Persönlichkeit Artgerechte Haltung für Intros und Extros

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Introvertierte Rampensau

Das perfekte Extro-Intro-Team: Apple-Gründer Steve Jobs (links) und Steve Wozniak 1976. Quelle: dpa

Steve Jobs?  

Extro. Sein Kompagnon und Apple-Mitgründer Steve Wozniak dagegen ist ein Intro. Jobs schuf als genialer Vermarkter und Kommunikator das Schaufenster. Er überzeugte die Kunden und Kooperationspartner. Aber das hätte alles nichts genützt, wenn im Schaufenster ein Schrott-Computer gestanden hätte. Wozniak, der geniale, in sich gekehrte Tüftler, werkelte konzentriert, fokussierte mit unglaublicher Beharrlichkeit auf das Wesentliche – Intro-Stärken – und schuf seinerseits dieses Gerät. Doch ohne Jobs hätte er es wohl nicht verkauft. Apple ist die Erfolgsgeschichte eines Intro-Extro-Teams.

Kann man seine Intro oder Extrovertiertheit verleugnen oder überwinden?

Das ist keine Frage des Willens. Wir können uns flexibel an Situationen anpassen. Wenn Obama öffentlich redet, tut er das eher in einem extrovertierten Modus.  Aber hinterher muss er Ruhe haben, weil ihm so ein Auftritt nicht Energie gibt, sondern nimmt. Ich gehe davon aus, dass Intros und Extros ganz eigene Stärken haben – und damit verbunden auch ganz eigene Hürden. Dolly Parton hat gesagt: "Find out who you are and do it on purpose" – "Finde heraus, wer du bist, und dann tu es mit Absicht." Wir sind am erfolgreichsten, wenn wir unsere Persönlichkeit identifizieren, annehmen und das Beste daraus machen.

Sind in unserer aufmerksamkeitsversessenen Gesellschaft die Extros im Vorteil?

Das glaube ich nicht. Augenscheinlich Extrovertierte fallen mehr auf. Aber sie sind nicht unbedingt wirksamer. Fernsehen ist sicher eine Extro-Domäne. Aber auch da gibt es einen introvertierten Günter Jauch, der mindestens so erfolgreich ist wie die extrovertierte Barbara Schöneberger. Auch Stefan Raab ist ein Introvertierter.

Introvertierte Rampensau: Moderator Stefan Raab. Quelle: dpa

Die Rampensau Raab ein Introvertierter?   

Ich dachte auch erst, er sei extrovertiert. Aber wer ihn kennt, weiß, dass sich Raab anknipst und nach der Show wieder ausknipst. Und niemand erfährt etwas über ihn.

Unser finanzmarktgetriebenes Wirtschaftssystem ist auch eher eine Extro-Domäne, oder?

Es gibt Studien, die sagen, dass die Krise von 2008 nicht stattgefunden hätte, wenn man in den Banken auf die Warnungen der introvertierten Controller gehört hätte. Die Finanzkrise ist zum großen Teil durch extrovertiertes Belohnungsdenken getriggert worden.

Extrovertierte an den Schalthebeln sind also ein Sicherheitsrisiko?

Wenn ich über den Atlantik fliege, finde ich es zwar toll, einen introvertierten Piloten zu haben, der vorsichtig ist. Aber auch introvertiertes, sicherheitsorientiertes Verhalten kann riskant sein. Etwa wenn ich mich an eine Investition klammere, die der Berater als sicher bezeichnete, sie aber leider von Lehman kommt.

Also waren es Extrovertierte, die  neue Länder entdeckten …

… und die Introvertierten sorgten dafür, das dabei das Schiff nicht unterging.

Und die großen Erfinder und Wissenschaftler?

Oft Intros, weil sie beharrlich sein müssen, um erfolgreich zu sein. Thomas A. Edison brauchte sehr viele Versuche, bevor das Ding mit der Glühbirne klappte. Aber ebenso wie es in der eher extrovertierten Politik eine introvertierte Kanzlerin gibt, gibt es auch extrovertierte Forscher. Der Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman war nebenbei Bongo-Trommler und malte Striptease-Tänzerinnen. Seine letzten Worte waren: "Ich fände es schrecklich, zweimal zu sterben. Es ist so langweilig."

Wo bleiben die Intros ganz unter sich?

Philosophie vielleicht. Bevor man da etwas sagen darf, muss man erst zwei Meter Bücher gelesen haben. Aber grundsätzlich kann man in allen Bereichen auch den jeweils anderen Persönlichkeitstypen finden, der Spitzenleistungen vollbringt.

Gibt es Intro- und Extro-Nationen?

Die Verteilung ist überall gleich: 30 bis 50 Prozent der Bevölkerung sind introvertiert. Aber in Finnland und Japan zum Beispiel richten sich die sozialen Normen eher an introvertierten Verhaltensweisen aus. In Japan ist es ganz normal, dass man im Gespräch auch mal länger schweigt. In den USA dagegen ist das sozial kaum akzeptabel. Aber über den Erfolg sagt das nichts. Die eher extrovertiert genormten USA haben einen eindeutig introvertierten Präsidenten.

Und Deutschland, das Land der Dichter und Denker?

Ich sehe uns irgendwo in der Mitte.  

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