Serie: Zukunft der Arbeit Diese Qualifikationen zünden Ihren Karriereturbo

Datenbrillen, digitale Termin-Assistenten und Chat-Bots & Co. gehören künftig zur digitalen Grundausstattung in Büro wie Industrie. Woran auch immer wir arbeiten - eine Künstliche Intelligenz ist bald mit im Team.

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Quelle: Getty Images

Fast im Wochentakt begrüßt Matthias Bues Abgesandte deutscher Großkonzerne und Mittelständler am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart. Sie scharen sich um einen Tisch, der auf den ersten Blick als Esstisch durchgehen könnte. Tatsächlich jedoch führt ihnen der Leiter Virtuelle Technologien daran vor, wie extrem flexibel, kommunikativ, effizient und – ja auch entspannt – künftig gearbeitet werden kann. Auf die Fläche sind Zeichnungen, 3D-Entwürfe, Fotos, Textdateien, Excel-Tabellen und Webseiten projiziert, und alle Umstehenden können sie wie vom privaten Smartphone gewohnt flott per Finger hin- und herschieben, zoomen, öffnen, schließen und bearbeiten, etwa mit einem elektronischen Stift eine Konstruktion ändern.

Es dauert nie lange, bis die Besucher der Spieltrieb packt und sie alles ausprobieren. Sogar Hologramme, etwa von einer geplanten Fabrikhalle, tauchen auf wie aus dem Nichts und können per Headset, das die Kopfbewegungen erfasst, erkundet werden.

Spaß ist das eine. Was aber laut Bues viel wichtiger ist: Die Projektionsfläche ist ein idealer Gruppenarbeitsplatz, an dem sich alle Beteiligten eines Projekts unmittelbar austauschen können, ohne etwa Mails schreiben zu müssen. Jeder hat seine Daten und Anwendungsprogramme zur Hand, jeder sieht den aktuellen Stand der Diskussion – auch die von außen zugeschalteten Teammitglieder.

So viele Vorzüge auf einmal. Für Peter Gerber, der für den global tätigen Automobil- und Industriezulieferer Schaeffler aus Herzogenaurach bei Nürnberg neue effiziente Methoden der Produktentwicklung vorantreibt, war daher nach dem Besuch in Stuttgart sofort klar: Das müssen wir bei uns einführen. Seit kurzem üben sich erste Mechaniker, Elektroniker und Software-Spezialisten des Unternehmens darin, an dem digitalen Gemeinschaftsarbeitsplatz etwa innovative Automatikgetriebe fürs Auto von vornherein im Gleichschritt auszutüfteln.

Alle seien begeistert, berichtet Gerber. Und schon jetzt zeige sich, dass es helfe, schneller zu sein, Fehler frühzeitig zu erkennen und die Komplexität zu beherrschen. Vor allem aber, freut sich der Ingenieur, „sprudeln die Ideen nur noch so“.

Virtueller Assistent, intelligente Büromöbel und überall kluge Roboter – der Arbeitsalltag von morgen unterscheidet sich massiv vom heutigen. Auf was Sie sich einstellen müssen, verrät diese animierte Story.

Andere Anwendungen virtueller und erweiterter Realität –  Englisch: Augmented Reality (AR) – zielen vor allem darauf, Beschäftigte flexibler und produktiver zu machen. Bekommt es zum Beispiel beim Haushaltsgerätehersteller Miele im Werk Bünde ein Monteur mit einer ihm unbekannten Variante eines Dampfgarers zu tun, blendet ihm ein Display an seinem fahrbaren Werkzeugtisch ein, wie er ihn zusammenbauen muss. Im Emdener Volkswagenwerk leuchtet der Barcode in der Datenbrille des Lageristen rot auf, wenn er nach der falschen Frontscheibe für den nächsten Passat auf dem Fließband greift. Eine integrierte Kamera liest das Muster ab, die Hände hat er frei. Beim Logistikkonzern Schenker weisen die Datenbrillen den kürzesten Weg durch das gigantische Hongkonger Warenlager.

Aus der Spielewelt längst vertraut, halten visuelle Technologien jetzt auch breiten Einzug in Büro und Industrie. 850 Millionen Euro wollen deutsche Unternehmen dafür bis 2020 investieren. Datenbrillen & Co. gehören also künftig zur digitalen Grundausstattung.

Virtuelle Assistenten

Viele Computernutzer mögen sich noch an Clippy erinnern: Die gut gelaunte Büroklammer tauchte immer mal wieder auf dem Bildschirm in Microsoft Office auf, um ihre Hilfe anzubieten. Doch so schön die Idee damals war - Clippys Dienste waren häufig nicht zu gebrauchen. Mit Office 2007 stellte Microsoft das digitale Helferlein ein.

Doch die Technik hat sich entwickelt: Künstliche Intelligenz ist in den vergangenen Jahren erheblich schlauer geworden. Damit werden virtuelle persönliche Assistenten wie Clippy plötzlich zu einer ernsthaften Arbeitserleichterung. Dutzende Start-ups arbeiten an Diensten, die unseren Arbeitsalltag künftig verändern werden.

Die richtigen Bots zu kennen und bedienen zu können, wird im Büro ein wichtige Rolle spielen. Nicht nur, weil die Arbeit damit produktiver wird. Sondern auch, weil die denkenden Maschinen uns Menschen künftig sogar in unseren beruflichen Kernaufgaben unterstützen.

Zunächst erobern sie allerlei Sekretariatsaufgaben. So planen neue Bots wie der Dienst X.ai Meetings mit Kollegen oder Kunden. Sie haben Zugriff auf den digitalen Terminkalender ihres Nutzers und verhandeln per E-Mail mit allen Teilnehmern einen passenden Termin. Auch Microsoft hat mit dem jüngsten Kauf des Startup Genee einen Terminplanungsassistenten im Angebot.

Maschinen übernehmen zunehmend auch die Planung von Geschäftsreisen. Der Chatbot Hipmunk für Facebooks Messenger etwa: Die Konversations-Software plaudert per Textnachricht mit dem Nutzer und beantwortet konkrete Fragen, etwa: 'Was sind die besten Tage für einen Flug von Frankfurt nach New York für einen 5-Tages-Trip im August?' Der Bot versteht die Frage und sucht die preiswertesten Flüge aus.

Das US-Start-up Legalist etwas arbeitet an einer Künstlichen Intelligenz, die Juristen in den USA eine Menge Arbeit abnehmen soll: Sie berechnet automatisch die Erfolgsaussichten von juristischen Klagen. 15 Millionen Fälle studierte der Algorithmus dazu. Der digitale Assistent Wendy des Startups Wade&Wendy wiederum spielt Mitarbeitern der Personalabteilung passende Bewerbungen zu, die der Bot zuvor ausgewählt hat.

Die Software Boomerang Respondable bietet Nutzern sogar einen virtuellen Schreibcoach. Eingebunden in die E-Mail-Programme G-Mail und Outlook misst das Programm beim Tippen einer Mail unter anderem, wie freundlich, verständlich oder positiv der Text formuliert ist und macht Verbesserungsvorschläge. Balken am Rand des Eingabefensters zeigen an, ob das Geschriebene im grünen Bereich ist - oder ob Sätze beispielsweise zu lang sind.

Woran auch immer wir arbeiten - eine Künstliche Intelligenz ist bald immer mit im Team.

Big Data

Daten seien für Unternehmen das neue Öl, heißt es neuerdings immer wieder. Denn ob Schriftverkehr, Verkaufsstatistiken oder Kundenanfragen: Alles ist digital gespeichert und lässt sich auswerten. Künftig werden Büroarbeiter darum einen großen Teil ihrer Zeit damit verbringen, diesen Schatz gewinnbringend auszuschlachten.

Big Data für sich nutzbar zu machen, wird zu einer Kernkompetenz. Mitarbeiter nutzen dazu Analyse-Software, die die gewaltigen Datenberge durchforstet und sortiert. Wer der Software die richtigen Fragen stellt, erkennt anhand der Daten beispielsweise frühzeitig, ob es Lieferprobleme gibt, ob sich Fehler bei einem Produkt häufen oder ob die Nachfrage nach einer Ware steigt.

Das Beispiel Kundenkontakt: Jeden Tag gehen bei Firmen Tausende Kunden-E-Mails ein. Bisher lesen, sortieren und beantworten Servicemitarbeiter sie, obwohl sich Fragen und Beschwerden oft gleichen. Diese Arbeit sollen nun teilweise Maschinen erledigen - mithilfe Künstlicher Intelligenz.

Auf welche Bereiche wirkt sich die Digitalisierung im Arbeitsalltag aus?

Das Berliner Start-up Parlamind entwickelt dazu eine Software, die eingehende Mails automatisch  in 220 verschiedene Kategorien sortiert. Aktuell erkennt die Parlamind-Software, ob Kunden etwa ein Formular anfordern oder sich über eine Lieferung beschweren. "Servicemitarbeiter erkennen so schneller, was die Kunden beschäftigt", sagt Wolf.

Auch im Online-Handel ist Big Data längst zur Wunderwaffe geworden. Beim Versandhändler Otto berechnet eine Software Tag für Tag Verkaufsprognosen für jedes der mehr als zwei Millionen Produkte im Sortiment des Handelsriesen.

Rund 200 Variablen fließen in die Berechnung ein, etwa die Verkaufszahlen des Vorjahres, aktuelle Werbekampagnen für das Produkt oder gar die Wettervorhersage: Scheint in der nächsten Woche die Sonne, dann wird der Absatz von Sommerkleidern steigen. Regnet es, sinken die Absatzzahlen.

Rund um die Uhr füttern die Mitarbeiter das System mit neuen Informationen - und werten sie stetig aus, um Restbestände zu verringern und den Absatz zu steigern.

Es ist absehbar: Wer Big Data clever nutzen kann, hat in immer mehr Unternehmen das Zeug zum Mitarbeiter der Zukunft.

Alle Teile der Serie Zukunft der Arbeit finden Sie unter: wiwo.de/zukunft

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