Tipps zum Jobwechsel "Manchmal hat man einfach etwas Besseres verdient"

Keine Lust mehr auf den alten Job? Acht Prozent der Frauen und 28 Prozent der Männer wollen kurz- bis mittelfristig kündigen. Wir haben mit Bewerbungsexperte Jürgen Hesse gesprochen, was Jobwechsler beachten müssen.

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10 Tipps für den Jobwechsel
1. Klarheit schaffenBevor Sie überstürzt kündigen, wagen Sie eine ehrliche Bestandsaufnahme: Wollen Sie wirklich den Job wechseln? Oder flüchten Sie vor temporären Problemen? Haben Sie diese Fragen für sich klar beantwortet, bewahrt Sie das vor einer Kurzschlussreaktion, die Sie im Nachhinein womöglich bereuen. Quelle: Fotolia
2. Rat holenFragen Sie enge Freunde, Kollegen oder professionelle Coaches um Rat. Stellen Sie eine Kosten-Nutzen-Rechnung auf: Was geben Sie auf, was riskieren Sie - und was können Sie gewinnen? Außerdem sollten Sie Ihre finanziellen Reserven prüfen: Können Sie sich Einbußen leisten, kommt ein eventueller Umzug infrage? Quelle: dpa
3. Zukunft planenNicht jeder macht sich mit einer erfolgreichen Geschäftsidee selbstständig. Falls Sie sich in einer anderen Branche um einen festen Job bewerben, bereiten Sie sich schon mal auf kritische Fragen vor: In künftigen Vorstellungsgesprächen müssen Sie Ihre Entscheidung begründen. Sprechen Sie nicht von etwaiger Überforderung im aktuellen Job. Sondern machen Sie klar, dass der angestrebte Posten Ihren Talenten und Zielen entspricht. Quelle: Fotolia
4. Kündigen Sie korrektDie Kündigung muss schriftlich erfolgen, außerdem sollten Sie sie persönlich abgeben. In der Regel müssen Sie die Kündigung begründen, auch wenn das formal nicht erforderlich ist. Widerstehen Sie aber der Verlockung, in dem Schreiben abzurechnen: Es ist der neue Job, der Sie lockt – und nicht der alte, der Sie schockt. Quelle: Fotolia
5. Analysieren Sie die TrennungWelchen Anteil hatten Sie selbst an der Trennung? Hätten Sie etwas besser machen können? Wie können Sie sich künftig für solche Situationen wappnen? Die Antworten helfen Ihnen nicht nur dabei, sich vom alten Job zu lösen – sondern auch, sich auf eine neue Herausforderung einzulassen. Quelle: Fotolia
6. Bleiben Sie engagiertSeien Sie weiterhin pünktlich und zuverlässig, auch wenn es Ihnen schwer fällt. Bringen Sie Projekte zu Ende, verhandeln Sie wichtige Vorhaben selbst. Und bieten Sie an, einen eventuellen Nachfolger einzuarbeiten. Quelle: Fotolia
7. Schaffen Sie OrdnungUnd zwar wortwörtlich. Räumen Sie Ihr Büro auf, bevor Sie kündigen. Bringen Sie persönliche Dinge nach Hause – aber auch nur solche, die Ihnen wirklich gehören, löschen Sie private Dateien vom Computer. Nach der Kündigung haben Sie dazu vielleicht keine Gelegenheit mehr. Quelle: gms

WirtschaftsWoche: Mieses Gehalt, langweilige Aufgaben, unfairer Chef, gemeine Kollegen: Wann sollte ich über einen Jobwechsel nachdenken?

Jürgen Hesse: Der wichtigste Jobzufriedenheitsfaktor ist der Vorgesetzte und nicht, wie man vielleicht denken könnte, das Geld. Ich finde es schon frappierend, dass wir so stark angewiesen sind auf die Zustimmung, auf das Freundliche und auf das Gestreichelt werden durch unseren Vorgesetzten.

Aber nicht jeder will gehätschelt werden, manche müssen gefördert werden…

Ich war kürzlich auf einer Veranstaltung, bei der mir Lehrer gesagt haben, dass sie ihre Bestätigung aus den Leistungen ihrer Schüler ziehen und Ärzte, die sagten, die Heilung ihrer Patienten sei ihnen Wertschätzung genug. Das glaube ich auch alles, aber wenn ein Arzt einen Oberarzt hat, der nie auf dessen Wünsche eingeht oder ein Lehrer einen Direktor, der ihn immer kritisiert, ist das auf Dauer nicht gut.

Bewerbungsexperte Jürgen Hesse Quelle: Presse

Wir brauchen die Anerkennung von Oben?

Das kennen wir ja von Mama und Papa, dann vielleicht von älteren Freunden oder dem Lehrer und so setzt sich das ganz einfach fort. Und ich glaube auch, dass der Vorgesetzte da eine ganz wichtige Funktion hat. Deshalb ist der Chef natürlich auch ein wichtiger Faktor für einen Jobwechsel.

Bei einem schlechten Chef hilft also auch das höchste Schmerzensgeld nichts.

Ganz genau.

Gibt es eine Faustformel, welche Faktoren unbedingt stimmen müssen?

Wenn ich mit meinem Vorgesetzten Probleme habe und ich mich nicht wertgeschätzt fühle, wird es Zeit über einen Wechsel nachzudenken. Das ist das eine. Sicherlich trifft das an zweiter Stelle auch auf die Kollegen und die Kunden zu. Erst an dritter Stelle kommt die Identifikation mit der Aufgabe, also ob ich einen tieferen Sinn in dem sehe, was ich tue und ob mir das Spaß macht. Erst ganz zum Schluss kommen die Konditionen: Muss ich pendeln und brauche eine Stunde oder länger bis zum Arbeitsplatz, muss ich schon um fünf Uhr aufstehen, habe ich eine gewisse Flexibilität und last but not least die Bezahlung.

Das klingt, als wäre es uns fast egal, für welches Gehalt und was wir arbeiten, so lange nur die Kollegen und der Chef nett sind.

Wie Sigmund Freud gesagt hat: Geld war kein Wunsch in den Kindertagen. Deswegen wird Geld als Motivationsfaktor gnadenlos überschätzt.

Worauf die Deutschen bei einem neuen Job Wert legen

Wenn die Motivation nicht mehr stimmt und mein Chef mich nicht wertschätzt, soll ich also nicht nach einer Gehaltserhöhung fragen, sondern die Kündigung einreichen.

Wenn ich schon spätestens am Sonntag ungute Gefühle habe, weil der Montag kommt und es mich davor graut oder wenn ich Schlafstörungen entwickele oder sogar richtig Angst davor habe, zur Arbeit zu gehen, sind das eindeutige Indikatoren dafür, dass man sich nach einem neuen Job umschauen muss. Da hat man einfach etwas Besseres verdient.

Wenn die Unzufriedenheit mit dem Job sich schon in körperlichen Symptomen niederschlägt, ist es aber auch höchste Eisenbahn…

Viele Menschen sind nicht so entscheidungsfreudig und gehen mit diesen Wechsel-Gedanken ziemlich lange schwanger.

"Um Gottes Willen nicht mit den Kollegen sprechen"

Wie bereitet man den Jobwechsel denn am besten vor?

Als erstes muss man sich natürlich darüber Gedanken machen, wo man hinwill. Darüber sollte man sich auch mit Menschen auseinander setzen, aber um Gottes Willen nicht mit den Kollegen!

Wieso nicht?

Es gibt Menschen, die ihren Kollegen da vertrauen und es gibt sicher auch vertrauenswürdige Menschen, aber in der Regel sind die Kollegen auf denjenigen neidisch, der das sinkende Schiff verlassen will, weil sie ja in der Hölle zurückbleiben müssen. Deshalb ist es ganz wichtig, nicht mit diesen Leuten zu sprechen.

Halten sich die Jobwechsler Ihrer Erfahrung nach daran?

Meistens wird dagegen verstoßen. Dann sagt man dem Lieblingskollegen doch etwas, der hält nicht dicht und so weiter.

Mit wem soll ich denn über meine Pläne reden?

Ganz wichtig ist es, dass man zuhause darüber spricht: mit dem Partner, mit Freunden. Man sollte jemanden haben, mit dem man seine beruflichen Probleme und Perspektiven bespricht und der einen auch kritisch hinterfragt.

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Entsprechend sollte ich die Suche nach dem neuen Job auch nicht während der Arbeitszeit betreiben.

Um Gottes Willen, nein, das muss man streng trennen. Es geziemt sich absolut nicht, einer schönen Frau einen Blick zuzuwerfen, wenn Sie mit Ihrer Freundin oder Ihrer Frau unterwegs sind. Und genauso wenig sucht man offensichtlich nach einem neuen Job, wenn Kollegen dabei sind.

Darf man nicht einmal heimlich einen Blick riskieren, wenn die Freundin gerade nicht hinschaut?

Wenn man morgens im Büro die Zeitung liest, kann man natürlich auch mal die Stellenanzeigen durchblättern, aber wenn Sie montags in Ihrer Frühstückspause die Zeitung vom Wochenende mit dem Stellenmarkt lesen, machen Sie sich verdächtig. Und selbst, wenn man ein Einzelbüro hat, sollte man verdammt vorsichtig sein. Alles, was über den Computer oder oftmals auch die Telefonanlagen läuft, gesammelt oder beobachtet werden kann. Das sollte man sich selbst ersparen.

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Wann muss ich den Vorgesetzten von meinen Wechselplänen  informieren?

Ich kenne eigentlich nur eine Branche, wo ich garantieren kann, dass es ganz wichtig ist, dem Chef vorher Bescheid zu sagen, dass man sich wegbewirbt.

Und die wäre?

Unter Medizinern ist das Gang und Gäbe, dass man erst zum Oberarzt, wenn nicht sogar zum Chefarzt geht und sagt, dass man vorhat zu wechseln. Natürlich immer verbunden mit Komplimenten: Ich habe hier so viel gelernt, es war so schön – aber trotzdem muss ich mir noch andere Kliniken anschauen. Denn in der Medizin ist es üblich, dass der Chefarzt, bei dem ich mich bewerbe, meinen aktuellen Chefarzt anruft und nach meinen Referenzen fragt. Wenn der von nichts wusste, ist der natürlich angefressen.

"Ich habe ein Angebot bekommen, dem ich nicht widerstehen kann"

Alle anderen sagen ihrem Vorgesetzten: „Chef in drei Monaten bin ich weg!“?

In anderen Branchen mag es Ausnahmen geben – beispielsweise wenn man eine wichtige Position innehat, der Empfangschef in einem großen Hotel zum Beispiel. Da ist es vorstellbar, dass es klüger ist, dem Hotelleiter rechtzeitig zu sagen: „Ich bin jetzt seit zwei Jahren hier, ich arbeite hier sehr gerne“ – auch wenn es eine Lüge ist – „aber ich möchte noch woanders Erfahrungen sammeln“, damit er einen entsprechenden Nachfolger suchen kann. Das ist aber nur eine Hypothese. Bei den Medizinern kann ich es definitiv sagen, bei anderen Jobs ist das sicherlich auch abhängig von der Firmenkultur, ob man sofort mit offenen Karten spielt.

Und wie sage ich es dem Chef?

Wichtig ist: Wenn man jemandem schon eine schlechte Nachricht überbringt, ist das nicht der richtige Moment, um Kritik loszuwerden und zu meckern. Man muss sich erklären, sagen, was man alles Tolles gelernt hat, auch was schief gegangen ist. Man darf auch eine Enttäuschung zugeben, sonst ist es nicht glaubwürdig. Aber alles in allem müssen Sie sagen: „Es war eine gute Zeit, aber ich schaue mich jetzt nach neuen Herausforderungen um“ beziehungsweise „Ich habe ein Angebot bekommen, dem ich nicht widerstehen kann“.

Und dann bietet mir mein Horrorchef mehr Geld, den Dienstwagen oder das neue Büro, wenn ich bleibe.

Wenn Sie von Ihrem Job wirklich die Nase voll haben und Ihr Chef sagt: „Wir verdoppeln Ihr Gehalt“ dann antworten Sie: „Nein, daran liegt es nicht“ oder „Das ist wirklich sehr großzügig, aber ich habe mich bereits entschieden“. Dann merkt der Chef auch schnell,  dass Sie fest entschlossen sind. Und mal ganz ehrlich: Wenn man Sie mit Geld oder anderen Privilegien zurück erobern will, rächt sich das früher oder später, weil sich darüber hinaus an den Arbeitsbedingungen nichts ändert. Dann stehen Sie in Viertel- oder halbes Jahr später wieder am gleichen Punkt. Das bringt’s nicht.

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Wenn ich mich woanders bewerbe, kommt irgendwann im Vorstellungsgespräch die Frage, warum ich denn wechseln will…

…das ist eine der klassischen Fragen…

…auf die ich nicht antworten darf: „Weil ich frustriert bin und mein Chef ein Idiot ist.“

Sie dürfen weder in die eine noch die andere Richtung total übertreiben. Man will da vor allem testen, wie loyal ein Bewerber ist. Auch wenn es objektiv stimmt, Antworten wie „Sie können sich nicht vorstellen, wie es bei uns zugeht“ oder „Sie glauben ja nicht, wie schlecht meine Firma dasteht“ darf man bloß nicht geben.

20 fiese Fragen, 20 clevere Antworten im Vorstellungsgespräch

Aber es ist natürlich auch unglaubwürdig, wenn Sie sagen, dass Ihr Chef Sie hofiert, die Kollegen Sie lieben und Ihr Job das Größte ist. Sie müssen intrinsisch motiviert sagen: Ihr Angebot, Ihr Produkt, Ihre Branche, Ihre Performance am Markt – das reizt mich und da kann ich einen wertvollen Beitrag leisten, der mich auch persönlich weiterbringt.

Auch wenn das vielleicht gar nicht stimmt, sondern ich einfach irgendeinen Job brauche?

Wenn Sie eine Tomate kaufen, fassen Sie die doch auch vorher an und drücken mal ein bisschen, um zu sehen, ob sie gut ist.  Genauso will der Personaler hier testen, ob der Bewerber sich zu benehmen weiß oder ob er aus dem Nähkästchen plaudert oder dem potenziellen neuen Arbeitgeber Honig um’s Maul schmiert. Um es ganz deutlich zu sagen: Bei dieser Frage erwartet keiner die Wahrheit. 

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