Sicher, schon lange ist bekannt, dass die Generation junger Berufseinsteiger unter 30 Wert auf Work-Life-Balance und flexible Arbeitsbedingungen legt. Aber in den vergangenen Jahren hat sich die Dringlichkeit verschärft, vor allem durch neue Lebensentwürfe, Erwartungen und Wünsche.
Da ist die Mutter, die nach einer Babypause schneller wieder in den Job zurückkehren oder nach familienbedingter Teilzeit wieder Vollzeit arbeiten will. Zwischen 2004 und 2014 stieg die Erwerbsquote von Frauen um fast sieben Prozentpunkte auf 72,8 Prozent, die Erwerbsquote von Müttern mit Kindern unter sechs Jahren kletterte sogar um mehr als zehn Prozent.
Was bei Müttern und Vätern zu kurz kommt
Der Beruf ist das Schlusslicht unter den Dingen, die Eltern zu kurz kommen: Gerade mal 12 Prozent der befragten Mütter und 8 Prozent der befragten Väter fanden, sie würden zu wenig Zeit in ihre Arbeit investieren.
Befragt wurden liierte Eltern von Kindern unter 16 Jahren, die angaben, nicht allen Anforderungen gerecht zu werden.
Quelle: Inst. für Demoskopie Allensbach
Ob die eigenen Freunde zu kurz kommen oder nicht, wird geschlechtsspezifisch differenziert wahrgenommen: Zwar findet auch fast ein Drittel (32 Prozent) der befragten Frauen, dass sie ihren Freunden nicht genug Zeit widmen, bei den Männern sind es mit 56 Prozent jedoch erheblich mehr.
Hier ist die Diskrepanz zwischen Mann und Frau nicht ganz so groß wie bei der unterschiedlichen Wahrnehmung in Bezug auf die Vernachlässigung von Freundschaften. Ein klarer Trend ist aber auch hier erkennbar. Nur 21 Prozent der befragten Männer glaubten, sie müssten eigentlich mehr im Haushalt tun. Bei den Frauen waren es hingegen 35 Prozent.
Weit über zwei Drittel der befragten Männer gaben an, ihre Kinder kämen in ihrem Zeitmanagement zu kurz. Bei den Frauen waren es 41 Prozent.
Auch die Partnerschaft kommt mehr Vätern als Müttern zu kurz: Zwar sagen 47 Prozent der befragten Frauen, ihr Partner bekäme zu wenig Zeit gewidmet, bei den Männern allerdings sind es 73 Prozent.
Dass sie selbst zu kurz kommen, finden 53 Prozent der befragten Männer und 56 Prozent der befragten Frauen.
Damit stoßen sie bei vielen Männern auf Verständnis – allein schon aus finanzieller Notwendigkeit: Einst genügte selbst in der Arbeiterschicht ein Einkommen, um die ganze Familie zu ernähren. Heute reicht selbst in Mittelschichtfamilien ein Gehalt häufig nicht aus. Doch auch das Rollenverständnis der Männer hat sich gewandelt. Vielen reicht es heute nicht mehr, ihre Kinder morgens höchstens kurz zu sehen und nur am Wochenende Zeit für die Familie zu haben. Im Jahr 2014 nahmen knapp 35 Prozent der Väter Elternzeit.
Vereinbarkeit ist mehr als ein Selbstzweck
Laut einer Umfrage von TNS Infratest sehen die Deutschen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als eine der wichtigsten wirtschaftspolitischen Aufgaben, nur knapp hinter der Verringerung der Staatsverschuldung.
Die Studie legt nahe: Unternehmen müssen sich nicht davor scheuen, die Vereinbarkeit stärker zu fördern. Das ist längst mehr als ein Selbstzweck: Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) untersucht bereits seit 2003, wie familienfreundlich deutsche Arbeitgeber sind. In der aktuellen Ausgabe sagen 96 Prozent der Beschäftigten mit Kindern und 88 Prozent der Beschäftigten mit pflegebedürftigen Angehörigen, dass familienfreundliche Angebote zu den wichtigsten Kriterien für einen attraktiven Arbeitgeber gehören.
Auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig versteht die Studie als Appell an die Arbeitgeber. „Sie zeigt: Investitionen in familienfreundliche Maßnahmen rechnen sich betriebswirtschaftlich“, sagte Schwesig der WirtschaftsWoche. Während die Beschäftigten von mehr Zeit und Flexibilität für die Familie profitieren, reduzieren Unternehmen ihre Kosten.