Videoüberwachung Wann Chefs ihre Mitarbeiter ausspähen dürfen

Erst sorgten Kameras bei Lidl für Aufsehen, jetzt steht mit Aldi ein weiterer Discounter in der Kritik. Nicht immer ist die filmische Überwachung von Arbeitnehmern verboten.

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Wer seine Mitarbeiter überwacht, sollte vorsichtig sein - es gelten strenge Regeln. Quelle: dpa

Die Neugier scheint manchmal grenzenlos. Lidl, Schlecker, Netto, Rewe, Edeka und nach Spiegel-Informationen jetzt auch Aldi – das sind nur einige der Unternehmen, die in den vergangenen Jahren in Überwachungsskandale verwickelt waren. Und das, obwohl der Gesetzgeber insbesondere das versteckte Filmen von Mitarbeitern bis auf wenige Ausnahmen untersagt.

Denn grundsätzlich stellt die heimliche Überwachung eines Arbeitnehmers eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte dar. Deshalb ist das Filmen von Mitarbeitern nur dann zulässig, wenn sich der Arbeitgeber auf ein berechtigtes Interesse berufen kann. „Ein solches Interesse besteht zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber einen oder mehrere Diebstähle im Unternehmen aufklären will und bereits konkrete Verdachtsmomente vorliegen“, sagt Henning Timm, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Rölfs Partner in München. So dürfe der Chef seine Mitarbeiter etwa dann überwachen, wenn in der Poststelle Pakete verschwunden sind oder Geld in der Kasse fehlt. Eine Leistungskontrolle hingegen sei nicht zulässig: Etwa die Raucherzone der Mitarbeiter zu filmen, um festzustellen, wie viel Zeit sie mit Zigarettenpäuschen verbringen, ist somit untersagt.

Aber auch wenn ein konkreter Verdacht vorliegt, darf der Chef nicht sofort eine versteckte Kamera installieren und drauflos filmen: „Eine heimliche Videoüberwachung stellt einen extremen Eingriff in die Privatsphäre von Mitarbeitern dar“, so Timm. „Sie darf daher nur zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Möglichkeiten – zum Beispiel Taschenkontrollen oder der Einsatz von Detektiven – bereits ausgeschöpft sind oder keinen Erfolg versprechen.“ Verfügt das Unternehmen über einen Betriebsrat, muss dieser der Videoüberwachung außerdem zustimmen.

Dauerüberwachung verboten

Zeigen die Bänder keine Straftaten, müssen sich schnellstmöglich vernichtet werden. Quelle: dpa

Der Einsatz der Kameras muss außerdem zeitlich begrenzt sein. Das bedeutet: Hat der Arbeitgeber einen Diebstahl aufgeklärt, muss die Videoüberwachung unverzüglich stoppen. Außerdem darf er seine Mitarbeiter weder den kompletten Arbeitstag lang filmen noch überall im Unternehmen. Der Chef muss also im Vorfeld einen Bereich auswählen – zum Beispiel einen bestimmten Teil des Lagers, in dem geklaut wurde – und sich auf eine bestimmte Stundenzahl beschränken – etwa die Zeit, zu der die Straftaten der Vergangenheit verübt wurden.

Auch dann, wenn die Videoüberwachung alle diese Vorraussetzungen erfüllt, muss Privates privat bleiben. Tabu sind daher etwa Umkleideräume und Toiletten. „Auch Räume, in denen der Mitarbeiter davon ausgehen kann, dass er ungestört seine Meinung sagen kann, müssen in der Regel ausgespart werden“, sagt Fachanwalt Timm. Dies könne zum Beispiel ein Pausenraum sein.

Regeln für das Filmen von Mitarbeitern gelten aber nicht nur dort, wo versteckt gefilmt wird. Unternehmen, die immer Gefahr laufen, bestohlen oder ausgeraubt zu werden – Supermärkte  und Bankfilialen beispielsweise – werden legal und offen überwacht. Erforderlich ist hier aber ein Hinweis auf die Kameras und die durchgeführte Überwachung. „Wenn bei der Überwachung aber kein Kunde, sondern ein Arbeitnehmer bei einem Diebstahl beobachtet wird, wäre es seinem Arbeitgeber trotzdem möglich, gegen den Mitarbeiter Sanktionen zu ergreifen und dabei die Aufzeichnungen zu nutzen“, sagt Timm.

Ein weiterer Grundsatz gilt für die Detektivspiele der Chefs – der Grundsatz der Datensparsamkeit. Das heißt: Wer Videoüberwachung nutzt, um Straftaten von Mitarbeitern aufzuklären, muss seine Aufzeichnungen schnellstmöglich sichten und Aufnahmen, die keine Diebstahlvorgänge zeigen, sofort vernichten. Eine generelle Auskunftspflicht aber gibt es nicht: "Dass jeder Mitarbeiter persönlich darüber informiert werden muss, wann seine Daten gelöscht wurden, ist nicht der Fall", sagt Timm.

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