"Hilfe, ein Roboter klaut meinen analogen Job!" Gut jeder dritte deutsche Arbeitnehmer befürchtet, dass Digitalisierung und Industrie 4.0 seinen Job mittelfristig überflüssig machen. Ein weiteres knappes Fünftel traut sich noch nicht zu, die Auswirkungen der anstehenden Umbrüche auf den eigenen Arbeitsplatz einzuschätzen. Angst und Unsicherheit sind unter den Arbeitnehmern also weit verbreitet. Wasser auf die ängstlichen Mühlen goss kürzlich noch die Deutsche Bank, die vor dem Verschwinden analoger Jobs gewarnt hat.
Die Angst vor dem Jobkiller Fortschritt ist so alt wie der Fortschritt selbst: Während zu Beginn der Industrialisierung in Großbritannien noch die Weber Angst vor der Konkurrenz durch den automatischen Webstuhl hatten, fürchten heute die Taxi- und Busfahrer das selbstfahrende Auto und die Einzelhandelskaufleute die Selbstzahlerkassen, wie sie beispielsweise bei Ikea zum Einsatz kommen.
Hilfe, ein Roboter klaut meinen Job!
Dass die Zeichen der Zukunft auf digital stehen - geschenkt. Doch ein Journalist der britisch-amerikanischen Webseite Mashable hat darüber einen Artikel veröffentlicht, welche Jobs schon im nächsten Jahr von Robotern ersetzt werden könnten. Das Ergebnis ist überraschend: Ein Blick in die Gegenwart zeigt, dass die Zukunft oft schon da ist.
Sie heißen Scooba 230 oder Braava 380: Roboter, die selbstständig den Boden saugen oder wischen, gibt es schon seit ein paar Jahren. Aber bei aufwendigen Reinigungen, wie zum Beispiel das Entfernen von Bakterien und Keime, war der Mensch bislang unersetzbar. Doch das ändert sich zunehmend. In einem kalifornischen Krankenhaus ist bereits ein Putzroboter im Einsatz, der gezielt zur Bekämpfung von Keimen programmiert wurde. Mithilfe von UV-Licht befreit er das Hospital von Bakterien und Schimmel.
Ob E-Learning oder Moocs: Die größten Bildungstrends der letzten Jahre fanden nicht in den Klassenräumen statt, sondern im Internet. Doch dass der Beruf des Lehrers aussterben könnte – daran haben bislang nur die wenigsten gedacht. In einer Schule im US-amerikanischen Connecticut, lernen Kindern mit Robotern – und das sehr erfolgreich. Zwar kann der Roboter noch keinen Lehrer ersetzen, aber er bringt immerhin die Qualifizierung eines Lehr-Assistenten mit.
Der vierfache Weltfußballer Lionel Messi kann ihn nicht bezwingen. Drei Mal nimmt er Anlauf und schießt mit voller Wucht auf das Tor – doch der Torwart hält den Ball. Jedes Mal. Doch nicht Manuel Neuer, Iker Casillas oder Gianluigi Buffont bewachen das Netz, sondern ein sonderlich grinsender Roboter. Jetzt arbeiten japanische Wissenschaftler an einem Roboter, der neben dem Fangen auch Werfen, Rennen und sich richtig positionieren kann. Das wäre dann der erste Roboter, der in der Lage wäre, in einer Mannschaft mit anderen Menschen zu spielen.
Kranke zu pflegen kann nicht nur psychisch belastend sein, sondern auch körperlich. Etwa um den Patienten aufzuhelfen, sich umzudrehen oder umzubetten. In einem Krankenhaus in Singapur erledigt das nun ein Roboter. Das wohl intelligenteste Bett der Welt unterstützt den Patienten bei den Bewegungen und schätzt selbstständig die Geschwindigkeit ein.
Wer im US-amerikanischen San Jose den Orchard Supply Hardware Store betritt, wird von einer rollenden weißen Säule namens OSHbot begrüßt. Der Roboter hat ein kleines Display mit integrierter Kamera, in das die Kunden ihre Wünsche äußern können. Zum Beispiel, indem sie eine bestimmte Schraube vor die Kamera halten. OShbot identifiziert die Schraube und führt den Kunden dann direkt zum entsprechenden Regal. Auch über die Lagerbestände weiß er zu jeder Zeit Bescheid.
Ein Video von Oshbot: http://www.mercurynews.com/business/ci_26815593/robots-helping-customers-at-san-jose-orchard-supply
In einem Hotel in der US-amerikanischen Stadt Cupertino, mitten im Tech-Paradies Silicon Valley gelegen, begleitet ein Roboter namens SaviOne, die Gäste des Drei-Sterne-Hotels Aloft in ihre Zimmer. In diesem Jahr befand sich das Projekt noch in der Testphase, ab 2015 soll eine kleine Armee von Robotern die Gäste der Starwood-Hotelkette, zu der auch das Aloft gehört, glücklich machen.
Schauspieler müssen sich jede Rolle hart erkämpfen, bei so gut wie jedem Casting ist die Konkurrenz groß. Und künftig wird sie noch größer. In diesem Jahr wurde eine Rolle in der Theateraufführung von Franz Kafkas „Die Verwandlung“ von einem Roboter gespielt. Gregor Samsa, der sich eines Morgens in ein Ungeziefer verwandelt sieht, wacht in der neuen Interpretation als Roboter auf.
In einem Flugzeug ist schon viel automatisiert – doch so ganz ohne Piloten aus Fleisch und Blut ging es bislang nicht. Das will das Advance Institute of Science and Technology in Südkorea ändern. Pibot ist ein Roboter mit Armen, Beinen und einem Kopf. Und soll ein Flugzeug durch schwierige Manöver fliegen. Im nächsten Jahr wird das wahrscheinlich noch nicht möglich sein, zumindest nicht im normalen Passagierverkehr. Aber Pibots Zeit wird kommen, und wahrscheinlich schneller als heute gedacht.
Dass die Veränderungen sich nicht nur auf Industrie-Jobs beschränken werden, bestreitet in der deutschen Wirtschaft mittlerweile fast niemand mehr, wie die Studie "Einfluss des HR-Managements auf den Unternehmenserfolg" der Personalberatung Rochus Mummert unter HR-Führungskräften und 1000 Arbeitnehmern zeigt. "Rund 90 Prozent der von uns befragten Führungskräfte sind sich sicher, dass Industrie 4.0 auch über die produzierende Industrie hinaus deutliche Auswirkungen haben wird", sagt Studienleiter Hans Schlipat. "Zudem sind gut drei Viertel der HR-Manager davon überzeugt, dass Industrie 4.0 alle Prozesse innerhalb eines Unternehmens beeinflussen dürfte."
Doch das muss keine negativen Auswirkungen haben. Eine Studie des britischen Magazins Economist und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte zeigt, dass der Fortschritt in den letzten 140 Jahren mehr Jobs geschaffen als vernichtet hat. Die Studienautoren griffen dafür auf britische Zensusdaten seit dem Jahr 1871 zurück.
Sie fanden heraus, dass mit zunehmender Technologisierung zwar die körperlich anstrengenden und gefährlichen Berufe ausstarben, dafür entstanden aber immer mehr wissenschaftliche und Dienstleistungsberufe. So ging die Zahl der Weber und Stricker um 79 Prozent zurück, dafür erhöhte sich die Zahl der Lehrer um 580 Prozent. Und mit den Wissensberufen stieg auch das Einkommen.
Auf welche Bereiche wirkt sich die Digitalisierung im Arbeitsalltag aus?
47 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass sich die Digitalisierung positiv auf das eigenständige Arbeiten auswirkt. 37 Prozent spüren keine Auswirkung, zehn Prozent beklagen negative Einflüsse.
Quelle: Edenred-Ipsos-Barometer 2015, "Wohlbefinden & Motivation der Arbeitnehmer"
45 Prozent sagen, dass die Digitalisierung die Zusammenarbeit verbessert, 13 Prozent sehen eine Verschlechterung.
43 Prozent spüren einen positiven Einfluss der Digitalisierung auf ihre Lebensqualität im Job, 36 Prozent merken gar keine Veränderung und 15 Prozent spüren negative Einflüsse auf die Teamarbeit.
Die Zusammenarbeit mit Kunden verbessert sich laut 42 Prozent der Befragten. Neun Prozent sehen hier eine Verschlechterung.
Eine Verbesserung durch die Digitalisierung erleben 41 Prozent, elf Prozent beklagen negative Einflüsse.
43 Prozent sagen, dass die Digitalisierung an den Kompetenzen nichts verändert hat. 40 Prozent sehen einen positiven Einfluss und acht Prozent einen negativen.
40 Prozent fühlen sich durch die Digitalisierung bei der Arbeit motivierter, bei elf Prozent sehe es durch die Digitalisierung schlechter aus mit ihrer Motivation. Für 43 Prozent hat sich durch die Digitalisierung nichts an ihrer Motivation verändert.
Dank der Digitalisierung können 34 Prozent der Befragten berufliches und privates leichter vereinen. Bei 16 Prozent ist es dagegen schwieriger geworden, beides unter einen Hut zu bekommen. 42 Prozent spüren keine Veränderung.
Bessere Chefs dank Digitalisierung? Keine Veränderung bemerkten 42 Prozent. Einen positiven Einfluss glauben 28 Prozent bei ihren Vorgesetzten bemerkt zu haben, eine Verschlechterung beklagten 28 Prozent.
Dass auch mit der erneuten Industrialisierungswelle der Bedarf an Wissensarbeitern steigen wird, ist unumgänglich. Laut Rochus Mummert geht entsprechend jeder zweite Arbeitnehmer davon aus, dass an seinem Arbeitsplatz künftig mehr IT-Kenntnisse erforderlich sein werden. Auch erwarten 43 Prozent, dass ihre Aufgaben im Job künftig komplexer werden. Umso wichtiger ist es, dass die Unternehmen ihre Mitarbeiter mit der neuen Arbeitswelt vertraut machen. "Die Firmen können und wollen die voranschreitende Entwicklung zu Digitalisierung und Industrie 4.0 nicht mehr aufhalten", sagt Schlipat.
So haben sich Unternehmen auf die Digitalisierung vorbereitet
Mehr als in Drittel aller Unternehmen bereitete sich durch digitales Management der Personalverwaltung vor. In der Studie waren Mehrfachnennungen möglich
Quelle: Edenred-Ipsos-Barometer 2015, "Wohlbefinden & Motivation der Arbeitnehmer"
An zweiter Stelle steht die Virtualisierung der Arbeitsplätze (28 Prozent), etwa durch virtuelle Desktops oder eine Ausstattung für Telefonkonferenzen.
Den dritten Platz teilen sich zwei Maßnahmen: die Einrichtung eines sozialen Firmennetzwerks sowie das Angebot von E-Learning (jeweils 25 Prozent).
18 Prozent der Unternehmen trafen Vereinbarungen zur Telearbeit
16 Prozent der befragten Unternehmen haben an ihrer Webseite gearbeitet.
13 Prozent der Unternehmen haben sonstige Maßnahmen ergriffen
Fünf Prozent der Unternehmen haben eine "BYOD" (bring your own device) Politik eigeführt.
Ein Drittel der befragten unternehmen gab an, keine der aufgeführten Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Digitalisierung umgesetzt zu haben
Und Andreas Harting, Partner bei Deloitte Digital, ergänzt: "Die Gewinner der digitalen Transformation werden diejenigen sein, die Paradigmenwechsel im eigenen Unternehmen als Standard etablieren und immer wieder neue Geschäftsmodelle erschaffen. Voraussetzung dafür sind die richtigen Führungspersönlichkeiten und eine Netzwerkstruktur, die über das eigene Unternehmen hinausgeht."
Laut Deloitte muss sich das Top-Management eines jeden Unternehmen fragen, wann und wie die Digitalisierung der eigenen Branche die Firma betreffen wird und was die essenziellen nächsten Schritte sind, um die Rolle des Unternehmens in der digitalen Welt von morgen neu zu definieren. Und die Führungskräfte müssen ihren Angestellten die Angst vor der Veränderungen nehmen, wie Schlipat sagt.
Die Chancen, dass dies auch gelingt, sind dabei gar nicht mal so schlecht. Ein Ergebnis der Rochus Mummert-Umfrage ist nämlich auch, dass 35 Prozent der Arbeitnehmer schon heute davon ausgehen, dass ihnen die Digitalisierung mehr Vor- als Nachteile bringen wird. Zudem ist ein weiteres Drittel potenziell dazu bereit, sich von dieser Einstellung überzeugen zu lassen.