Soft statt hard skills Banken suchen den Mitarbeiter der Zukunft

Die Anforderungen an Mitarbeiter ändern sich - auch in klassischen Industrien. Banker sollen jetzt vor allem flexibel, innovativ, kreativ und neugierig sein. Für deren Chefs kann der Wandel gar nicht schnell genug gehen.

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Die Digitalisierung verändert auch das Anforderungsprofil der Mitarbeiter - auch in klassischen Branchen. Quelle: Fotolia

Rechnungen per Selfie bezahlen, Geld binnen Sekunden per Handy überweisen, Push-Mitteilungen bei einer Abbuchung: Beim Serviceangebot der Banken tut sich einiges. Erst gestern stellte beispielsweise die Commerzbank eine neue Banking-App für Smartphones vor, die ING Diba wirbt schon lange mit dem photoTAN-Verfahren und auch die Sparkassen machen derzeit massiv auf ihre neuen, mobilen Angebote aufmerksam.

Der Kunde will es so. Laut dem Bundesverband deutscher Banken e. V. ist der Anteil der Onlinebanking-Nutzer auf 54 Prozent gestiegen, dafür gehen immer weniger Menschen in die Filiale. Gemäß einer Untersuchung von EY, besuchten im Jahr 2014 nur 16 Prozent der Bankkunden einmal in der Woche eine Filiale, um Geld abzuheben, eine Überweisung zu tätigen oder sich beraten zu lassen.

Für die Banken heißt das: Sie brauchen weniger Berater, weniger Schaltermitarbeiter, weniger Filialen - und dafür mehr Mitarbeiter, die Banking-Apps entwickeln und designen können. Mehr Mitarbeiter, die neue Formate erdenken und mehr Mitarbeiter, die sich mit Kundenbedürfnissen beschäftigen anstatt mit dem klassischen Kreditgeschäft.

Entsprechend hat sich auch das Anforderungsprofil an neue Mitarbeiter geändert, wie die aktuelle Branchenstudie "Banken im digitalen Wandel" des Personaldienstleisters Hays zeigt. Für die Studie wurden 105 Verantwortliche in deutschen Banken befragt, welche Anforderungen sie an die Mitarbeiter haben und wie sie den Personalbedarf decken wollen. In ihren Erwartungen an die Mitarbeiter unterscheiden sich die Banker überhaupt nicht mehr von Werbern oder sonstigen Kreativen. Die Mitarbeiter sollen vor allem eigenständig arbeiten, Verantwortung übernehmen, neugierig und kreativ sein, Netzwerke über die eigene Abteilung hinaus knüpfen, über den Tellerrand hinaus und in Zusammenhängen denken. Selbstredend sollen sie flexibel bei Arbeitsort und -zeit sein und sich bereitwillig auf Veränderungen einlassen.

Völlig neue Anforderungen an das Personal

Nur in der Praxis sieht es etwas anders aus: "Viele Mitarbeiter richten ihr Denken und Handeln heute auf ihre Prozesssparte aus, zum Beispiel das klassische private oder gewerbliche Aktiv- oder Passivgeschäft. Hier sind sie gut darin, Prozesse effizient abzuarbeiten und auch kontinuierlich Verbesserungen umzusetzen", sagt einer der Befragte. "Aber es gibt heute immer mehr Themen, die sich nicht diesen klassischen Prozesssparten zuordnen lassen. Die Mitarbeiter müssen stärker vom Kunden her und für den Kunden denken. Sie müssen über den Tellerrand schauen und sich bereichsübergreifend vernetzen, um den Anforderungen in dem immer komplexer werdenden Geschäft gewachsen zu sein. Das sind viele nicht gewohnt, und das wurde bislang auch nicht von ihnen eingefordert."

Entsprechend skeptisch sind zwei Drittel der Befragten, was die Zukunftsfähigkeit der eigenen Leute angeht. Immerhin: Die Erkenntnis, dass die Mitarbeiter sich nicht von heute auf morgen um 180 Grad drehen, ist in den Führungsriegen angekommen. "Wir müssen den Mitarbeitern helfen, aus den alten Denkmustern auszubrechen. Das ist klar ein Führungsthema: Die Verantwortlichen müssen als Vorbilder agieren, das Thema leben, selbst dafür ‚brennen‘ und diese Begeisterung auch vermitteln können. Das gelingt nur mit ständigem Wiederholen und kontinuierlichem Coaching", sagt ein Vertriebsleiter einer deutschen Bank.

In der Automobilbranche ist es übrigens dasselbe in Grün, wie die entsprechend Branchenstudie zur Automobilwirtschaft zeigt. Mittlerweile brauchen die Unternehmen mehr App-Entwickler und Greentech-Experten, als Kfz-Mechaniker und Ingenieure. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen Autobauer oder einen Zulieferer handelt. Auch hier sagen die befragten Führungskräfte, dass sie nicht wissen, wo sie diese Leute hernehmen sollen. So hält es knapp die Hälfte der Befragten für überwiegend schwierig, die notwendigen Kompetenzen intern aufzubauen und den Fließbandarbeiter zum IT-Experten weiterzubilden.

Alte Suchmuster trotz neuer Anforderungen

Die befragten Führungskräfte vermissen bei ihrer bestehenden Belegschaft vor allem die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme und Eigenständigkeit, weshalb sie nicht glauben, das existierende Team entsprechend weiterbilden zu können. Das sind allerdings hausgemachte Probleme: Ein Großteil der heutigen Mitarbeiter bei Automobilherstellern und -zulieferern war jahrelang angehalten, sich starren Hierarchien und rigiden Prozessen unterzuordnen. Da kann niemand erwarten, dass mit einem Fingerschnipp alle kreativ, eigenständig und innovativ sind und über neue Mobilitätskonzepte nachdenken.

Genauso pessimistisch wie bei den eigenen Leuten sind die befragten Chefs allerdings auch, wenn es um die externe Rekrutierung entsprechender Experten geht. Auch die Bewerber lassen demnach die gewünschten Eigenschaften des Mitarbeiters der Zukunft vermissen. "Dies mag zum einen an dem traditionellen Image der Automobilindustrie liegen: Bewerber, die Wert auf selbstständiges, kreatives und eigenverantwortliches Arbeiten legen, bewerben sich nicht zwingend in Großunternehmen", heißt es in der Studie. Zum anderen liegt es auch an den Auswahlkriterien bei der Personalsuche: 64 Prozent der Führungskräfte wollen umsetzungs- und prozessorientierte Mitarbeiter - und wundern sich dann, dass die nicht kreativ und innovativ sind und auch mal eine verrückte Idee entwickeln.

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