Dafür, dass sich Pia Poppenreiter eine der großen Fragen des Lebens stellte, erforderte die Antwort dann doch verhältnismäßig wenig Aufwand: zwei Arzttermine; zehn Hormonspritzen; eine Kühltasche, stets griffbereit. So hat die 28-jährige Unternehmerin sich Luft verschafft bei der Antwort auf die Frage, wie das gehen soll: Kind und Karriere?
Es war ein Tag in diesem April, als Poppenreiter zum entscheidenden Mal die Räume einer Potsdamer Kinderwunsch-Praxis betrat. Ein Paket mit zehn Hormonspritzen wartete dort auf sie, selbst zu verabreichen von da an zehn Tage lang, immer zur gleichen Zeit am Vormittag. Ebenfalls immer in der Nähe vorzuhalten: ein Kühlschrank oder mindestens eine Kühltasche, damit die Hormone nicht warm werden.
Es waren, vor allem für Poppenreiters Umfeld, sonderbare zehn Tage: Mal musste sie eine Besprechung für die Spritzen unterbrechen, mal dem Sicherheitsmann am Flughafen erklären, warum sie Spritzen und Nadeln mit in die Kabine nehmen muss.
Zehn Dinge, mit denen Frauen ihre Karriere riskieren
Fragt man eine Frau: Was ist Ihnen an ihrem Job wichtig? Lautet die Antwort nicht, mein Firmenwagen, das üppige Gehalt oder der leistungsabhängige Bonus. Nein! Frauen wollen hauptsächlich Spaß an der Arbeit. Während 49 Prozent der Frauen sich ein freundliches Arbeitsumfeld wünschen und 44 Prozent Wert auf vielfältige Arbeitsaufgaben legen, sind nur 16 Prozent auf Prestige und 9 Prozent auf eine rasche Beförderung aus.
Gerade in größeren Abteilungen müssen sich Mitarbeiter häufig gegen ihre Kollegen durchsetzen, um sich Gehör und Respekt beim Chef zu verschaffen. Doch gerade dieser interne Konkurrenzkampf gefällt vor allem Frauen nicht. Eine Umfrage von TNS Emnid und der Axa-Versicherung zeigt, dass über ein Drittel aller Frauen Angst vor dem Konkurrenzkampf mit Kollegen haben. Nur 15 Prozent ihrer männlichen Mitstreiter sorgen sich darum.
Teamfähigkeit gilt als einer der wichtigsten Soft-Skills und gerade Frauen bevorzugen diese Form des Arbeitens. Ein Experiment an der Universität Lyon hat gezeigt, dass Männer vor allem dann Teamarbeit nutzen, wenn sie in dem geprüften Bereich nicht so leistungsfähig sind. Frauen arbeiten generell lieber im Team, unabhängig davon wie stark sie selbst auf dem jeweiligen Gebiet sind. Eine durchaus positive Fähigkeit, solange die eigene Leistung nicht vom Können des Teams überschattet wird.
Die karriererelevanten Studienfächer sind nach wie vor Wirtschaftswissenschaften, Jura und Ingenieurswissenschaften. Während bei den Wirtschaftswissenschaften im Wintersemester 2010 immerhin 45 Prozent der deutschen Studierenden weiblich waren und bei Jura sogar über die Hälfte, sieht es im Bereich der Ingenieurswissenschaften weiterhin düster aus. Die Maschinenbaustudiengänge verzeichneten gerade einmal einen Frauenanteil von neun Prozent. Bei Elektrotechnik waren es sogar nur sechs Prozent.
Frauen verkaufen sich häufig unter Wert und trauen sich selbst viel zu wenig zu. Eine Studie des Beratungsunternehmens Accenture zeigt, dass Frauen sich selbst beschuldigen, wenn es um die Gründe für ihre schlechten Aufstiegschancen geht. 28 Prozent der befragten Damen sagen, ihnen fehlten die nötigen Fertigkeiten für den nächsten Schritt auf der Karriereleiter.
Nicht nur Männer wollen keine Frauen als Chef, sogar die weiblichen Arbeitnehmer sind von Frauen in Führungspositionen wenig überzeugt. Nur drei Prozent wollen eine Chefin. Neunmal so viele finden es besser einen Mann als Chef zu haben. Das ergab eine repräsentative Umfrage der Meinungsforscher von Forsa.
Damit in Zusammenhang könnte das Phänomen der Stutenbissigkeit stehen. Eine Studie der Universität Amsterdam belegt, dass Frauen zwar gut kooperieren können, aber nur so lange sie mit männlichen Kollegen zu tun haben. Sobald sie mit Frauen zusammenarbeiten sollen, ist es um den Teamgeist schlechter bestellt. Ein internationales Forscher Team setzte kürzlich sogar noch einen obendrauf. Sie fanden heraus, dass die Damen besonders schlecht miteinander können, wenn die jeweils andere bei den männlichen Kollegen gut ankommt.
Selbst Frauen in Führungspositionen verdienen immer noch deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. Eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung unter 12.000 Akademikern zeigt die Unterschiede. Ein männlicher Abteilungsleiter verdient etwa 5000 Euro monatlich, sein weibliches Pendant gerademal 3800 Euro. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Frauen bei Gehaltsverhandlungen mit weniger zufrieden sind und andere Faktoren wichtiger finden.
Zugegeben, es ist nicht einfach Familie und Karriere miteinander in Einklang zu bringen. 72 Prozent der Mütter von minderjährigen Kindern halten dieses Unterfangen für schwierig. Und die Mütter sind es letztendlich auch, die in Sachen Karriere den Kürzeren ziehen. Dafür verantwortlich sind die traditionellen Vorstellungen von Familie, die sowohl Männer als auch Frauen immer noch mit sich herumtragen. Während 2010 nur etwa 5 Prozent der Väter mit minderjährigen Kindern in Teilzeit arbeiteten, waren es über 68 Prozent der Mütter.
Zu all diesen Karrierehemmnissen kommt ein zentraler Punkt hinzu. Viele Frauen wollen überhaupt nicht aufsteigen. Das Beratungsunternehmen Accenture fand heraus, dass nur jede fünfte Frau ihre Karriere überhaupt vorantreiben will. Ganze 70 Prozent sind mit ihrer aktuellen Position im Unternehmen zufrieden.
Der elfte Tag nach jenem Praxisbesuch schließlich sollte der entscheidende sein: Im Körper einer Frau reift normalerweise im Monat etwa eine Eizelle heran. Mithilfe der Hormonspritzen aber wuchsen bei Poppenreiter nun bis zu 20 Zellen auf einmal. Die junge Frau nahm sich einen halben Tag frei, erschien zum Operationstermin bei einem Frauenarzt und ließ sich unter Vollnarkose mit einer langen Nadel 15 Zellen aus dem Eierstock saugen.
Freezing wurde für Krebspatientinnen entwickelt
Während die Eizellen von dort ihre Reise in einen speziellen Tiefkühltank antraten, worauf noch zurückzukommen sein wird, ließ sich Pia Poppenreiter, noch recht benommen, am Nachmittag von einem Freund wieder zur Arbeit nach Berlin fahren. Schließlich gründet sie gerade ihr zweites Unternehmen, da sind Pausen selbst für die eigene Nachwuchsplanung eher nicht so günstig.
Insofern ist das Social Freezing, das Pia Poppenreiter in besagter Praxis in Anspruch nahm, eine feine Sache: Freezing steht fürs Einfrieren der Eizellen; so sollen Frauen auch später noch Nachwuchs bekommen können, wenn die Chancen auf natürlichem Wege womöglich geringer sind. Social bedeutet, dass sie das aus freien Stücken tun: Kinder passen noch nicht in ihr Leben, sollen später aber womöglich dennoch einmal dazugehören.
Ursprünglich als Medical Freezing für junge Krebspatientinnen entwickelt, die nach Bestrahlungen nicht mehr auf natürliche Weise schwanger werden konnten, erobert die Methode nun die Wunschlisten von jungen Frauen in der ganzen Republik. Fertig bereitet, ein neues Lifestyle-Phänomen für jene zu werden, die nicht länger Opfer der zermürbenden Kind-Karriere-Kompromiss-Suche werden möchten. In den USA schlagen große Unternehmen wie Apple und Facebook aufstrebenden Mitarbeiterinnen bereits vor, die Kosten fürs Einfrieren der Fruchtbarkeit zu übernehmen.
Diese Unternehmen bieten die besten Karrierechancen für Frauen
Für den Frauen-Karriere-Index des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bekommen die teilnehmenden Unternehmen eine Wertung auf einer Skala von 0 bis 100. Je höher die Punktzahl, desto besser die Karrierechancen für Frauen in dem Betrieb.
Die Symrise AG kam im Jahr 2015 auf 73 von 100 Punkten - im Ranking reicht das für Platz zehn.
Quelle: Frauen-Karriere-Index
GFT Technologies AG - 75 Punkte
Jeweils 76 Punkte entfallen auf:
Intel GmbH / Intel Mobile Communications
DATEV eG
TÜV Rheinland
ING-DiBa AG
Jeweils 78 Punkte gehen an
Bombardier Transportation GmbH
Uniklinik Köln
Jeweils 79 Punkte für
Hydro Aluminium Rolled Products GmbH, Grevenbroich
SEB AG
KfW
Jeweils 80 Punkte gehen an
Siemens Betriebskrankenkasse SBK
HypoVereinsbank
SMA Solar Technology
Charité Universitätsmedizin Berlin - 81 Punkte
Jeweils 82 Punkte erreichten
Randstad Deutschland
Airbus Group Deutschland
Deutsche Telekom AG - 83 Punkte
Hewlett Packard GmbH - 85 Punkte
In Deutschland boten bisher einzelne Fruchtbarkeitskliniken an, Frauen die Eizellen zu entnehmen und bei minus 196 Grad in Stickstofftanks zu lagern. Schätzungen zufolge haben sich etwa 300 Frauen in Deutschland dafür entschieden. Diese Zahl aber dürfte kurzfristig enorm steigen. Denn aus dem Bedürfnis erwachsen nun beste Geschäftschancen, weswegen erste kommerzielle Anbieter auf den Markt drängen.
Ihr ebenso verlockendes wie kapitalistisches Angebot: Gib uns dein Geld, dann verschaffen wir dir Zeit und Energie, jetzt Karriere zu machen und später noch eine Familie zu gründen.