Schwangere Premierministerin Jacinda Ardern ist eine Vorreiterin

Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern ist schwanger Quelle: dpa

Von Neuseelands Regierungschefin, die gerade ihr erstes Kind erwartet, kann die Welt einiges lernen: Dass Frauen Mutter und jeden Job gleichzeitig können, dies nicht allein tun müssen und Zweifel unangebracht sind.

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Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern erwartet ein Kind. Schön für die 37-Jährige, denken Sie vielleicht, und gleichzeitig: na und? Doch man sollte die Nachricht vom Nachwuchs in Wellington nicht als Klatsch und Tratsch abtun. Die Regierungschefin bereitet ein weiteres Stück des Weges für berufstätige Mütter und für Mütter in Führungspositionen. Sie lebt eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie vor, wie sie selbstverständlich sein sollte.

Ardern ist die zweite Frau auf der Welt überhaupt, die als Regierungschefin ein Baby bekommt. Die erste war die später ermordete damalige pakistanische Premierministerin Benazir Bhutto, die 1990 im Amt ihr zweites Kind bekam. Ardern hat das Amt erst vor drei Monaten übernommen und verriet nun, dass sie nur wenige Tage vor ihrer Vereidigung von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Jetzt verkündete sie es der Öffentlichkeit mit einem Tweet.

Dass sie gewartet hat, hat mutmaßlich mehrere Gründe. Einer davon wird sein, dass sie nach eigener Aussage Schwierigkeiten hatte, überhaupt schwanger zu werden und umso kritischer die ersten Wochen abwartete, in denen die Gefahr einer Fehlgeburt besonders hoch ist. Ein anderer könnte sein, dass sie erst einmal zeigen wollte, dass sie ihrem Amt gewachsen ist. Damit verringerte sie die Wahrscheinlichkeit, Zweifeln ausgesetzt zu sein, dass sie der Doppelrolle als Premierministerin und Mutter nicht mehr gewachsen sein könnte.

Natürlich: Jacinda Ardern ist eine privilegierte Frau. Sie kann es sich leisten, ihr Baby rund um die Uhr betreuen zu lassen. Sie und ihr Mann können es sich auch leisten, dass zunächst er sich ab der siebten Woche nach der Geburt um das Kind kümmert und nicht mehr arbeitet, während Ardern ihr Amt ausfüllt. Ihre Pläne sind so detailliert bekannt, weil Frau Ardern offensichtlich trotz ihrer herausgehobenen Position und trotz ihrer Vorkehrungen die gleiche Frage erwartete wie alle Frauen. Sie lautet: Wie willst Du das alles machen? Bevor ihr die Frage gestellt wurde, kam sie ihr zuvor. Sie werde nach der Geburt sechs Wochen Mutterschutz in Anspruch nehmen und dann wieder arbeiten. Ihr Mann werde sich ums Baby kümmern. Sie würden es alles gemeinsam möglich machen. Und so weiter.

Auch in ihrem Tweet geht Ardern implizit auf die Standardfrage ein. „Wir schließen uns in diesem Jahr den vielen Eltern an, die zwei Dinge unter einen Hut bringen. Ich werde Premierministerin UND Mama sein. Clarke wird der ‚First Man‘ des Fischens und Vollzeit-Vater“, schrieb sie.

Eine "völlig unannehmbare" Frage

Obwohl also Ardern wie alle berufstätigen Frauen in den Erklärungsmodus verfällt, nur weil sie schwanger ist, ist sie ein leuchtendes Beispiel. Erstens, weil sie es einfach tut und trotz ihres Amtes dieses Wunschkind bekommt. Zweitens, weil es eigentlich keinen Zweifel mehr geben sollte, dass Frauen Muttersein und Job bewältigen können, sogar wenn sie dabei eine Regierung führen. Drittens, weil sie zeigt, dass sie das nicht allein tun müssen. Und viertens, weil mit jeder weiteren Frau wie dieser der vermeintliche Gegensatz weiter entlarvt wird als einer, der eigentlich keiner ist.

Schon klar: Nicht alle Mütter (und Väter!) wollen Vollzeit oder in einer Führungsposition oder überhaupt arbeiten. Der entscheidende Grund dafür, dass viele, die es gerne würden, nicht tun, ist aber ein anderer. Es ist immer noch der Mangel an Betreuungsmöglichkeiten und vielerorts an einer Kultur des Zweifels und des gefühlten oder tatsächlichen Rechtfertigungsdrucks. Ardern hat schon vergangenes Jahr gezeigt, wie Frauen damit umgehen sollten: offensiv. Als sie den Vorsitz ihrer Labour-Partei übernahm, fragte sie einer, ob sie plane, Kinder zu haben. Ardern konterte, es sei „völlig unannehmbar“, dass Frauen im Beruf heute noch solche Fragen gestellt bekämen.

Damit hat sie Recht; in Deutschland ist diese Frage in Vorstellungsgesprächen auch nicht zulässig. Wünschenswert wäre aber dies: Wenn eine berufstätige Frau in Zukunft ihre Schwangerschaft verkündet, sollte sie nicht reflexhaft danach gefragt werden, wie sie ihre Mutterschaft und ihren Job vereinbaren wolle. Und wenn, dann sollten auch sämtliche angehenden Väter dies gefragt werden. Je mehr von ihnen in Deutschland Elternzeit nehmen – und zwar mehr als nur zwei „Alibi“-Monate – desto häufiger könnte das tatsächlich der Fall sein.

Noch besser wäre es aber, wenn die Frage überhaupt nicht aufkäme – weil Betreuungsplätze und flexible Lösungen in ausreichender Menge vorhanden wären. Das würde nebenbei auch noch das Armutsproblem Tausender Alleinerziehender lösen, wie Hilmar Schneider in der aktuellen WirtschaftWoche schreibt. Dann würde das Kinderkriegen auch im Beruf und bis in die höchsten Ämter einfach nur noch als das wahrgenommen , was es ist: die normalste und schönste Sache auf der Welt.

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