Bei Innotax gehen die Chefs mit gutem Beispiel voran. Die Steuerberatungsgesellschaft ist eine Tochter der Treuhand Hannover, deren 900 Mitarbeiter an 30 Standorten bundesweit etwa 10.000 Mandanten beraten. Doch die knapp 20 Innotax-Angestellten müssen sich nicht nur mit Lohn- und Gehaltsabrechnungen oder Jahresabschlüssen auskennen.
Sie sollen vor allem wissen, dass sich Kind und Karriere nicht ausschließen. Deshalb arbeiten schon mal Niederlassungsleiterinnen aus dem Home-Office, nachdem sie ein Kind bekommen haben – natürlich mit entsprechenden Vorbereitungen.
Alle notwendigen Unterlagen lagern dann in der Cloud, die Angestellten stimmen sich mithilfe eines digitalen Teamkalenders untereinander ab. Außerdem bietet Innotax Gleit- und Teilzeit, jeder Angestellte kann sich während des Arbeitstages eine Stunde frei nehmen, um zum Beispiel seine Kinder zum Arzt zu begleiten – ohne dass ihm jemand vorwirft, seine Aufgaben zu vernachlässigen. Hauptsache, der Termin wird im virtuellen Kalender vermerkt.
Perbit Software aus Altenberge in der Nähe von Münster will nicht nur seine mittelständischen Kunden beraten, sondern auch das Selbstverständnis der Angestellten prägen. Familienfreundlichkeit, so die Botschaft, geht alle an. Damit will das Unternehmen vor allem jenen Mitarbeitern helfen, die Angehörige pflegen.
Doch es bleibt nicht bei schönen Worten. Ausgebildete Pflegelotsen unterstützen Kollegen in Pflegesituationen, alle Mitarbeiter dürfen sich an einem Arbeitstag pro Jahr sozial engagieren, es gibt Zuschüsse für die Kinderbetreuung und flexible Arbeitszeitmodelle.
Vereinbarkeit in allen Lebensphasen
Auch Aareon will den Angestellten zeigen, wie sich Familie und Karriere in verschiedenen Lebensphasen vereinbaren lassen. Das IT-Beratungshaus für die Immobilienwirtschaft ist eine Tochter der Aareal Bank. Führungskräfte bekommen beispielsweise die Möglichkeit, einen Familientag einzurichten. Dann arbeiten sie jeweils an vier Tagen pro Woche, dafür verzichten sie auf einen Teil ihres Gehalts. Außerdem berücksichtigt Aareon die unterschiedlichen Bedürfnisse der Generationen. Auszubildende erhalten Zeit, um sich für gesellschaftliche Belange zu engagieren. Und Mitarbeiter ab 55 können ihre Arbeitszeit um 20 Prozent reduzieren, bei entsprechendem finanziellem Ausgleich.
So zufrieden sind die Deutschen mit ihrer Work-Life-Balance
68 Prozent der Befragten gaben an, mit ihrer persönlichen Work-Life-Balance zufrieden zu sein. Im Jahr 2014 waren es noch 73 Prozent.
Quelle: Edenred-Ipsos-Barometer 2015, "Wohlbefinden & Motivation der Arbeitnehmer"
69 Prozent der Führungskräften gaben an, mit ihrer Work-Life-Balance zufrieden zu sein.
Bei den Mitarbeitern sind – gemäß des Durchschnitts – 68 Prozent zufrieden.
Bei den jungen Arbeitnehmern sind 68 Prozent zufrieden.
Nach den ersten Jahren im Beruf nimmt die Zufriedenheit etwas ab: 64 Prozent sagen, dass sie mit ihrer persönlichen Work-Life-Balance zufrieden sind.
68 Prozent der Befragten aus dieser Altersgruppe haben beim Thema Work-Life-Balance nichts zu meckern.
Im Alter steigt offenbar die Zufriedenheit: 71 Prozent der über 54-Jährigen können nicht klagen.
Die drei Beispiele zeigen: Auch für Mittelständler ohne millionenschwere Personalbudgets ist es möglich, die Belegschaft zu fördern. Und etwas dafür zu tun, dass sie Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren kann. Ein Thema, das für alle Arbeitgeber immer wichtiger wird.
Egal, ob es um den Ausbau von Kindergartenplätzen, bessere Betreuungsmöglichkeiten oder die Einführung der Elternzeit geht: Seit Jahren diskutieren Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft leidenschaftlich darüber, wie die Deutschen beruflich vorankommen können, ohne ihr Privatleben zu vernachlässigen. Kaum ein Angestellter, der sich nicht wünscht, Beruf und Familie zu vereinbaren – und zwar so, dass darunter weder die Kinder noch die Karriere leiden. Bloß: Lohnt sich das für Arbeitgeber auch finanziell?