Rezension Hermann Scherer Wie Menschen zu Glückskindern werden

Über 2000 Vorträge, 30 Bücher in zwölf Sprachen – Hermann Scherer ist einer der erfolgreichsten Business-Experten. In seinem neuen Buch erklärt der Selfmade-Millionär, wie jeder Mensch seine Chancen optimal nutzen kann.

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Auf den Sechser im Lotto warten - oder sein Glück selbst in die Hand nehmen und die Chancen wahrnehmen? Quelle: ap

Düsseldorf Ein junges Ehepaar genießt seinen Urlaub in New York. Dazu gehört natürlich auch die Fahrt hinauf aufs Empire State Building. Doch als die beiden die lange Schlange sehen, verlieren sie die Lust. Sie haben nicht genug Zeit, um eine Stunde oder länger zu warten. Ein Einheimischer erkennt ihr Dilemma und gibt einen Rat: „Sie können 30 statt 15 Dollar bezahlen und sich das Anstehen sparen, indem sie den Express-Fahrstuhl nehmen. Oder sie gehen zum Rockefeller Center. Der Ausblick von dort ist ohnehin noch schöner.“

Doch die beiden hören nicht auf den freundlichen Mann und ziehen enttäuscht ab. Zwar gibt es noch  andere touristische Highlight in New York, aber der ersehnte Überblick aus der Höhe – der bleibt ihnen versagt.

Solches Verhalten kennt Hermann Scherer zur Genüge – im Privaten und vor allem im Beruf. Für den Unternehmer und Berater sind diese Beispiele ein Sinnbild dafür, wie Menschen zu Losern werden. Denn sie nutzen ihre Chancen nicht. „Warum sind sie so fixiert auf das Eine, das sie geplant haben?“, fragt Scherer in seinem neuen Buch „Glückskinder. Warum manche lebenslang Chancen suchen – und andere sie täglich nutzen“.

Hermann Scherer ist mehrfacher Bestsellerautor und als Referent sehr gefragt. In dem aktuellen Werk widmet er sich der Frage, wie Menschen privat und in ihrem Berufsleben glücklich werden und warum so gut wie gar nichts mit Zufall zu tun hat. Ratgeber zu diesen Themen gibt es zuhauf. Dutzende solcher Bücher von ähnlicher Bauart erscheinen in Deutschland Jahr für Jahr. So hat man auch die Hinweise von Scherer durchaus schon gelesen – und dennoch sticht sein Buch heraus.


Loslassen ist der erste Schritt

Doch „Glückskinder“ ist insofern ein besonderes Buch, weil es sehr persönlich ist. So manchem Leser mag es sogar schon zu persönlich sein, wie der Autor aus seinem (Intim-) Leben berichtet und sich zum Vorbild stilisiert. Ob die Bescheidenheit, die Scherer erzeugen will, echt ist oder gespielt – das muss jeder Leser für sich entscheiden.

Was in diesem Buch ein wenig stört, sind Dutzende von abgegriffenen Phrasen á la „Es gibt ein Leben vor dem Tod“. Diese Passagen hat Scherer gar nicht nötig und es wirkt, als gäbe es sie nur, damit das Buch über 200 Seiten lang wird. Dabei hat er so viele knackige Zitate im Fundus, für die allein sich schon die Lektüre lohnt.

Der Weg zum Glück führt zunächst einmal über das Loslassen von materiellen Dingen, aber auch Gewohnheiten: „Wer loslässt, hat zwei Hände frei.“ Ein kleiner Satz mit viel dahinter. Auch wenn Scherer diesen Gedanken zweifellos nicht erfunden hat, führt er doch praxisnah und geschickt aus, was im Berufsleben dahinter steckt.

Und dabei spricht der Autor viel von seinem Leben. Warum er sich – um eben loslassen zu können – nie ein eigenes Haus kaufen würde. Warum ein Umzug bei ihm nur 55 Minuten dauert und wieso er möglichst wenige Gegenstände besitzen will. Eben weil Scherer mit wenig Gepäck durchs Leben gehen will. Wenn nichts am Herzen liegt, tut Verzicht, Loslassen oder Verlust nicht weh. Die Passage gehört zweifellos zu den besten des Buches.

Zum Loslassen gehört auch die Überwindung des Sicherheits-Fanatismus. Das Grundbedürfnis danach sollte laut Scherer unbedingt übertroffen werden durch das Grundbedürfnis nach neuen Erfahrungen. Also nicht im goldenen Käfig leben, sondern neue Wege suchen. Und seine Furcht überwinden. Denn die modernen Ängste sind es, die unsere Kreativität hemmen. Darunter versteht der Autor die Furcht vor dem Ansehensverlust im Büro oder ähnliche Dinge.


Perfektionismus ist schlecht

Dabei rät Scherer, nicht den leichten Weg zu gehen. Er nennt das Kapitel „Warum die Sonderangebot des Lebens zu billig sind“ und trifft damit ins Schwarze. Der Weg des geringsten Widerstandes führe selten zum Erfolg. Stattdessen gilt vereinfacht formuliert: Sich selbst Ziele setzen und den zur ihrem Erreichen trotz mannigfaltiger Probleme konsequent beschreiten. Schließlich gibt es kein Unternehmen, „das anders entstanden wäre als zum Zweck, Probleme zu lösen“.

Perfektionismus sollte man dabei allerdings nicht zeigen. Mit dem komme man nicht weiter. „Ständige Verbesserungen sind keine ausreichende Überlebensversicherung“, schreibt Scherer. Viel besser sei, etwas Schlechtes zu produzieren, also neue Pfade zu beschreiten. Er nennt das Beispiel Aldi, wo die Albrecht-Brüder mit dem Gegenteil von Perfektionismus, der Banalisierung, Wirtschaftsgeschichte geschrieben haben.

Scherer verweist des Öfteren darauf, dass Glückskinder „nicht frohlockend durch die Welt jubilieren“. Der Weg zu den großen Chancen des Lebens erfordert Härte und Selbstzweifel. Und das ständige Loslassen sei alles andere als ein leichter Prozess.

Klar ist aber auch eines: der Autor ist streitbar. Man kann ihn als Wiederkäuer bekannter Ideen brandmarken, der sein Geld durch geschicktes Gehabe und Übertreibung verdient. Oder man kann ihm vertrauen und als nützlichen Begleiter ansehen. Es dürfte beide Typen von Lesern geben.

 

Bibliografie:

Hermann Scherer

Glückskinder. Warum manche lebenslang Chancen suchen – und andere sie täglich nutzen.

Campus Verlag, Frankfurt am Main 2011

237 Seiten

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