Volkskrankheit Burnout Wenn der Beruf zum Stresstest wird

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Ursachenforschung an der falschen Stelle

Der Folgen von Stress bei der Arbeit summieren sich zu enormen Geldbeträgen, die das Gesundheitssystem belasten. Quelle: dpa

Die „Volkskrankheit Burnout“ (Spiegel) wurde zum Dauerthema auf Titelblättern und in Talkshows und erlebte dabei eine erstaunliche Karriere. Überwog Anfangs die Erleichterung darüber, dass sich Betroffene nun stärker trauen mit ihrem Problem an die Öffentlichkeit zu gehen oder zumindest professionelle Hilfe zu suchen, schlug die Debatte bald um. Von einer Modekrankheit und Fehldiagnosen war plötzlich vor allem die Rede.

Ein Grund dafür: Burnout ist als Krankheit nicht genau definiert, weil das Krankheitsbild als Syndrom nicht von anderen genau abgrenzbar ist. Die Deutsche Gesellschaft für Psychatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) rief daher eigens eine Taskforce ins Leben. Die Spezialisten sind jetzt auf der Suche nach einer ausführlichen Definition und möchten diese im Frühjahr 2011 vorstellen.

Wolfgang Maier ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychatrie und Psychotherapie an der Uni Bonn und ist Mitglied der Taskforce. Er sagt: „ Die Diagnose Burnout, bedeutet zunächst, dass jemand der früher gebrannt hat, überengagiert war und die anfängliche Motivation sich dann durch Arbeitsplatzprobleme verbraucht hat.“

Kosten von 27 Milliarden Euro

Egal wie Burnout wissenschaftlich eingegrenzt wird – das Syndrom hat bereits jetzt für Wirtschaft und Gesellschaft reale Folgen. Laut einer Statistik des BKK Bundesverbandes ist die Zahl der Tage, an denen Mitarbeiter mit Burnout-Syndrom krankgeschrieben waren, von 4,6 im Jahr 2004 auf 63,2 im Jahr 2010 pro 1000 Kassenmitglieder gestiegen.

Und die Krankenkassen behandeln die Symptome der Betroffenen, wie Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Probleme oder Bluthochdruck, auch wenn es noch keine allgemeingültige Burnout-Definition gibt.

Die Kosten für die Behandlung von psychischen Störungen betragen mittlerweile 27 Milliarden Euro, wie das Handelsblatt jüngst berichtete. Die wirtschaftlichen Kosten existieren unabhängig von der genauen Definition. „Schließlich“, sagt die Sprecherin vom GKV-Spitzenverband, „ist für den Arbeitgeber unerheblich weswegen ein Angestellter krank geschrieben wird“.

Viele Arbeitgeber werden aber sicherlich ein Interesse daran haben, dass die Ursachen für Burnout gemildert werden. Denn oft wird als Grund die permanente Erreichbarkeit des Menschen durch Smartphones, Internet und Social Networks angeführt. Die neuen Kommunikationsmittel haben die soziale Kontrolle so vergrößert, dass der Einzelne keine Rückzugsmöglichkeiten mehr hat.

Diese Ursachenbestimmung, den mancher Kritiker gerne auch als Angriff auf die neuen Technologien umdichtet, geht am Kern des Problems vorbei. Mutti und Vati können während des familiären Mittagessens den Blackberry ausschalten und wer in seiner Freizeit seine Arbeitsmails nachschaut, ist selbst schuld. Die neuen Technologien für die Existenz von Burnout verantwortlich zu machen, bedeutet zu ignorieren, dass der richtige Umgang mit Handy und Email gelernt sein möchte.

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