstag, schöne, neue Arbeitswelt! Joyeux anniversaire, la transformation!

Wie alt bist Du nun eigentlich geworden? Die einen sagen 35 – und feiern den Philosophen Frithjof Bergmann als Deinen Vater. Der hat das erste „Zentrum für neue Arbeit“ 1984 in Michigan ins Leben gerufen. Durch die Automatisierung bei General Motors waren viele Fließbandarbeiter von der Entlassung bedroht und von Arbeitszeitverkürzung betroffen. In dem damals neuartigen Zentrum sollten sie ihrer Berufung entsprechend forschen und dabei unter anderem auch auf Selbstversorgung setzen, um sich von der Lohnarbeit unabhängig zu machen. So haben manche Cafés eröffnet, andere wiederum sind Gärtner geworden. Auch ein Yoga-Trainer soll dabei gewesen sein. Das vielzitierte Leitmotiv der Frithjof-schen New Work-Bewegung ist bis heute: „Tun, was man wirklich, wirklich will“.

Manche meinen ja, Du feierst nicht Deinen 35., sondern gerade mal Deinen 18. Geburtstag – und zitieren dabei das agile Manifest. Ein Regelwerk, das 17 Softwareentwickler für eine effiziente und konsequent kundenorientierte Arbeitsweise 2001 gemeinsam bei einem Treffen in Utah erarbeitet und verabschiedet haben. Darunter Mike Beedle und Ken Schwaber, die daraus die agile und populär gewordene Projektmanagementmethode „Scrum“ entwickelt und der Welt als Open Source zur Verfügung gestellt haben.

Aber mit diesen Definitionen sind wir etwas abgehoben in den Sphären von Utopie, Philosophie und Informatik unterwegs. Ich persönlich fasse New Work ja wesentlich weiter: Nämlich als eine tiefgreifende gesamtgesellschaftliche Veränderung, die unser aller Leben durch Internationalisierung, Digitalisierung und Flexibilisierung rasant beschleunigt. Nicht umsonst heißt New Work in Frankreich auch „la transformation“ – und ist neben der politischen („la grande transformation“) ein Riesenthema.

Auch in den Duden hat „New Work (das oder die)“ mittlerweile Einzug gehalten. Allerdings als eine Art Telearbeit. Gablers Wirtschaftslexikon zeigt beim Suchbegriff „New Work“ als Treffer „New Economy“ an, als eine Bezeichnung für junge, innovative Branchen wie Halbleiter, Biotechnologie oder Mikroelektronik. Im weiteren Sinne wird die „neue Ökonomie“ aber auch als eine grundlegende Veränderung der Wirtschaft durch den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien über alle Branchen hinweg definiert.

Apropos „Treffer“: Natürlich habe ich auch gegoogelt. Was liegt näher, wo New Work auch gern mit bunten Google-Büros und Google-ianern gleichgesetzt wird. Denn zumindest in den Anfängen durften die Mitarbeiter einmal pro Woche tun und lassen, was sie wirklich, wirklich wollten – und haben damit viele tatsächlich innovative Produkte und Dienstleistungen hervorgebracht. 17.000.000.000 Ergebnisse spuckt die Maschine mir aus, allein für den deutschsprachigen Raum. Die Wiki-Community hingegen fasst sich unter dem Stichwort „New Work“ ungewohnt kurz (Stand: 3.12.2019): 1. New Work SE ist der Betreiber von XING. 2. Frithjof Bergmann ist der Begründer der New Work-Bewegung (siehe Frithjof Bergmann#New Work)

Was ist New Work über die sozialromantischen Ideen von Bergmann hinaus? Welche Rolle spielen Unternehmen und Politik in der ursprünglichen Utopie, die Arbeitnehmer zu Gründern oder gar zu Aussteigern macht? Das bedingungslose Grundeinkommen, auf das Bergmann nun im 35. Jubiläumsjahr seines „Zentrums für neue Arbeit“ immer wieder angesprochen wird, ist es seiner Auffassung nach jedenfalls nicht. Andererseits konnten die Fließbandarbeiter sich die Suche nach dem, was sie „wirklich, wirklich wollen“, ja nur leisten, weil General Motors ihnen noch eine Weile Kurzarbeitergeld gezahlt hat. Aber darauf reduziert wäre das erste „Zentrum für neue Arbeit“ eher als ein Vorreiter von Outplacement Centern zu sehen.

Nicht nur neue Arbeit, auch neues Privatleben

Für viele Menschen, mit denen ich während der Recherchen zu meinem Buch über New Work gesprochen habe, geht es bei dem Begriff nicht nur um eine Veränderung der Arbeitswelt. Sie hat auch tiefgreifende Auswirkungen auf unser Privatleben: im Positiven im Sinne von Berufung, aber auch im Negativen wegen mangelnder Abgrenzung.

Für dieses Phänomen hat der Psychologe und Informatiker Marcus Väth in seinem Buch „Arbeit. Die schönste Nebensache der Welt – Wie New Work unsere Arbeitswelt revolutioniert“ 2016 den Begriff „Work-Life-Blending“ entscheidend mitgeprägt. Denn es geht bei der neuen Arbeit nicht mehr um ein Gleichgewicht zwischen zwei getrennten Lebensbereichen („Work-Life-Balance“), sondern um ein gelungenes Ineinanderübergehen. Mit dieser Definition würde New Work in diesem Jahr (2019) gerade mal drei Jahre alt.

Für Väth steht New Work – neben einer veränderten Organisationsstruktur und Kultur mit einem entsprechend angepassten Kompetenzverständnis – vor allem auch für eine bewusste Lebensführung und eine Neubewertung von Arbeit. Indem er sich auf die philosophischen Ideen von Bergmann beruft, hat er ihm zu neuer Popularität verholfen. 2018/2019 gab es kaum ein Medium ohne Interview oder Zitat von ihm.

Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied: Nicht die Minimierung oder gar Abschaffung der Lohnarbeit, wie Bergmann sie phasenweise mit Selbstversorgung propagierte, sondern die Neugestaltung von Arbeit ist Väths Anliegen. Einer Arbeit, die das Leben der Menschen besser macht. Darunter versteht er sinnstiftende Arbeit, die die Stärken der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fördert und ihnen ein Schaffensfeld bietet, in das sie ihre Kompetenzen einbringen können. Damit hat Väth die philosophischen Utopien Bergmanns in die Arbeitswelt geholt, zumindest schon einmal theoretisch.

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