Die Stichworte zur Rede sind notiert, die Botschaft ist klar und der Dackel war bei jedem Spaziergang ein geduldiger Zuhörer. Jetzt wird es ernst, das Publikum schaut erwartungsvoll. Erst einmal durchatmen, rät von der Weth. Sie sagt: "Konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung und Ihre Körperspannung. Verharren Sie in dieser Haltung schweigend so lange vor Ihrem Publikum, bis es still ist." Erst wenn Ruhe eingekehrt sei - und zwar sowohl im Publikum als auch im Redner - beginnt die Rede. Jessica Wahl, Personal Performance Coach, empfiehlt außerdem, erst die Augen und dann den Mund aufzumachen.
"Gehen Sie bereits kurz bevor Sie Ihre Rede beginnen, in Blickkontakt mit Ihrem Publikum und sprechen Sie möglichst frei, sodass Sie mit Ihrem Publikum in Beziehung gehen können", sagt sie. Es herrscht also Ableseverbot. Einzelne Zahlen und Fakten dürfen natürlich nachgeschaut werden, aber ansonsten gehört der Blick ins Publikum.
Was Ihre Gesten über Sie verraten
signalisiert laut den Bewerbungsexperten von Hesse/Schrader Konzentration oder Nachdenken
bedeutet Ungeduld oder Nervosität, vielleicht sogar Provokation
zeigen die eigene Überlegenheit
Gesagtes wird zurückgenommen, weil Unsicherheit in der Sache besteht
demonstriert Selbstzufriedenheit, wirkt aber nicht immer sympathisch
zeigt bei Zurücklehnen grenzenlose Souveränität
lässt auf Desinteresse, Unkonzentriertheit oder Nervosität schließen
steht für Nachdenklichkeit, Erschöpfung oder Langeweile
zeigt Ratlosigkeit oder Unsicherheit
steht für Nachdenklichkeit und Zufriedenheit
zeigen bei Frauen: Unsicherheit oder Angst, bei Männern: Ablehnung und Verschlossenheit
signalisieren Überheblichkeit, gleichzeitig Abwehr gegen Einwände
"Ab und an ein Lächeln", so Wahl, " kann Wunder wirken." Und die Hände bitte nicht in die Hosentasche stecken oder hinter dem Rücken verstecken. "Mit den Händen zeigen Sie, dass Sie "handlungsfähig" sind", so Wahl. Sie gehören deshalb locker in Gürtelhöhe, sodass der Redner sie bei Bedarf jederzeit öffnen kann. Wildes Herumgefuchtel mit den Händen lenkt allerdings nur ab. Dasselbe gilt für das nervöse Herumzupfen an Kleidung oder Manuskript. "Setzen Sie Gesten sparsam, aber gezielt ein", rät von der Weth.
Das rhetorische Risiko eingehen
Rossié ist überzeugt, dass eine gute Rede immer ein bisschen provokant sein muss. "Sie muss aufrütteln und wach machen." Außerdem braucht die perfekte Rede gute Bilder und Metaphern. Am besten sei es, die Rede habe einen Slogan, der im Kopf bleibt, wie bei Herzogs "Ruck-Rede" oder Wowereits Ausspruch, dass Berlin "arm, aber sexy" sei.
Letzteres ist im Übrigen ein gutes Beispiel für den persönlichen Bezug oder die Anekdote, die jeder Rede gut tut, also dem "movere". Hätte Wowereit gesagt, dass Berlin zwar arm sei, die Zahl der Touristen und die Lebenszufriedenheit der Einwohner jedoch hoch, würde sich niemand daran erinnern. Gleiches gilt für den Ausspruch des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff. Dass "der Islam zu Deutschland gehört", hat die Menschen bewegt.
Deshalb müsse man sich frei machen von der Angst, sprachlich ein Risiko einzugehen, so Waldeck vom VRdS. Eine klare Haltung und deutliche Worte können zwar negative Reaktionen hervorrufen, wortreiches Geschwurbel erreicht dagegen gar nichts. "Für Hauptversammlungsreden gilt, was jeder Kleinanleger wissen sollte: Geringes Risiko bringt wenig Rendite; wer mehr Rendite will, muss etwas riskieren", so Waldeck.
Davon, sich durch Witze hervorzutun, raten die Experten jedoch dringend ab. "Um Himmels Willen", sagt beispielsweise Danz. "Selbst wenn man ein guter Witze-Erzähler ist, geht so etwas meist schief." Außerdem habe ein Witz selten etwas mit dem Inhalt der Rede zu tun und wirke daher nur als Pseudo-Stimmungsaufheller, der die Unsicherheit des Redners offenbare.
Geht der Witz dann auch noch daneben, ist der Auftritt total versaut, so die Opernsängerin von der Weth. "Ein misslungener Witz wirkt bemüht, aber nicht gekonnt."