WirtschaftsWoche: Herr Reck, in den vergangenen Wochen haben sich mit Elke Strathmann bei Conti, Marion Schick bei der Telekom und Angela Titzrath bei der Post drei Frauen von Vorstandsposten großer Konzerne verabschiedet. Haben diese Frauen versagt?
Hans-Joachim Reck: Es sind nicht die Frauen, die versagen, sondern die Männer – und zwar die, die jetzt mit 55 Jahren aufwärts die Staffelübergabe angehen. Wer einen Top-Job zu vergeben hat und aus der eigenen Branche hinausblickt, sollte unter den letzten drei Kandidaten problemlos eine Frau haben. Da kann sich kein Mann mehr rausreden.
Wie würden Sie das sicherstellen?
Männer sollten begründen müssen, warum sie frei werdende Chefposten nicht mit Frauen besetzen.
Hinterfragen Sie sich selbst: Stimmen diese Klischees über Frauen und Männer im Job?
Studien zeigen: Schon kleine Mädchen bevorzugen flache Hierarchien – keiner soll sein Gesicht verlieren. Chefinnen-Gehabe wird abgestraft. Jungs aber testen schon früh Hierarchien – und bleiben im Job dabei: Arbeit ist Wettkampf, Karriere heißt Konkurrenten killen.
Viele Frauen lehnen Machtgerangel ab, streiten lieber um der Sache willen. Männer kämpfen oft nicht um Inhalte, sondern um die Deutungshoheit.
Frauen landen oft entweder auf unwichtigen oder sehr wackeligen Stühlen, auf denen die Gefahr des Scheiterns besonders groß ist. Nicht, weil sie besonders gute Krisenmanager wären – sondern weil Männer Frauen eher ranlassen, wenn der Karren tief im Dreck steckt.
Auch unfähige Männer treten oft mit breiter Brust auf. Fähige Frauen machen sich oft klein, nehmen Dinge persönlich, haben Angst vor zu viel Verantwortung.
Weil diverse Studien eigentlich belegen, dass gemischte Teams erfolgreicher sind?
Dass mehr Frauen in die Führungspositionen kommen müssen, ist in der Tat klar. Es ist erwiesen, dass die Qualität der Entscheidungsprozesse steigt, wenn Frauen mit ihren Fähigkeiten – die sich von denen der Männer unterscheiden – in den Gremien mit von der Partie sind.
Trotzdem schaffen weibliche Vorstände nur ein Drittel der Amtszeit ihrer männlichen Kollegen, wie die Beratung Simon Kucher und Partner errechnet hat. Woran liegt das?
Es ist immer das Gleiche: Es heißt, "ach, dann wird das jetzt mal eine Frau, die Vita stimmt ja halbwegs". Und die werden schnell konfrontiert mit Themen, die sie so noch nicht erlebt haben, sehen sich schnell ausgebremst, scheiden frustriert wieder aus oder werden krank.
Zur Person
Reck, 61, ist Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen, arbeitete bei der Deutschen Telekom als Personalmanager und war zuvor Bundesgeschäftsführer der CDU.
Oder wollen vielleicht gar keine Führungsaufgaben übernehmen?
Wollen sie schon. Aber es müssen einige Hemmfaktoren beseitigt werden. Frauen – das bestätigt etwa ein Projekt der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg – haben mehr Bedenken als Männer, in Führungspositionen zu versagen, und fürchten, Arbeits- und Familienleben nicht unter einen Hut zu bekommen.
Wie lässt sich das verhindern?
In der Wirtschaft hat es keinen Sinn, einfach irgendeine Ex-Wissenschaftlerin oder Ex-Politikerin anzuheuern. Dann sonnen sich die Männer wegen dieser Alibi-Platzierungen nur in den Medien. Dabei müssten sie den Frauen auch die Chance geben, zu reüssieren. Aber das geschieht nicht. Meist werden die Frauen einfach positioniert und sich dann selbst überlassen.
"Frauen müssen lernen, Intrigen zu erkennen"
Vielleicht muss die eine oder andere Frau einfach lernen, besser zu kämpfen?
Auch wenn sie selbst keine Intrigen spinnen wollen, müssen Frauen zumindest in der Lage sein, diese zu erkennen. Das gehört zur Sozialkompetenz von Führungskräften. Frauen müssen lernen, mit männlichen Methoden zu agieren. Ihre Intellektualität alleine trägt sie in der luftigen Höhe nicht. Sie müssen lernen, in einer nachhaltig vernetzten Welt zu agieren. Und Männer sollten Frauen Zeit geben, sich an diese Spielregeln zu gewöhnen – etwa durch Coaching.
Glauben Sie im Ernst, dass jemand wie die Schwedin Eva-Lotta Sjöstedt sich mit passenden Trainings gegen den Karstadt-Inhaber Berggruen durchgesetzt hätte?
Frau Sjöstedt ist ja auch kein Beispiel dafür, dass Frauen es nicht packen können – im Gegenteil. Mir imponiert die Haltung der Karstadt-Managerin, die ihren Job ja aus eigenen Stücken hingeworfen hat. Sie hat in ihrem bisherigen Berufsleben gezeigt, dass sie gut ist, und jetzt zeigt sie Unabhängigkeit. Wenn man dann zu dem Ergebnis kommt, es passt nicht, und aussteigt, ist das konsequent und hat Vorbildcharakter.
An wem sollen sich andere Frauen Ihrer Meinung nach noch orientieren?
Nehmen Sie nur Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Sie agieren beide sehr rational und arbeiten ihre Punkte systematisch ab. Die haben jede für sich die Männerdomänen um sich herum geknackt – und achten darauf, dass in ihrem Umfeld auch andere Frauen Chancen bekommen.
An wen denken Sie?
Etwa an die frühere McKinsey-Beraterin Katrin Suder, die von der Leyen der gesamten Generalität als Rüstungsstaatssekretärin vorgesetzt hat. Damit sind die alten männlichen Seilschaften empfindlich gestört.