WirtschaftsWoche: Herr Nasher, in Ihrem neuen Buch „Entlarvt!“ geben Sie Ratschläge dazu, wie man Lügen durchschaut und die Wahrheit erfährt. Wird im Job wirklich so viel gelogen?
Nasher: Ja. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel. Ich habe kürzlich einen Vorstandsvorsitzenden gefragt, warum er so viele Berater im Haus hat. Seine Antwort: Damit ich weiß, was in meinem Laden los ist, sonst sagt mir doch niemand die Wahrheit.
Die Mitarbeiter lügen ihren Chef systematisch an?
Das kommt häufiger vor, als man denkt. Denn die typische Motivation zu einer Lüge ist Angst. Hat der Mitarbeiter etwas falsch gemacht oder läuft es in seiner Abteilung nicht rund, wird er versuchen, seinem Chef zumindest nicht die ganze Wahrheit zu sagen.
Zur Person
Jack Nasher, 35, leitet den Lehrstuhl für Leadership und Organizational Behavior an der Munich Business School. Außerdem bietet er Verhandlungstrainings an, hält Vorträge dazu, wie man Menschen durchschaut und beeinflusst.
Und wie finde ich heraus, ob mich mein Mitarbeiter oder Arbeitskollege anlügt?
Lügner fühlen Angst und Schuld. Und schon instinktiv sehen die meisten Menschen, ob ihr Gesprächspartner vor etwas Angst hat.
Was sind typische Anzeichen für Angst?
Lügner reißen die Augen auf. Ihre Mundwinkel sind nach hinten in Richtung Ohren gezogen. Die Stimme wird höher. Sie blinzeln. All das vielleicht nur minimal, aber durchaus wahrnehmbar. Es sind typische Anzeichen von Nervosität.
Das sagen ihre Kritzeleien über Sie aus
Sie sind ein typisches Motiv von humorvollen Menschen.
Diese Zeichner sind meist sehr nüchterne und rationale Menschen. Auch „das Haus vom Nikolaus“ ist bei ihnen ein beliebtes Motiv.
Sie stehen für Harmonie mit anderen Menschen, seien es Kollegen oder Freunde.
Sie symbolisieren den kritischen Blick, sowohl auf sich selbst als auch auf das, was um einen herum passiert.
Sie stehen für ungelöste Probleme.
Der Zeichner träumt von einer besseren Welt.
Der Kritzler fühlt sich isoliert. Häufig findet sich auch ein Mond in der Zeichnung wieder.
Der Zeichner ist egozentrisch und selbstverliebt.
Diese Formen lassen eher auf einen introvertierten, zurückhaltenden Urheber schießen.
Naja, aber bei Verhandlungen oder im Vorstellungsgespräch kann ich doch auch nervös sein, ohne dass ich zuvor gelogen habe.
Das stimmt. Deshalb ist es immer wichtig zu unterscheiden, ob jemand Angst hat, obwohl es keinen Grund gibt. Dann hat er wahrscheinlich etwas zu verbergen. Oder ob jemand nervös ist, weil er zum Beispiel in einem Vorstellungsgespräch sitzt. In beiden Fällen sollte ich mit gezielten Fragen versuchen herauszufinden, ob er mir die Wahrheit sagt.
Wie können solche Fragen lauten?
Bleiben wir beim Beispiel des Einstellungsgespräches. Sie wollen vom Bewerber wissen, wie es bei seinem letzten Arbeitgeber war und warum er dort nicht länger bleiben will. Haben Sie das Gefühl, er sagt nicht die Wahrheit, suggerieren Sie dem Bewerber, dass Sie ein gutes Verhältnis zu jemandem aus dem Betrieb haben – auch wenn Sie denjenigen nur flüchtig kennen. In etwa: Den Personalchef sehe ich manchmal beim Golf spielen. Der Bewerber wird denken, dass Sie ohnehin die Wahrheit herausfinden oder gar schon wissen.
Kommunikationsstile
Unterwürfig und verzweifelt klingt dieser Kommunikationstyp. Er ist stets überfordert und drückt dies mit nahezu flehender Stimme aus.
Er ist das absolute Gegenteil des Hilfsbedürftigen. Der Helfer hat eine starke aber gleichzeitig einfühlsame Stimme, die dem anderen signalisiert: „Meine Unterstützung ist dir sicher“.
Auch er ist stets zum Helfen bereit, allerdings wirkt er schwächer als der Helfer und unterwirft sich seinem Gesprächspartner geradezu.
Konfrontation, Empörung und Verteidigung das liegt dem Aggressiven gut. Ausschweifende, beschuldigende Gesten passen zu diesem Kommunikationstyp. Er ist stets darauf bedacht sein Gegenüber in Schach zu halten und zu entwerten. Er stellt sich selbst eine Stufe höher als andere.
Er muss sich ständig selbstprofilieren - erzählt, was er alles kann, wie angesehen er ist und wen er kennt.
Dieser Kommunikationstyp weiß genau, was richtig und was falsch ist – zumindest denkt er das. Er reitet häufig auf moralischen Aspekten herum. Er wirkt dadurch bestimmend und kontrollierend.
Dieser Typ verwendet eine sehr sachliche Sprache und lässt kaum Nähe zum Gesprächspartner zu. Diese Haltung unterstreicht er mit seiner Körpersprache – ganz klassisch hierfür sind verschränkte Arme.
„Achtung, jetzt komm ich!“ ist der Leitspruch dieses Kommunikationstyps. Er ist redselig und liebt die Selbstinszenierung.
Und dann?
Wer zuvor gelogen hat, wird jetzt noch nervöser. Jemand, der im Guten mit seinem ehemaligen Arbeitgeber auseinandergegangenen ist, wird sich jetzt entspannen. Denn er geht davon aus, dass der Personalchef im Zweifel etwas Gutes über ihn zu berichten hat.
Wenn ich jetzt aber niemanden kenne, der mir Infos über meinen Bewerber geben kann...
...Sie können auch ins Gespräch einfließen lassen, dass Sie über eine außerordentlich gute Menschenkenntnis verfügen. Meine Mutter hat früher immer gesagt, sie sieht es mir an der Nasenspitze an, ob ich lüge. Auch solche Sätze erhöhen bei Lügnern den Stress.
Fragemethoden
Welche Methoden gibt es noch, um herauszufinden, ob das Gegenüber lügt?
Nehmen wir an, ein Mitarbeiter hat Druckerpatronen geklaut. In diesem Fall hilft Ihnen die Vergleichsfrage weiter. Fragen Sie den Mitarbeiter, ob er die Patrone mitgenommen hat. Er wird mit „Nein“ antworten. Danach fragen Sie ihn, ob er überhaupt in seinem Leben schon mal etwas geklaut hat. Der Schuldige wird sofort zugeben, dass er als Kind mal einen Kaugummi oder ähnliches stibitzt hat, allein um den innerlichen Druck abzulassen. Der Unschuldige wird natürlich die erste Frage verneinen, bei der zweiten aber zögern. Denn er glaubt, nicht mehr glaubwürdig zu sein, wenn er zugibt, irgendwann schon mal gestohlen zu haben. Für ihn ist diese zweite allgemeinere Frage, die deutlich schwieriger zu beantwortende – also genau umgekehrt als beim Wahrhaftigen.
So ein kleines Zögern reicht Ihnen, um zu erkennen, ob jemand ehrlich ist oder nicht?
Nein, um sicher zu gehen, müssen Sie immer mehrere Fragen stellen. Fordern Sie Ihren Mitarbeiter auf alles zu erzählen, was er über die verschwundenen Druckpatronen weiß. Der Unschuldige wird improvisieren. Erzählt alles Mögliche: Wo die Patronen gewöhnlich gelegen haben. Wer ihm von dem Diebstahl erzählt hat. Der Schuldige hat sich vorbereitet. Er wird sich vorher überlegt haben, warum er es nicht gewesen sein kann und seine Argumente schön geordnet runterspulen, häufig auch mit einer Liste: „Es gibt drei Gründe, warum ich es nicht gewesen sein kann...“
Die vier Ebenen der Kommunikation
Hier geht es um die Fakten, die der Gesprächspartner vermittelt.
Je nachdem wie das Gegenüber mit jemandem redet, kann der Angesprochene Rückschlüsse auf das Verhältnis zwischen beiden ziehen.
Der Zuhörer kann hierbei herausfinden, was im Gesprächspartner vorgeht.
Hier versuchen die Empfänger oftmals herauszufinden, was der Sender von einem erwartet.
Gut und schön, aber funktioniert das auch bei anderen Situationen? Schließlich wird eine Firma ja nicht ständig von Ihren Mitarbeitern beklaut.
Natürlich. Nehmen wir an, der Mitarbeiter hatte ein Meeting und der Chef möchte am nächsten Tag wissen, ob alles so gelaufen ist, wie besprochen. Der Wahrhaftige erzählt alles sehr detailliert, aber ungeordnet. Derjenige, der seinem Vorgesetzten etwas verheimlichen will, berichtet detailarm aber sehr chronologisch. Er hat sich sein Geschichtchen zurecht gelegt, wie ein schlechter Drehbuchautor: es fehlen lebendige Details und Emotionen.
Welche Fragemethoden gibt es noch?
Zum Beispiel die Alibi-Testfrage: Ihr Mitarbeiter erzählt Ihnen, er sei zu spät zum Kundentermin gekommen, weil er im Stau stand. Sie sind misstrauisch und wollen diese Aussage überprüfen. Sagen Sie, Sie hätten von dem Stau gehört und fragen ihn, ob er am brennenden LKW vorbeigefahren wäre, der diesen Stau verursacht hat – obwohl die Stauursache eine ganz andere war. Wenn er jetzt sofort verneint, hat er die Wahrheit gesprochen. Druckst er herum oder erzählt sogar vom LKW, dann lügt er!
Was Mitarbeiter im Gespräch mit ihrem Vorgesetzten in jedem Fall beachten sollten
Informieren Sie sich vorab im Leitfaden Ihres Unternehmens über Zweck und Struktur des Jahresgesprächs. Die meisten Unternehmen haben einen solchen Leitfaden im Intranet. In manch einer schwierigen Konfliktsituation hilft ein dezenter Verweis darauf. Und generell: Bereiten Sie schlagende Argumente vor, wenn Sie eine Gehaltserhöhung oder neue Aufgaben anstreben. Wenn Sie Kritik äußern wollen oder der Chef dazu sogar auffordert: Loben Sie zuerst, kritisieren Sie allenfalls diplomatisch.
Machen Sie deutlich, was sie gerne tun (wollen), und warum davon auch der Chef und das gesamte Unternehmen profitiert. Und vermitteln Sie dem Chef vor allem Ihre Loyalität. Er will hören, dass Sie hinter seinen Zielen stehen.
Beeindrucken Sie Ihren Chef nicht nur mit den Leistungen der Vergangenheit. Machen Sie Vorschläge, verkünden Sie neue Ideen. Am besten bevor Sie der Chef selbst danach fragt.
In ein Mitarbeitergespräch sollten Sie stets auf gleicher Augenhöhe gehen, nicht als Bittsteller oder Lehrling (es sei denn Sie sind wirklich noch in der Ausbildung). Sie erbringen Leistungen und wollen dafür angemessen entlohnt und behandelt werden.
Atmen Sie vor der Tür noch einmal tief durch und lassen Sie Wut und Frust draußen. Bleiben Sie bei sachlichen Argumenten. Gebrüll wird Ihre Position nicht stärken.
All diese Methoden der Gesprächsführung verraten Ihnen, ob Ihr Gesprächspartner die Wahrheit sagt oder nicht. Aber wie finden Sie heraus, was wirklich passiert ist?
Sie müssen dem Lügner eine goldene Brücke bauen. Er wird nur gestehen, wenn er sein Verhalten rechtfertigen kann.
Zum Beispiel?
Sie haben den Verdacht, dass der Bewerber seinen Lebenslauf aufgehübscht hat. Geben Sie ihm das Gefühl, dass es heutzutage ganz normal sei, dass an der einen oder anderen Stelle übertrieben wird. Es sei ja auch so schwer einen Job zu finden und die Anforderungen der Unternehmen sind schließlich enorm hoch. Oder einer Ihrer Mitarbeiter in China hat Bestechungsgeld verteilt. Geben Sie ihm zu verstehen, dass das in China ja Gang und Gäbe sei und ohne Bestechung kaum Geschäfte zu machen sind.
Vier Tipps, wie Sie verbale Angriffe erfolgreich kontern
Überhören Sie den unfairen Aspekt. Lenken Sie mit einem Brückensatz stattdessen auf die Sache: „Ihre Aussage zeigt mir, dass Sie Bedenken haben. Was macht Ihnen Sorgen? Welche Argumente haben Sie?“
Kontern Sie schlagfertig und humorvoll – und lenken dann zur Sache: „Ich merke, Sie sind wütend / aufgeregt / verstimmt. Lassen Sie uns nicht persönlich werden und darüber reden.“
Benennen Sie Unfairness klar und deutlich und weisen Sie diese zurück: „Mit unsachlichen Angriffen kommen wir nicht weiter.“
Brechen Sie das Gespräch ab, wenn es nicht weitergeht und sich Ihr Gesprächspartner nicht auf die Sachebene holen lässt: „Ihre wiederholt beleidigenden Worte akzeptiere ich nicht. Unter diesen Umständen bin ich nicht bereit, das Gespräch fortzusetzen.“
Und wenn Sie diese Themen ansprechen, gesteht er von ganz alleine?
Noch nicht ganz. Nachdem Sie Ihre vermeintliche Sicht der Dinge dargestellt haben, stellen Sie ihm die sogenannte Alternativfrage. Also: Haben Sie das Schmiergeld genommen, weil Sie gierig waren oder weil Sie das Geschäft für die Firma unbedingt abschließen wollten? Nun ist die Chance hoch, dass der Lügner die Wahrheit spricht. Denn Menschen wählen stets die für sie bessere Option und wenn Sie das Gefühl haben, dass sie nur die Wahl zwischen Arsen und Lebertran haben, dann sieht der Lebertran doch auf einmal gar nicht mehr so schlecht aus.
Das ist ganz schön hinterhältig.
Zugegeben, diese Methode ist manipulativ aber auch sehr erfolgreich. Bevor Sie diesen Schritt gehen, müssen Sie sich aber sicher sein, dass Ihr Gegenüber lügt. Sonst setzen Sie Ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel und haben schnell Ärger mit dem Betriebsrat. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie weit er geht, um an die Wahrheit zu gelangen.
Muss ich diesen letzten Schritt immer gehen oder reicht es manchmal auch zu wissen, jemand hat mich belogen?
Ja, das kann manchmal sogar besser sein. Der Lügner weiß nicht, dass Sie ihn durchschaut haben. Sie aber wissen, dass er lügt ohne mit der Wimper zu zucken. Sie umgehen so die offene Konfrontation, weil er vielleicht mächtiger ist als Sie – etwa der Vorgesetzte – oder weil Sie ohne weiteres Ersatz finden – etwa beim Autokauf. Aber eines ist sicher: die Wahrheit zu kennen, gibt Ihnen stets mehr Macht, nämlich Macht darüber, Ihre Entscheidungen selbst zu treffen!