Gerade hat der Laut-Telefonierer von gegenüber aufgelegt, da reißt die Frischluftfanatikerin das Fenster auf und die Projektgruppe trifft sich mitten im Großraumbüro zur Lagesondierung – nein, so kommt garantiert keine Wohlfühlatmosphäre am Arbeitsplatz auf und konzentriertes Arbeiten ist ebenfalls nahezu unmöglich.
Weil ein Großteil der Büroarbeiter solche oder ähnliche Situationen kennt, hat das Marktforschungsunternehmen Ipsos im Auftrag von Büroausstatter Steelcase den Zusammenhang zwischen ansprechender Arbeitsumgebung und Produktivität untersucht. Dazu wurden mehr als 7000 Mitarbeiter aus zehn verschiedenen Ländern (Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Polen, Russland, Spanien, Türkei, USA) befragt. Das Ergebnis: Wer sich wohlfühlt, engagiert sich mehr. „Wenn die Arbeitsatmosphäre von Druck, Kritik und Sorgen geprägt ist, sind die Arbeitnehmer gestresst“, sagt Beatrice Arantes, die bei Steelcase zu Arbeitsplätzen der Zukunft forscht. „Das behindert ihre Fähigkeit zu denken.“
Das betrifft etwa 41 Prozent der Befragten, denn sie sind mit ihrer Arbeitsumgebung nicht oder überhaupt nicht zufrieden. Sie beschweren sich vor allem über die Großraumbüros und deren Geräuschpegel – nur 54 Prozent gaben an, sich an ihrem Arbeitsplatz konzentrieren zu können. Laut Studie fehlt vielen Arbeitnehmern die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, wo sie arbeiten.
Diese Wahl haben nämlich nur 47 Prozent der Befragten – das abgeschottete Einzelbüro für lange Telefonate, der gut ausgestattete Konferenzraum für Gruppenarbeiten oder die gemütliche Sofaecke für kurze Diskussionen zwischendurch. „Mitarbeiter, die sich die richtige Umgebung je nach Aufgabe aussuchen können, sind motivierter und produktiver“, sagt Arantes.
Die Psychologin schlägt für große Unternehmen zum Beispiel „lebhafte Cafés statt unbequemer Kantinen“ vor. Dort könnten die Mitarbeiter nicht nur zu Mittag essen, sondern sich auch mit Arbeitsgruppen treffen und dabei einen Kaffee trinken. „Menschen mögen Arbeiten in einer solchen Atmosphäre.“
Deutsche Büros haben auch liebenswerte Seiten
Doch das Arbeiten fernab vom Desktop-PC scheitert meist schon an der Ausstattung. Mobile Geräte, wie Laptops oder Tablets, sind bislang die Ausnahme. Laut Umfrage sind gerademal 36 Prozent der Arbeitnehmer damit ausgestattet. Dabei könnten solche Geräte die Flexibilität erhöhen. Bislang haben nur knapp 40 Prozent der Befragten die Möglichkeit mindestens einen Tag pro Woche auswärts zu arbeiten, etwa von zu Hause aus.
Eine Umfrage des Verbandes für Büromöbel aus dem Jahr 2012 ergab, dass in Deutschland etwa 40 Prozent der Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern zumindest Einzelnen Homeoffice anbieten. Die Präsenzkultur ist in der Bundesrepublik damit weiterhin recht ausgeprägt. Laut Steelcase-Studie könnten sich deutsche Arbeitgeber in dieser Hinsicht etwas von den Briten abschauen – immerhin 47 Prozent der Arbeitnehmer haben dort die Möglichkeit zur Telearbeit, in Deutschland ist es gerade einmal ein Drittel.
Doch in deutschen Büros ist nicht alles schlecht. Sie besitzen auch ihre liebenswerten Seiten. Zum Beispiel gaben knapp 80 Prozent der Angestellten in der Bundesrepublik an, sich an ihrem Arbeitsplatz bewegen und unterschiedliche Sitzhaltungen einnehmen zu können. Eine nicht zu unterschätzende Kategorie. Schadet permanentes Sitzen doch dem Herz-Kreislaufsystem und verkürzt sogar die Lebenszeit der Schreibtischhocker.
Dreiviertel der Deutschen schätzt die Möglichkeit, sich in entspannter Atmosphäre mit den Kollegen unterhalten zu können – Kaffeeküchen und Einzelbüros sei Dank.
Die deutschen Arbeitgeber dürften sich aber vor allem freuen, dass sie im europäischen Vergleich auf loyale Mitarbeiter zurückgreifen können. 65 Prozent der Bundes-Büroarbeiter gaben an, sich zu ihrem Arbeitgeber zugehörig zu fühlen – das ist europäischer Spitzenwert und laut Erhebung ein weiterer zentraler Motivationsmotor.