In Deutschland gelten etwa zwei Prozent der Bevölkerung, also rund 1,6 Millionen, als hochbegabt: Ihr IQ liegt zwischen 130 und 150 Punkten - der Durchschnitt liegt bei 100 Punkten. Doch deutlich klüger als der Durchschnitt der Bevölkerung zu sein, hat auch seine Schattenseiten. Denn laut einer aktuellen Studie der Vanderbilt University in Nashville, über die das Magazin „Wirtschaftspsychologie aktuell“ berichtet, werden die wenigsten überdurchschnittlich klugen Jugendlichen später auch einmal beruflich erfolgreich.
Die Forschergruppe um den Psychologen Harrison J. Kell hatte in der Längsschnittstudie „Mathematisch hochbegabte Jugendliche“ die Entwicklung von mehr als 5000 Hochbegabten über einen Zeitraum von 50 Jahren verfolgt. Das Ergebnis der Untersuchung ist erstaunlich: Viele der beobachteten Jugendlichen schaffte nicht einmal einen höheren Studienabschluss. Nur 63 Prozent erreichten einen höheren akademischen Grad wie den des Master. Immerhin machten 42 Prozent der Hochbegabten Teenager später ihren Doktor.
Nur wenige der hochintelligenten Jugendlichen wurden später im Berufsleben Topleister. Obwohl die Studienautoren den Teenagern mit herausragendem mathematischem Talent oder sprachlichem Können ein „außergewöhnliches Potenzial, die Gesellschaft mit ihren kreativen Leistungen und ihrem Einsatz für die Wirtschaft zu bereichern“ zuschreiben, konnten offenbar nur wenige Hochbegabte ihr Talent später im Beruf auch einsetzen. Die Verteilung von Topleistern und durchschnittlich produktiven Beschäftigten ist demnach unter Wunderkindern wie unter normal Begabten sehr ähnlich.
Auch der Psychologe Detlef Scheer kennt die Probleme von Hochbegabten im Job. In einem Interview mit der „Zeit“ erklärte er, warum sie trotz ihrer Intelligenz beruflich scheitern: Weil Hochbegabte meist ein schnelleres Arbeitstempo brauchen, Informationen schneller verarbeiten und Probleme schneller lösen, ecken sie im Kollegium an. Andere lernen mehrere Berufe, finden aber einfach nicht ihren Weg im Berufsleben; wieder andere brechen ihre Ausbildungen immer wieder ab und wissen gar nichts mit ihrer Intelligenz anzufangen.
Auch seien viele Vorgesetzte einfach überfordert oder fürchten gar die Konkurrenz durch den geistig überlegenen Untergebenen, so Scheer. Manche verwenden so sehr viel psychische Energie darauf, nicht als hochbegabt erkannt zu werden, damit sich Kollegen und Chefs nicht minderwertig, übergangen oder bedroht fühlen.
Ein weiterer Punkt kommt hinzu: Hochbegabte können sozial inkompetent wirken, wenn sie dazu neigen, schnell genervt, gekränkt oder frustriert zu sein, weil sie sich unterfordert fühlen. Besonders, wenn ihre Fähigkeiten erst spät entdeckt werden, hätten viele Hochbegabte bereits ein halbes Leben unter Selbstzweifeln und Unverständnis gelitten. Ein hoher Intelligenzquotient (IQ) ist also noch lange kein Garant für eine steile Karriere.