Sprengers Spitzen

Unternehmen suchen Mittelmaß statt Persönlichkeit

In Assessment Centern und bei Vorstellungsgesprächen hat Erfolg, wer nicht auffällt. Mainstream ist gefragt, Unternehmen bestrafen anscheinend Bewerber mit Individualität. Das wird sich eines Tages rächen.

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In meinem Beruf lerne ich viele verschiedene Unternehmen kennen. In den vergangenen Jahren begegnet mir dort immer öfter ein bestimmter Typus Mensch. Männlich ist er meistens, sehr geschmeidig, gut gekleidet – mit Ausnahme der Schuhe –, unaufdringlich, freundlich. Und irgendwie mittelmäßig. Was daran falsch ist? Ich vermisse Menschen mit einer Haltung, mit eigener Meinung und der Bereitschaft, sie auszusprechen. Menschen, die mit ihrer Eigensinnigkeit in Erinnerung bleiben. Wo sind die kantigen, streitbaren Typen, Leute mit Stil, individueller Klasse und Courage? Sind Unternehmen Veranstaltungen zur Pathologisierung unerwünschter Individualität?

Wo sind die Leute, die auch Kritisches sagen, dass man eben nicht „auf gutem Weg“ sei, und die nicht dauernd mit dem Fahnenwort „Wertschätzung“ wedeln? Die Widersprüche erkennen und in Argumente gießen? Zudringlichkeiten spüren und sich dagegen wehren? Lieber lassen sie sich in der Cafeteria zu gesundem Essen dressieren.

Nicht mit dem Strom schwimmen. Quelle: Fotolia

Betriebswirtschaftlich wichtig wird das mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen. Kaum noch jemand repräsentiert eine Alternative. Es sind keine zornigen jungen Männer, die für ein Andersmachen kämpfen, die Gegenvorschläge entwerfen. Sie hoffen eher, irgendetwas zu bekommen, zu erhalten, gesegnet zu werden. Ein Lob vielleicht, eine gute 360-Grad-Beurteilung, eine Bestätigung des Potenzials, eine Beförderung. Ihr Leben, ihre Karriere, ihre Zukunft lassen sie von anderen bestimmen. Ihr Leistungsanspruch bezieht sich auf das kluge Anpassen, nicht auf den Neuentwurf. Rebellion verbietet sich, selbst wenn man den Gedanken zuließe. Draußen warten ja noch etliche, die auf ihre Chance warten. Das maximal Rebellische ist die Forderung nach Vaterschaftsurlaub.

Zur Person

Ist nichtssagender Durchschnitt heute karrierefördernd? Alles redet doch von Unternehmertum, Eigeninitiative, Ausbruch aus der Konvention. Man wäge nur die steile Karriere des Wortes „disruptiv“. Es mag ja sein, dass wir es mit einer Generation von Angepassten zu tun haben. Vor allem aber weisen viele unternehmensinterne Strukturen in diese Richtung. Glaubt jemand, dass Assessment-Center etwas anderes erzeugen als konsensuelle Unauffälligkeit?

Drei Fragen an den Management-Autor

Dass die Wert- und Führungsstilpädagogik etwas anderes erzeugt als politisch korrekte Lauheit? Dass die aufgezwungenen Feedbackrunden Unternehmertypen generieren? Konformität – das ist es, worauf diese Instrumente zielen. Bringt uns das beim Kunden weiter? Den beinharten Wettbewerb müssen wir am Markt gewinnen, nicht auf den Kinderspielplätzen der Organisation.

Ich möchte Ihnen zurufen: Biedern Sie sich nicht an! Spekulieren Sie nicht auf Lob! Ein gutes 360-Grad-Feedback ist ein Pyrrhussieg. Halten Sie sich an die Regel, aber nicht an die Konvention. Tun Sie nur das, wo Ihr Talent wie eine Sonne leuchtet. Lassen Sie von allem die Finger, was Sie nur zweitklassig können. Provoziere – und serviere. Das geht auch in Ihrer Firma!

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