Social Freezing Das Geschäft mit dem Kinderwunsch auf Eis

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Keine Garantie für den Nachwuchs aus dem Kühlfach

Pia Poppenreiter geht trotz dieser Zahlen nun entspannter mit ihrer Zukunft um. „Wenn du den Wunsch hast, Mutter zu werden, dann wirst du es irgendwann auch schaffen“, ist sie sicher.

Nachdem sie sich nun selbst so viele Gedanken gemacht hat, will sie mit ihren Mitarbeiterinnen nach der stressigen Gründungsphase über deren Pläne und Wünsche reden. Vertrauensvoll und ohne Vorgaben: „Es schadet nicht, wenn du dir überlegst, was du willst.“

Was 50 Jahre nach Erfindung der Pille als nächste große Befreiung für Frauen klingt, was nach Selbstbestimmung und Freiheit bei der Familiengründung wie bei Lebenspartnern wirkt, hat allerdings Schwächen. Die Pille garantierte die Entscheidung gegen Nachwuchs. Die Eizellen im Kühlfach verheißen Nachwuchs – doch garantieren können sie das nicht.

Die Technik kann, sollte sie sich durchsetzen, Frauen und Männern, die der Natur nicht vorgreifen möchten, den entspannten Weg zum Nachwuchs sogar erschweren. Denn Social Freezing legt nahe, dass es den perfekten, individuell beeinflussbaren Zeitpunkt für die Familiengründung gibt und andere selbst schuld sind, wenn sie in jüngeren Jahren von Uni-Professoren, Investoren oder Arbeitgebern Freiraum erhoffen.

Ab 35 Jahren nicht mehr erfolgversprechend

Und welche junge Frau möchte noch widersprechen, wenn die Kolleginnen vom Angebot möglicher Arbeitgeber, zugunsten besserer Karriereoptionen auf die frühe natürliche Schwangerschaft zu verzichten, rege Gebrauch machen?

Und auch biologisch gibt es Grenzen. Der Gynäkologe Peter Sydow warnt: Eigentlich sei Social Freezing ab einem Alter von 35 nicht wirklich erfolgversprechend. Der Arzt, der am Berliner Gendarmenmarkt eine Kinderwunsch-Klinik betreibt, sagt: „Alle Wünsche kann man nicht einfrieren.“ Auch können die Kosten trotz des von Seracell versprochenen Fixpreises nach oben schnellen. Wer älter sei beim Social Freezing, müsse das Hormondoping mehrmals in Anspruch nehmen, sagt Sydow. Weil nicht mehr so viele Zellen reiften und diese nicht mehr so fruchtbar seien. „Auch wegen der teuren Hormone kommen dann vor der Konservierung schnell 10 000 Euro zusammen“, sagt der Frauenarzt. Die Hormonbehandlung muss extra gezahlt werden, die Krankenkassen übernehmen nichts.

Wenn eine Frau dann Jahre später mithilfe der eingefrorenen Eizellen Mutter werden will, muss sie erneut Tausende Euro einplanen – diesmal für eine künstliche Befruchtung, die In-vitro-Fertilisation (IVF). In den USA, wo die Methode eher erprobt ist, wo die erste „Gefriergeneration“ schon geboren wird, rechnen Mediziner mit acht bis zwölf Tiefkühl-Eizellen, um später ein Baby auf die Welt zu bringen.

Pia Poppenreiter hat aus ihrer Sicht die richtige Entscheidung getroffen. Sie erzählt, dass sie immer wieder mit gutem Gefühl an ihren Schatz im Stickstofftank denkt. „Wenn ich jetzt an Familienplanung denke, bin ich entspannter.“ Auch ihre Eltern unterstützen sie bei der Entscheidung, ihre biologische Uhr zu bremsen. „Sie waren etwas traurig, dass sie noch nicht so schnell Großeltern werden.“ Aber nun haben sie für sich das Beste draus gemacht: „Meine Eltern haben den Eizellen alle schon einen Namen gegeben“, sagt die 28-Jährige. 15 mögliche Enkel im Eis.

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