Grundsätzlich arbeitet unser Gehirn nach dem Prinzip „Katastrophe kommt vor Vergnügen“. Wir sind ständig mit unseren Gedanken woanders, ärgern uns über das, was gestern war, machen uns Sorgen über Dinge, die wir hören und lesen und die (noch) gar nicht real sind. Dieser einst hilfreiche Überlebensmechanismus, sich mental auf Probleme oder Gefahren zu konzentrieren, wird in der Psychologie das „katastrophische Gehirn“ genannt. Doch er hat sich verselbständigt.
Worüber sprechen Sie in der Mittagspause oder am Abendbrottisch? Über Ihren modernen Dienstwagen, das nette Team, in dem Sie arbeiten, die sichere Stelle, die Sie haben? Oder das eine Kundengespräch, das schief gegangen ist und Ihnen noch quer im Magen liegt? Zuhause machen wir das genauso. Dass Freunde oder ein Partner sich um uns kümmern, ist schön, geht aber im anspruchsvollen Alltag unter.
Wir sehen nur das Schlechte
Schönes, Gutes, Nettes, Funktionierendes nehmen wir kaum zur Kenntnis. Oder haben Sie schon einmal darüber geplaudert, wie toll Ihr Kopierer arbeitet, wie schnell er ist und wie schön es ist, ihn zu haben?
Leider hat dieser Mechanismus Konsequenzen. Das Optimieren, schneller, besser und anders sein zu wollen, macht permanent Stress und wir fühlen uns schlecht. Wir sind einfach nie mehr zufrieden. Der Nebeneffekt von negativen Emotionen ist, dass sie die Perspektive einschränken. So kommen wir mit dem Denken nicht nur nicht hinterher, sondern verfügen dann auch nur über eine eingeschränkte Auswahl an Lösungen.
Die Glücksforschung geht davon aus, dass neben einer genetischen Anlage für Glück und Wohlbefinden von 50 Prozent nur zehn Prozent die Lebensumstände bestimmen, wie wir uns fühlen. 40 Prozent bestimmt unser subjektiver Blick auf die Dinge - also das, was wir daraus machen.
Ereignisse werden subjektiv bewertet
Auch das autobiographische Gedächtnis, die Erinnerung an unsere eigene Vergangenheit, ist kein objektives Werkzeug, sondern unterliegt vom Augenblick des Geschehens an unserer Beeinflussung. Wir ordnen Erlebnisse in einen Kontext dessen ein, was wir schon erlebt, was wir erwartet haben, was wir von uns halten, wie wir hoffen oder fürchten zu sein.
Die Bewertung eines Ereignisses ist der nächste subjektive Faktor. Die gleiche Situation wird von verschiedenen Menschen anders gesehen. Wer gerne Auto fährt, hört dabei vielleicht auch gerne laute Musik und fühlt sich auf der Autobahn bei hohen Geschwindigkeiten frei und wohl.
Wer sich nicht gerne hinters Steuer setzt, sieht nur Drängler, Rücksichtslosigkeit und Baustellen und empfindet das als stressig, vielleicht sogar beängstigend. Beide haben Recht. Die Realität enthält alle Aspekte, wir nehmen sie nur verschieden wahr. Was wir wahrnehmen und wie wir denken, beeinflusst wie wir uns fühlen. Grund genug, unsere Wahrnehmung bewusster auf das zu lenken, was wir erreicht haben, anstatt auf das, was vielleicht wieder nicht geklappt hat.
Warum sich der positive Rückblick lohnt
Hinzu kommt, dass positives Denken auch einen positiven Einfluss auf die Gesundheit hat. Je gesünder wir uns fühlen, desto besser geht es uns körperlich. Sogar das Sterberisiko sinkt. Die amerikanische Psychologin Barbara Fredrickson hat sich mit der Frage beschäftigt, in welchem Verhältnis positive zu negativen Momenten stehen müssen, damit wir gesund bleiben. Dadurch, dass negative Gefühle bei weitem stärker wirken als positive, braucht es ein Verhältnis von 3:1 von Positivem zu Negativem.
Fünf Tipps zur Stressbewältigung
Sagen Sie auch mal „Nein“. Haben Sie gerade keine Kapazitäten für eine neue Aufgabe oder ein Projekt, sagen Sie frühzeitig Bescheid. Selbstverständlich gibt es Situationen, in denen Sie mit „Ja“ antworten müssen. Aber vielleicht hat ein Kollege gerade mehr Zeit oder die Aufgabe ist doch nicht ganz so dringend.
Niemand ist perfekt, stellen Sie daher keine zu hohen und unrealistischen Erwartungen an sich selbst. Damit blockieren Sie sich nur.
Identifizieren Sie die Auslöser. Jeder Mensch gerät durch andere Dinge unter Druck. Um einen Überblick zu behalten, hilft es, sich eine Liste mit seinen persönlichen Stressfaktoren anzulegen. Stört Sie zum Beispiel das ständige „Pling“ eingehender E-Mails, stellen Sie den Computer auf lautlos und bestimmen Sie einen festen Zeitraum, in dem Sie Mails beantworten.
Stress zu unterdrücken, ist auf lange Sicht keine Lösung. Früher oder später wird er wieder hochkommen. Um das zu vermeiden, sprechen Sie darüber mit einem Kollegen und beziehen Sie auch ihren Chef mit ein. Allein das Gefühl, aktiv etwas gegen den Stress zu tun, hilft bei der Bewältigung.
Machen Sie Sport – Bewegung ist eine gute Methode, um Stress entgegenzuwirken, denn durch Sport werden Glückshormone wie Dopamin ausgeschüttet.
Im Alltag hilft schon ein kurzer Spaziergang zur Kantine oder morgens eine Station früher auszusteigen und den restlichen Weg zur Arbeit zu laufen. Nehmen Sie die Treppe statt den Aufzug und laufen Sie zum übernächsten Drucker statt zum nächstgelegenen.
Aber auch die Seele profitiert: Sarah Pressman, Professorin für Psychologie und Sozialverhalten an der University of California, hat herausgefunden, dass Lächeln zur Stressreduktion führt und glücklich macht. Dies gilt auch für das so genannte „unechte“ Lächeln, bei dem nur der Mund lacht. Und Jia Wei Zhang, Professor an der New York University, und Kollegen fanden heraus, dass Menschen mit einem positiven Vergangenheitsbild zufriedener sind.
Dem positiven Denken steht jedoch etwas im Wege, dass Psychologen als „Alltäglichkeit“ der Menschen oder „Existenzielles Vakuum“ bezeichnen: Wir haben keine Zeit, uns über Sinnfragen Gedanken zu machen oder uns mit uns selbst zu beschäftigen. Dieses Phänomen kann mit zwei Dingen begründet werden. Zum einen mit der Konzentration auf materielle Werte und zum anderen mit dem Stress, der uns das Gefühl von Zeitmangel vermittelt. Dann kommt es zum Gefühl der Sinnlosigkeit, dem Erleben von Mangel, Unverständnis, Erschöpfung, Depression. Die Einordnung unseres Tuns in einen größeren Sinnzusammenhang während eines Jahresrückblicks bringt hingegen ein beglückendes Gefühl.