Ungesunde Büroarbeit Wer länger sitzt, ist früher tot

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Heilmittel gegen die Sitzkrankheit

Für viele Mediziner und Wissenschaftler ist Sitzen bereits das neue Rauchen: So haben beispielsweise Daniela Schmid und Michael Leitzmann von der Universität Regensburg in einer Studie einen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und langem Sitzen festgestellt. Unter den vier Millionen Teilnehmern, deren Sitzgewohnheiten sie in ihrer Metastudie analysierten, traten Lungen-, Darm- und Gebärmutterschleimhautkrebs häufiger auf, je länger die Personen am Tag vor Computer oder Fernseher saßen. Und auch hier hatte das Pensum an Freizeitsport offenbar keinen Einfluss.

Doch zumindest im Büro wollen sich die Menschen wieder mehr bewegen, wie eine aktuelle TNS Emnid-Umfrage im Auftrag des Büromöbelherstellers Wilkhahn unter 1.090 Büroangestellten ergab. 48 Prozent der Befragten stimmten der Aussage „Es gibt zu wenig Bewegungsmöglichkeiten im Büro“ zu. Bei den unter 29-jährigen wünschen sich sogar 59 Prozent mehr körperliche Aktivität. In den USA sind die Zahlen ähnlich. Dort gibt es allerdings schon seit ein paar Jahren ein geschärftes Bewusstsein für die Problematik, in den Medien und in Studien ist oftmals von „sitting disease“, also der Sitz-Krankheit, die Rede.

Langsame Reaktion

Hierzulande reagieren Arbeitgeber und Krankenkassen schleichend auf den täglichen Bewegungsmangel. Und zwar mit Sportprogrammen, Rückenschulen und Zuschüssen für Fitnesskurse. „Das stärkt dann zwar unsere Ausdauer und unsere Kraft, aber wir bekommen unsere Stoffwechselfunktionen nicht mehr in den Griff“, weiß Froböse von der Sporthochschule Köln. Der ganze Organismus liege nach einem solchen Bürotag im Koma.

Sitzen im digitalen Zeitalter
The DrawArbeiten mit Tablets Quelle: Presse
The Multi-DeviceMultitasking Quelle: Presse
The TextKurznachrichten schreiben Quelle: Presse
The CocoonSich zurückziehen Quelle: Presse
The SwipeTouchscreens bedienen Quelle: Presse
The Smart LeanPrivatsphäre suchen Quelle: Presse
The TranceKonzentration am Bildschirm Quelle: Presse

Deshalb solle man zwar nicht mit dem Freizeitsport aufhören - Stichwort Bewegungsmangel - aber das inaktive Verhalten in Angriff nehmen, also mehr Bewegung in die Büros selbst bringen. Letztlich können schon kleine Veränderungen etwas bewirken, wie Froböse sagt: „Wir müssen stündlich aufstehen und uns fünf Minuten bewegen. Es reicht schon, statt im Sitzen im Gehen zu telefonieren.“

So bringen Sie mehr Bewegung in Ihren Büroalltag

Natürlich ist auch die Industrie schon auf das Problem aufmerksam geworden und hat verschiedene Büromöbel entwickelt. Da gibt es Stühle, die im Sitzen „zu natürlichen Bewegungen animieren“ sollen, andere werden als Bürostuhl und zeitgleich „gesundes Trainingsgerät“ angepriesen. Das Geld für solche Anschaffung könne man sich jedoch sparen, sagt Experte Froböse. „Da wird der Körper trotzdem in ein Korsett gepresst. Und es bringt auch nichts, wenn der Stuhl mich bewegt, das muss ich schon selber machen.“

Das sind die Sitztypen im Büro
Sie klettern auf Stühle und suchen für sich und ihren Rücken immer die beste Position: die Bürostuhl-Artisten. Beliebt machen sie sich dabei weniger, denn bei so viel Herumkletterei kann sich doch niemand mehr konzentrieren. Deshalb sollten Personen, die sich dieser Gruppe zuordnen würde, lieber einmal mehr zum Yoga gehen oder die Übungen auf das Arbeitsende legen. Quelle: Fotolia
Eine Haltung wie aus dem Lehrbuch, die allerdings schon beim Hinschauen wenig bequem aussieht, haben die rückenschonend Sitzenden. In dieser Position leistet die Wirbelsäule vor allem Haltearbeit - das ist auf Dauer aber auch nicht empfehlenswert... Quelle: Fotolia
...deshalb sollten Sie sich ab und zu bewegen. Ein paar Schritte gehen oder zumindest ein paar einfache Streckübungen helfen nicht nur Ihrer Konzentration, sondern auch der Beweglichkeit Ihres Rückens. Quelle: Fotolia
Macht man das nämlich nicht, oder versäumt es darüberhinaus regelmäßig Sport zu machen, sitzt man irgendwann da wie der Glöckner von Notre-Dame. Denn obwohl es hier auf dem Bild noch nicht so aussieht: Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sich der Buckel auch durchsetzt. Seine Erklärung wird aber immer sein, dass er sich für die Firma und die Arbeit "krumm arbeitet". Quelle: Fotolia
Auch diese Spezies gibt es in jedem Büro: Ein Mensch, der immer schon da ist, wenn man morgens das Büro betritt und auch abends noch da sitzt. Zwischendurch scheint es so als ob er sich den ganzen Tag nicht von seinem Platz bewegt hätte, der Zombie. Beim Vorbeikommen sollte man schauen, ob nicht vielleicht irgendwo Staub auf ihm liegt. Quelle: Fotolia
Er steht dem Zombie in der Dauer, die er am Arbeitsplatz verbringt in Nichts nach: Doch der Workaholic ist immer in Bewegung, kennt das Büro wie seine Westentasche und findet auch zwischen der umfangreichen Arbeit auf seinem Schreibtisch noch die richtige Seite. Er muss nur aufpassen, dass er sich dabei nicht überarbeitet. Quelle: Fotolia
Die Grenze zwischen vielem Arbeiten und Arbeiten bis zum Umfallen ist nämlich fließend - und der Weg bis zum Burnout nicht mehr weit. Deshalb lieber vorher die Reißleine ziehen - ansonsten wird man schon schnell genug ausgebremst. Quelle: Fotolia

Andere Hersteller setzen auf Laufbänder fürs Büro. Da sollen die Angestellten dann während des Telefonats oder dem Beantworten von E-Mails über das Laufband hecheln - in der Realität wohl nur etwas für Exoten. In Frankreich und Amerika sind Gehpulte durchaus verbreitet, in Deutschland sind sie eher selten.

Zu Recht, wie Froböse findet. „Sie können nicht am Computer schreiben und gleichzeitig auf dem Laufband laufen, dafür ist unser Körper gar nicht gemacht“, sagt er. Unser Körper sei konzipiert für Phasen des konzentrierten Arbeitens und Lernens und für Phasen der Bewegung. Beide sollen einander abwechseln.

Dafür muss man nicht einen ganzen Monat lang stehen wie Dan Kois. Denn auch das tut dem Körper nicht gut. Wir sind nicht geschaffen für einseitige Belastungen.

Wer also vom Arbeitgeber kein Stehpult gestellt bekommt, solle einfach alle Stunde einmal aufstehen und durchs Büro laufen oder ein paar Treppen steigen. Angenehmer Nebeneffekt: Das fördert die Konzentration.

Was das angeht, haben Raucher zumindest dieses eine Mal tatsächlich einen gesundheitlichen Vorteil, sagt Froböse: „Die gehen regelmäßig vor die Tür.“

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