Überstunden, Wochenenddienste und da all das nicht reicht, noch hin und wieder ein Praktikum oder gar ein Zweitjob. Unsere heutige Gesellschaft ist konkurrenzorientiert, karrierefixiert und hektisch. Immer schneller, immer besser und immer höher hinaus lautet die Devise – insbesondere im Job. Doch wann ist der Punkt erreicht, an dem unser Körper nicht mehr mitmacht?
Dass Stress tödlich sein kann, ist bereits amtlich: Ein schottisches Forscherteam um Prof. Tom Rus hat in einer im British Medial Journal veröffentlichten Studie bewiesen, dass Stress tatsächlich die allgemein Mortalitätsrate erhöhen kann. Auch das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden beschäftigt sich mit der Frage, ob Stress krank machen kann. Seit dem Jahr 2005 gibt es zu diesem Thema ein eigenes Krankheitsbild: Stress-Kardiomyopathie lautet der unheilvolle Name. Dahinter verbirgt sich ein Herzinfarkt, der nicht durch verstopfte Arterien zustande kommt, sondern durch eine vorhergehende Stress-Situation, die eine Herzmuskelerkrankung auslöst. Die kann dann im schlimmsten Fall zum Tod führen.
„Wer ständig unter Stress steht, bei dem besteht die Gefahr, dass sich Herzgefäße verengen und es zu Minderdurchblutungen oder zum Herzinfarkt kommt“, erklärt Dr. Christoph Bamberger vom Medizinischen PräventationsCentrum Hamburg. Die Zahl sei erschreckend, rund ein Drittel aller Herzinfarkte seien eine Folge von dauerhaftem Stress. Sein Tipp, damit es gar nicht erst so weit kommt: „Auch mal die Notbremse ziehen und sich nicht in den Burn-Out reinarbeiten.“ Vor allem den lebenswichtigen Schlaf dürfe man nicht ignorieren.
Doch es muss nicht immer die Überarbeitung sein, die uns Stress bereitet. Was viele nicht wissen: Auch Unterforderung im Job kann zu Stresssymptomen führen. "Wer dauerhaft im Beruf unter seinen Möglichkeiten bleibt, fühlt sich unausgeglichen und gestresst", meint Kerstin Hof, Karriereexpertin aus Hamburg. Sie rät Arbeitnehmer daher, sich im Berufsalltag genau zu beobachten um die eigenen Grenzen aber auch Möglichkeiten herauszufinden.
Finger weg von Aufputschmitteln
Wer sich im Beruf dauerhaft unter Druck gesetzt fühlt, greift oft zu Aufputschmitteln, die dem Körper suggerieren er könne immer weiter arbeiten. Christoph M. Bamberger und Kerstin Hof warnen davor. Der Punkt, an dem man eigentlich eine Pause machen sollte, werde durch die Einnahme solcher Mittel meist überschritten.
„Stimulanzien bringen die innere Stimme des Körpers zum Schweigen und führt dadurch den Körper jenseits seiner Grenze“, meint auch Christoph M. Bamberger. Welche Folgen das haben kann, beweist der Fall des walisischen Studenten vom November 2013. Er soll sich in den Tagen vor seinem Tod künstlich mit Koffeintabletten wach gehalten haben. „Das ist nicht natürlich“, meint Kerstin Hof. „Wir können nicht dauerhaft auf Hochtouren laufen, sondern brauchen auch Beruhigungspausen.“
Besonders gefährdet sind vor allem junge Leute und Berufsanfänger, die das Gefühl haben, sich in der Firma erst noch beweisen zu müssen. Die Meinung, wer erst nach dem Chef erst nach Hause geht, zeige Motivation und Arbeitswilligkeit, hält sich hartnäckig, ist aber gefährlich. „Man darf die eigenen Arbeitsgrenzen und Prioritäten nicht vergessen und muss stattdessen auch mal Grenzen setzen“, erklärt Kerstin Hof.
Work-Life-Balance lautet hier das Zauberwort. Was abgedroschen klingt und dennoch immer wieder gepredigt wird, sei ein wichtiger Faktor um sich dauerhaft gesund zu halten, so Kerstin Hof. "Work-Life-Balance beschreibt die Ausgeglichenheit zwischen der Arbeit und dem, was das Leben sonst noch bietet. Das ist allerdings kein statischer Begriff, es gibt kein Geheimrezept, wie man seine richtige Balance findet", meint die Karriereexpertin. Manche freuen sich nach getaner Abend auf einen gemütlichen Fernsehabend auf der Couch, andere brauchen es, sich dann beim Sport richtig auszupowern.
"Es gibt verschiedene Grundhaltungen, wie Menschen mit Stress umgehen", meint Kerstin Hof. "Eine davon ist der Kämpfertyp, der auf Stress reagiert wie ein Grizzlybär und dabei viele Kräfte lässt. Für ihn wäre beispielsweise Sport keine gute Balance zum Arbeitsalltag. Für andere dagegen ist Bewegung das Zauberwort."
Um herauszufinden, welcher Stresstyp man ist, rät Kerstin Hof, Körper und Geist zu beobachten und verschiedene Freizeitaktivitäten auszuprobieren. Dabei können auch Unternehmen helfen. "Viele Firmen fördern die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter durch Freizeitprogramme nach Feierabend, Home Office oder soziale Aktivitäten. Da passiert schon unheimlich viel", lobt die Expertin deutsche Unternehmen.
Dennoch liege der Fokus auf den Arbeitnehmern selber. Selbstbeobachtung und die richtige Menge an sozialen Aktivitäten und Zerstreuung können helfen, Stress im Arbeitsalltag auszugleichen.
Auch Christoph M. Bamberger rät, sich Grenzen zu setzen und den eigenen Körper zu beobachten. „Wenn man beginnt, ineffizienter zu werden und der Körper Signale sendet, wie Erschöpfung oder Magenschmerzen, ist das ein klares Warnsignal, dass man sich mehr Freiräume schaffen sollte.“ Das könnten Urlaubstage sein, entspannte Wochenenden oder einfach mal keine Überstunden.