Umsteiger Ausstieg aus der Karriere

Seite 4/6

Aufbauen als Werk eines Lebens

Susan Dreyer Quelle: LAIF/Julia Baier

Bald werden Roggenkamps Produkte auch bundesweit in allen Kaiser’s-Geschäften sowie den City-Filialen der Supermarktkette Rewe gelistet. Aber auch in Polen und Schweden, Japan und Dubai ist Roggenkamp schon präsent. Kürzlich stand er in der Dubai Mall neben dem Wolkenkratzer Burj Khalifa – vor einer mehrere Meter hohen Wand mit Roggenkamp Organics Eis. Das sei „schon ein tolles Gefühl“ gewesen.

Auch wenn er zugibt, dass es ihn schon noch reizen würde, in der aktuellen Schuldenkrise an den Hebeln der Finanzwelt zu sitzen, und seine Tätigkeit als „intellektuelle Herausforderung und ökonomische Notwendigkeit“ durchaus schätzte, weiß Roggenkamp doch: „Roggenkamp Organics aufzubauen hat schon eher was von Lebenswerk, als vom Schreibtisch aus Derivate zu handeln – dieses Unternehmen ist die Summe meines Lebens.“

Unmoralisches Verhalten

Organisationspsychologen teilen die arbeitende Bevölkerung in drei Gruppen ein: Die erste Gruppe sieht in ihrer Tätigkeit hauptsächlich einen Job. Sie gehen morgens ins Büro, weil sie Geld verdienen müssen, um Miete zu zahlen, Kleidung zu kaufen oder in Urlaub zu fahren. Die zweite Gruppe strebt in erster Linie nach einer steilen Karriere – vor allem, weil sie dadurch Macht gewinnen. Die dritte sieht in ihrem Beruf gleichzeitig eine Berufung.

Es scheint fast so, als müsste man für viele Top-Manager in der Finanzbranche noch eine vierte Gruppe definieren: Sie arbeiten hauptsächlich, um so viel Geld wie möglich zu verdienen. „Gäbe es an der Wall Street keine Gier mehr“, frotzelte der ehemalige US-Arbeitsminister Robert Reich kürzlich, „dann bliebe nur Beton.“

Welche Branchen überdurchschnittlich zahlen
Biotechnologie Quelle: dpa
Steuerberatungen und Wirtschaftsprüfer Quelle: dapd
Auto- und Zuliefererindustrie Quelle: dpa
Luftfahrtbranche Quelle: dpa
Maschinenbau
Telekommunikation Quelle: dapd
Halbleiterbranche Quelle: dpa

Systembedingt?

Warum scheint die Finanzbranche prädestiniert für unmoralisches Verhalten? Ökonomen, Soziologen und Psychologen sind sich darüber inzwischen einig: Das Streben nach Mehr, Mehr, Mehr ist gewissermaßen systemimmanent.

Kein Wunder: Die Angestellten arbeiten meist bis tief in die Nacht, Kontakte außerhalb der Branche gibt es kaum. Das Privatleben hat den Namen nicht verdient, das Familienleben ist bis auf die letzte Minute durchgetaktet, Telefonkonferenzen werden gerne morgens um fünf abgehalten, bevor die Kinder wach werden. Freitagsabends geht es mit dem Flieger nach New York, sonntags nach London, montags nach Frankfurt. Statussymbole wie Luxuskarossen und protzige Villen sollen die Qualen ebenso lindern wie die Flasche Rotwein im Restaurant, gerne zum Preis von 1.000 Euro aufwärts.

Hohes Budget, hohe Gehälter

Hinzu kommt: Die Summen, mit denen Investmentbanker täglich hantieren, haben sich in den vergangenen Jahren enorm potenziert. Allein die Kunden des Goldman-Renegaten Greg Smith verwalteten insgesamt umgerechnet etwa 800 Milliarden Euro. Und je höher das Budget der Kunden, desto höher die Gehälter.

Zudem sind im gleichen Zeitraum insbesondere in den USA die Kosten für ein Hochschulstudium explodiert – viele Absolventen verlassen den Hörsaal mit Schulden. Um die möglichst schnell abzubauen, bewarben sich gerade die Besten unter ihnen bei den Investmentbanken. Und genau hier fängt das Problem an.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%