Umsteiger Ausstieg aus der Karriere

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Wirbelstürme und Derivatefonds

Die falschen Gehaltserwartungen der Absolventen
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Wirtschaftswissenschaft

Früher, das war Roggenkamps altes Leben. Da arbeitete er als Investmentbanker in London, gut zehn Jahre lang, konstruierte Finanzderivate für die japanische Investmentbank Mizuho. Er leitete ein Team mit 90 Mitarbeitern, hatte viel Arbeit, ein sattes Gehalt und hohe Boni. Er führte ein angenehmes, ein schnelles Leben, mit dicken Autos und vielen Partys. Und dann tauchten plötzlich Katrina, Wilma und Rita auf.

Die Wirbelstürme richteten zwischen Ende August und Ende Oktober 2005 verheerende Schäden an – auch an Roggenkamps Karriereleiter. Über Nacht pulverisierten die Stürme ein Gros der Gewinne seines Derivatefonds. Kurz darauf verlor er seinen Job.

Gedanken über die Zukunft

Er nahm sich eine Auszeit, kehrte auf den Bauernhof seiner Eltern zurück und bezog sein altes Kinderzimmer, in dem immer noch die Fußballposter von früher an der Wand hingen. Er half seinem Vater bei der Pflege der demenzkranken Mutter und dachte über seine Zukunft nach.

Vier Monate und drei Jobangebote später hatte Roggenkamp eigentlich seine Rückkehr nach London beschlossen, ein Vertrag mit der Investmentbank Bear Stearns war unterschriftsreif. Doch als er nach dem finalen Gespräch in einen Supermarkt ging und dort einen Becher Suppe aus dem Kühlregal nahm, beschlichen ihn Zweifel an der Rückkehr in sein altes Leben. Warum, fragte er sich, gibt es solche Suppen eigentlich nicht in Deutschland?

Was bei der Arbeit stresst
Zu viel Verantwortung oder ständiges an die-Arbeit-denken, auch in der Freizeit gaben 18 Prozent der Befragten als Grund für Stress bei der Arbeit an. Nur in Tschechien können die Beschäftigten außerhalb des Arbeitsplatzes schwerer abschalten - dort gaben 28 Prozent an, dauernd an die Arbeit denken zu müssen. Auf der anderen Seite der Skala ist Luxemburg: nur fünf Prozent haben dort dieses Problem. Quelle: Fotolia
Keinen Stress haben dagegen nur sieben Prozent der deutschen Befragten. Genauso niedrig ist der Anteil derer, die ihren aktuellen Job nicht mögen. Quelle: Fotolia
Unangemessener Druck vom Chef nannten 27 Prozent der Befragten hierzulande als Stressgrund. In Brasilien sind es dagegen 44 Prozent. Quelle: dapd
Wenn der Chef sich eher um sein Handicap kümmert, statt ordentlich zu führen: 28 Prozent der Befragten sind mit der Managementfähigkeit des Chefs unglücklich. Das Unvermögen des führenden Managers, das zu Stress führt, scheint in Luxemburg relativ unbekannt zu sein - nur 11 Prozent der Befragten sind dort mit den Befragten unglücklich, in Dubai sind es gar neun Prozent. Quelle: dapd
Dass unangenehme Kollegen oder fieser Büroklatsch zu Stress führen kann, ist allgemein bekannt. Dementsprechend führen auch 31 Prozent der Befragten das als Stressgrund an - der Anteil derer, die das ähnlich sehen, liegen in allen anderen Ländern fast gleich hoch - außer in Brasilien: 60 Prozent der Befragten geben unangenehme Kollegen und fiesen Büroklatsch als Stressgrund an. Quelle: Fotolia
Ein weitere Stressgrund: personelle Unterbesetzung. 41 Prozent der Befragten sehen das als wichtigen Grund für Stress bei der Arbeit an - ein Wert, der fast in allen Ländern ähnlich ist. Quelle: Fotolia
Doch am problematischsten, laut der Studie: die hohe Arbeitsbelastung. 51 Prozent der Befragten gaben dies als Stressgrund an. Deutschland liegt damit im Schnitt, auch in den anderen elf Ländern ist ein ähnlich hoher Anteil der gleichen Meinung. Quelle: Fotolia

15.000 Suppen täglich

Ausgestattet mit dem Selbstbewusstsein eines erfolgreichen Investmentbankers ließ der damals 36-Jährige die Bankkarriere sausen und gründete im Herbst 2006 Roggenkamp Organics. Kaufte, gegen den Rat seines Vaters und den eines lokalen Bankers, für 750.000 Euro die Produktionsanlagen einer alten Corned-Beef-Fabrik, die die BSE-Krise nicht überlebt hatte.

Ein gutes Jahr experimentierte Roggenkamp, der schon im Studium als Koch gearbeitet hatte, mit Rezepturen, die er gemeinsam mit befreundeten Spitzenköchen wie Thomas Bühner aus dem Sterne-Restaurant La Vie in Osnabrück entwickelt, bis er die ersten Produkte auf der Kölner Lebensmittelmesse Anuga präsentierte: frische, kalorienarme Suppen, hergestellt aus regionalen, biologisch kontrollierten Zutaten, ohne Geschmacksverstärker oder Farbstoffe, verfeinert um exotische Gewürze wie Sternanis oder Anapurna-Curry.

Suppen, Speiseeis und Salatsoßen - alles bio

Erste Edeka-Händler orderten die Suppen, doch erst nach zwei Jahren produzierte er profitabel. Um die Maschinen nicht nur im Herbst und Winter auszulasten, begann er mit der Herstellung von Speiseeis und Salatsoßen, demnächst sollen Majonaise, Sauce béarnaise und hollandaise hinzukommen.

13 fest angestellte Mitarbeiter und je nach Auftragslage bis zu 60 Arbeiter, die Roggenkamp aus den umliegenden Justizvollzugsanstalten auf Zeit ins Unternehmen holt, produzieren schon heute bis zu 15.000 Suppen täglich. Die Produkte liegen allein in Deutschland in den Kühlregalen von 3500 Läden, darunter Biomarktketten wie Alnatura und Basic, aber auch Feinkostläden wie Käfer’s in München.

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