Am Home Office scheiden sich seit jeher die Geister. Die einen fürchten den Kontrollverlust, das Ende von Teamgeist und Kommunikation. Die anderen schätzen die bessere Work-Life-Balance, den Zugewinn an Freiheit und Flexibilität. Nach einer Welle der Auslagerung von Arbeitsplätzen in die Privatwohnungen von Arbeitnehmern sorgen nun zunehmend Meldungen zur geplanten Streichung von Home Office-Arbeitsplätzen, wie zuletzt bei IBM, für Diskussionsstoff.
Arbeitnehmer befürchten den Verlust ihrer zeitlichen und räumlichen Unabhängigkeit und bangen etwa um die künftige Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Arbeitgeber sehen demgegenüber vielfach Vorteile darin, das Team vollständig vor Ort im Büro zu haben. Argumentiert wird insoweit zum Beispiel mit einem Kreativitätsverlust bei Home Office-Mitarbeitern, denen mangels tatsächlicher Teamarbeit die Gelegenheit zu spontanem Austausch und Brainstorming fehle.
In Deutschland haben Arbeitgeber aber einige Hürden zu überwinden, wenn sie Mitarbeiter aus dem Home Office zurück in den Betrieb holen möchten. Ob eine Arbeit von zu Hause aus beendet werden kann, hängt vor allem davon ab, wie die Heimarbeit ursprünglich eingeführt wurde.
Rückruf muss konkret begründet werden
Oft liegt dem Home Office eine einzelvertragliche Vereinbarung mit dem betroffenen Arbeitnehmer zugrunde. In diesem Fall richtet sich dessen Auflösung nach den dafür sinnvollerweise bereits zu Beginn der Heimtätigkeit vereinbarten Regelungen. Fehlen solche vertraglichen Grundlagen und wurde das Home Office als Arbeitsort fest vereinbart, ist eine Änderungskündigung erforderlich, um den Mitarbeiter gegen seinen Willen in die Büros des Arbeitgebers zurückzuholen.
Das gilt auch im Fall unwirksamer Rückrufklauseln. Darunter fallen insbesondere Vereinbarungen, die dem Arbeitgeber ohne jegliche Beschränkung das Recht einräumen, den Einsatz im Home Office jederzeit zu beenden. Solche Regelungen stellen eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar und sind rechtlich nicht durchsetzbar. Für die Wirksamkeit von Rückrufklauseln ist die Wahrung billigen Ermessens entscheidend. Die Interessen des Arbeitnehmers müssen ausreichend berücksichtigt werden, indem zum Beispiel konkrete Gründe für die Ausübung des Rückrufrechts angegeben werden oder eine angemessene Ankündigungsfrist vereinbart wird.
Betriebsrat hat Recht auf Mitsprache
Gerade in größeren Unternehmen werden Home Office-Regelungen zumeist in einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat vereinbart. Diese enthält dann konkrete Vorgaben zur Einrichtung des Heimarbeitsplatzes und regelt auch, ob und unter welchen Voraussetzungen einzelne Mitarbeiter einen Anspruch auf die Erbringung ihrer Arbeitsleistung von zu Hause aus haben. Die Beendigung eines eingerichteten Home Office richtet sich dann ebenfalls nach der jeweiligen Betriebsvereinbarung.
Homeoffice: 10 Regeln für Arbeitnehmer
Feierabend und Ferien gelten auch bei flexiblen Arbeitsplatzmodellen.
Feierabend, Wochenende, Urlaube und Krankschreibungen gelten auch bei flexiblen Arbeitsplätzen und sollten respektiert werden. Wer keine klaren Grenzen setzt, darf sich nicht wundern, wenn die Kollegen darauf keine Rücksicht nehmen. Mitarbeiter müssen Eigenverantwortung für ihre Zeiteinteilung übernehmen und Überlastung frühzeitig signalisieren.
Eigene Eignung für flexible Arbeitsmodelle kritisch überprüfen.
Nicht jeder eignet sich für flexible Arbeitsmodelle. Mitarbeiter, die diese Möglichkeiten austesten, müssen ehrlich zu sich selbst und ihrem Arbeitgeber sein. Wer sich zu Hause schnell ablenken lässt oder den regelmäßigen Austausch mit Kollegen benötigt, wird sich damit eher schwer tun. Ebenso können beispielsweise persönliche Rahmenbedingungen wie ein lautes Umfeld für unliebsame Störungen sorgen. Dies wirkt sich nicht nur negativ auf die Arbeit, sondern auch auf das eigene Wohlbefinden und die Motivation aus.
Auch bei flexiblen Arbeitsplatzmodelle hat der Arbeitgeber keinen Anspruch auf ständige Rufbereitschaft.
Eine ständige Rufbereitschaft ist nicht nötig und sogar kontraproduktiv. Auch im Home-Office müssen ungestörte Phasen für konzentriertes Arbeiten eingeplant werden, um effektiv Aufgaben zu erledigen. Eine permanente Erreichbarkeit erzeugt nicht nur zusätzlichen Stress, sondern führt durch Ablenkungen auch zu schlechten Ergebnissen. Mitarbeiter im Home-Office müssen deshalb ihre Bedürfnisse klar und offen äußern können.
Der Mitarbeiter muss unternehmerischer denken.
Jeder Arbeitnehmer im virtuellen Office ist dem Arbeitgeber und seinen Kollegen gegenüber verantwortlich. Flexible Arbeitsmodelle entbinden den Mitarbeiter nicht von seinen Aufgaben. Durch eindeutige Zielvorgaben werden Aufgaben klar definiert und für alle Beteiligten messbar.
Flexible Arbeitsmodelle sind kein Abstellgleis, aber sie erfordern mehr Durchsetzungswillen.
Mitarbeiter, die flexibel oder in Teilzeit arbeiten, werden häufig nicht als Leistungsträger gesehen. Hingegen gelten die ständig anwesenden Kollegen als Top-Performer, die „hart arbeiten“. Um dies zu ändern, muss der flexible Mitarbeiter mehr Durchsetzungswillen und Präsenz gegenüber seinen Vorgesetzen zeigen. Regelmäßige Feedbackgespräche verhindern eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Mitarbeiter, die flexibel arbeiten, sollten Maßnahmen zur Weiterbildung einfordern. Oftmals ist hier mehr Nachdruck nötig als bei jemandem, der vor Ort im Büro arbeitet.
Die eigenen Aufgaben, Prozesse und Termine klar kommunizieren.
Eine enge Abstimmung mit Kollegen und Vorgesetzten erleichtert die Kommunikation und sorgt für Verständnis. Wenn für die Kollegen nachvollziehbar ist, wo sich der Kollege gerade aufhält und mit welchen Aufgaben er beschäftigt ist, wächst das Vertrauen. Stundensplittings (z.B. am Nachmittag drei freie Stunden für die Kinder), Mittagspausen und externe Termine sollten daher klar kommuniziert werden. So geht man Missverständnissen und Gerüchten aus dem Weg. Moderne IT kann dabei eine wichtige Hilfestellung sein. Unified Communication-Systeme zeigen an, wann und wie man erreichbar ist.
Der Arbeitsrhythmus sollte an die eigene Produktivität und die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden, ohne dabei die Prozesse im Team zu missachten.
Studien zeigen, dass die Produktivität dann am höchsten ist, wenn zwischen zwei und zweieinhalb Tagen im Home-Office gearbeitet und der Rest der Woche für Tätigkeiten und Abstimmungen im Büro genutzt wird. Auch die eigenen Produktivitätszyklen können bei flexiblen Arbeitsmodellen stärker berücksichtigt werden. So arbeiten manche Menschen früh morgens am besten, andere eher am Abend. Aber das erfordert auch Abstimmung: Die Kollegen müssen wissen, wann man erreichbar ist.
Networking ist Pflicht: Die virtuelle Präsenz entbindet den Mitarbeiter nicht von seinen Aufgaben als Teammitglied, dazu zählen nicht nur die reinen Jobkriterien, sondern auch die Sozialkompetenz.
Der Austausch mit den Kollegen sollte sich nicht nur auf das fachliche beschränken. Freundlichkeit, Offenheit, Aufmerksamkeit, Respekt und Hilfsbereitschaft dienen nicht nur dem eigenen Wohlbefinden, sondern unterstützen das ganze Team. Nur in einem Umfeld aus Miteinander und Vertrauen lassen sich virtuelle Teams erfolgreich umsetzen.
Bei virtuellen Teams ist Wissensmanagement mit einem eindeutigen Ablagesystem Pflicht.
Die systematische Speicherung und Aufbereitung von Wissen erleichtert die Arbeit und die Kommunikation in virtuellen Teams. Der aktuelle Stand von Unterlagen muss zentral – die Cloud macht es möglich – abgelegt werden. Alle relevanten Mitarbeiter brauchen Zugriff auf die Ordner. Diese Systeme sichern die Freizeit, denn nur Kollegen, die Zugriff auf alle Unterlagen haben, können auch bei Bedarf füreinander einspringen.
Flexible Arbeitsmodelle verlangen ein hohes Maß an Selbstorganisation.
Wer in flexiblen Arbeitsmodellen arbeitet, muss sich auch zuhause ein produktives Umfeld schaffen (Raum, Technik, Rahmenbedingungen) Um in flexiblen Arbeitsmodellen erfolgreich zu arbeiten, müssen sich Mitarbeiter mit ihren eigenen Stärken und Schwächen auseinandersetzen: Wer gut organisiert und diszipliniert ist, wird in solchen Strukturen bessere Leistungen erzielen.
Bereits seit 1998 enthalten auch einzelne Tarifverträge Regelungen zur Nutzung eines Home Office, oft unter dem Stichwort „(alternierende) Telearbeit“. Vorreiter war seinerzeit die Deutsche Telekom. An die darin enthaltenen Vorgaben müssen sich allerdings nur tarifgebundene Arbeitgeber halten. Zudem sehen Tarifverträge meist keinen Rechtsanspruch einzelner Mitarbeiter auf die Einrichtung oder Beibehaltung eines Home Office vor, sondern räumen den Unternehmen nur die Möglichkeit ein, Heimarbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Der Tarifvertrag sieht aber gleichzeitig das Recht vor, diese mit einer gewissen Ankündigungsfrist auch wieder aufzulösen.
Wichtig ist es, bei der Rückholung von Mitarbeitern aus dem Home Office auf die Beteiligung des Betriebsrats zu achten. Denn der Rückruf von der Heimarbeit kommt in der Regel einer Versetzung gleich. Einem solchen Schritt muss der Betriebsrat grundsätzlich zustimmen.
Hürden sind überwindbar
Die Gewährung von Heimarbeitsplätzen ist also keine Einbahnstraße. Hat der Arbeitgeber entsprechende rechtliche Voraussetzungen geschaffen, kann er seine Mitarbeiter wieder zur Tätigkeit ins Büro holen. Arbeitnehmer sollten sich darauf einstellen, dass die Einrichtung eines Home Office in der Regel ein Privileg auf Zeit ist.