Die sprichwörtlichen Messlatten werden immer höher. Zum einen sind da die eigenen Ansprüche, zum anderen die Erwartungen der Kollegen, Kunden und Vorgesetzten. Doch klar ist auch: Selbst der stärkste Motor macht irgendwann schlapp.
Und so endet der Dauerdruck bestenfalls in Stress und Erschöpfung, schlimmstenfalls in Burnout und Depressionen. Doch soweit muss es nicht kommen. Dann nämlich, wenn Sie gewisse Muster erkennen - und sich entsprechend verhalten. Hier typische Jobprobleme - und ihre Lösung.
Fall 1: "Ich fürchte, ich habe einen Burnout."
Fristen beherrschten seinen Alltag, die Kommunikation mit Kunden war schwierig, es fehlte an Mitarbeitern - alle Kollegen waren erschöpft und angespannt. Inklusive der Führungskraft selbst. Seit zwei Monaten hatte er die Vertretung für einen erkrankten Kollegen und dessen Abteilung übernommen. Seine eigene Arbeit stand wie ein Berg vor ihm, die Fehler häuften sich - und von der Unternehmensspitze kam keine Hilfe.
Er war unzufrieden und befand sich in einem Teufelskreis, aus immer mehr Anstrengung und immer weniger Erfolg. Sollte er für eine Weile aussteigen, bevor sein Unternehmen durch seine schlechten Leistungen Schaden nimmt und er seine Gesundheit ruiniert? Im Internet hatte er einen "Burnout-Test" gemacht und seine Vermutung bestätigt gesehen.
Burnout
Peter Michael Roth ist seit August 2012 Chefarzt der Oberbergklinik in Wendisch Rietz. Der Psychiater weiß, dass Burnout-Patienten wie Sättele häufig eine ähnliche Persönlichkeitsstruktur haben.
Betroffen sind selten die faulen oder untätigen Mitarbeiter, sondern meist die besonders Engagierten, Perfektionisten oder solche, die sich für unersetzbar halten. „Wenn hohe Leistung in der Kindheit eine große Rolle gespielt hat, trifft es solche Menschen im Berufsleben zuerst“, sagt Roth. Denn sie muten sich häufig zu viel zu.
Im vergangenen Jahr ließen sich in Deutschland so viele Arbeitnehmer aufgrund psychischer Leiden krankschreiben wie noch nie. Wie die Deutsche Angestellten-Krankenkasse bekannt gab, fehlte 2012 wegen psychischer Beschwerden jeder 22. Arbeitnehmer – mehr als doppelt so viele wie 1997.
43 Prozent der Erwerbstätigen glauben, dass der berufliche Stress in den vergangenen zwei Jahren gestiegen ist. Das heißt aber nicht, dass heute mehr Menschen psychische Störungen haben. Vielmehr sind Ärzte und Patienten mittlerweile sensibler. Das ist auch gut so, findet Psychiater Roth: „Lieber ein Patient mehr, der sich fälschlicherweise für depressiv hält, als ein Depressiver, der sich keine Hilfe holt.“
Das Problem
Übersehen wird bei solch populärwissenschaftlichen Tests schnell, dass wir eine generelle Tendenz haben, Krankheitssymptome bei uns zu suchen und dann auch zu finden. Übersehen wird ebenso oft, dass es sich bei den Symptomen nicht um eine Augenblicksaufnahme handeln darf, sondern zum Beispiel Schlafstörungen oder depressive Verstimmungen erst dann symptomatisch sind, wenn sie über mehrere Wochen anhalten.
Wann waren Sie das letzte Mal beim medizinischen Check-up, was ist dabei herausgekommen? Welche Symptome beobachten Sie? Mentale Lustlosigkeit, Null-Bock-Stimmung, mangelnde Energie, Schlafprobleme?
Krank werden wir dann, wenn wir aus unserer seelischen und körperlichen Balance kommen. Viel Stress auf der einen Seite kann wie bei einer Küchenwaage durch viel Positives auf der anderen Seite ausgeglichen werden.
Die Lösung
Vielleicht müssen Sie erkennen, dass Ihr Perfektionismus Ihnen gerade auf die Füße fällt und Sie Ihre Ansprüche neu definieren müssen. Motto: "Gut ist gut genug." Sie sollten lernen, Kollegen und Mitarbeiter besser einzubeziehen - denn zu hohe Ansprüche führen oft dazu, dass man sich selbst zu viel zumutet.
Leider ist es heute in vielen Unternehmen üblich, die Angestellten zu überfordern. Umso wichtiger ist es, nicht alles, sondern das Wichtigste schaffen zu wollen. Organisieren Sie telefonfreie Zeiten, ziehen Sie sich in ein anderes Zimmer zurück, wenn Sie konzentriert arbeiten müssen, delegieren Sie. Und bitten Sie vertraute Kollegen um Feedback, falls Sie mit Ihren Ansprüchen zu weit gehen.
"Mein Kollege hat mir den Kampf erklärt."
Fall 2: "Mein Kollege hat mir den Kampf erklärt."
Nach der Umstrukturierung und dem Zusammenschluss zweier Banken gab es zahlreiche Veränderungen, insbesondere in den Führungsebenen. Aus zwei Filialleitern wurden der neue Abteilungsleiter Herr A. und der Bereichsleiter Herr B. - und beide waren verstimmt. Herr B. kündigte an, Herrn A. den Job wegnehmen zu wollen. Danach wurde die Zusammenarbeit fast unmöglich. Herr A. mied den Kontakt, Herr B. gab Informationen nicht weiter und reagierte zunehmend unfreundlich. Eine Zusammenarbeit war kaum noch möglich.
Das Problem
Oft begegnen sich Kollegen in einer Extremsituation: Es kam vorab zu Enttäuschungen und Kränkungen auf beiden Seiten, vom Vorstand gab es keine Hilfe. In Belastungssituationen und bei negativem Stress stehen wir unter der Kontrolle unserer Emotionen - dann sehen wir nur noch das Problem. Erst wenn wir aus den negativen Emotionen herauskommen, können wir wieder klar sehen. Anderenfalls entstehen sich selbst erfüllende Prophezeiungen. "Herr B. mag mich nicht" - dann sieht man nur die Dinge, die genau das bestätigen. "Herr B. agiert hinter meinem Rücken"? Dann verhalte ich mich misstrauisch.
Die Lösung
Nehmen Sie sich vor, kooperativ zu bleiben. Sie müssen Ihre alte Souveränität und Lockerheit zurückgewinnen. Dann sollten Sie ein persönliches, offenes Gespräch suchten. Nehmen Sie sich die Zeit, nach den wertvollen Eigenschaften Ihres Konkurrenten zu suchen, um ihn anders wahrzunehmen und zu behandeln. Ist jemand ein Störfaktor, werden dessen fachliche und anderen persönliche Qualitäten viel zu schnell übersehen.
Fall 3: "Meine Chefin ist eine Niete."
"Sie ist jung, sie ist Französin, sie ist kreativ und charmant - und sie macht mir die Arbeit zur Hölle, weil sie von Führung keine Ahnung hat." Der 60-jährige Finanzchef eines Kosmetikunternehmens war empört, konnte nicht mehr schlafen und musste Blutdrucksenker nehmen. Seit einem Jahr war die Geschäftsführung in neuen Händen. Die neue Chefin kam aus einer anderen Kultur, beschäftigte sich lieber mit Farben und Trends als mit Planung und Budget - und hatte Führungserfahrung bisher nur in einem kleinen Unternehmen gesammelt.
Das Problem
Es ist wichtig, Fakten von Spekulationen zu trennen. Vielleicht bleibt die neue Chefin nicht deshalb dem wöchentlichen Mittagessen aller Kollegen fern, weil sie kein Interesse daran hat - sondern weil sie nichts davon weiß. Die detaillierte Betrachtung des Alltags macht sichtbar, dass Kultur-, Alters- und persönliche Konflikte aufeinanderprallen. Und dass nicht miteinander, sondern nur übereinander gesprochen wird. Dann wird die Stimmung gegen die Chefin irgendwann eskalieren.
Die Lösung
Machen Sie einen Drei-Stufen-Plan und bereiten Sie drei Gespräche mit der Chefin vor. Zunächst soll es um organisatorische Fragen gehen und den Abgleich von Erwartungen. Dann wird die persönliche Beziehung im Mittelpunkt stehen. Denn wenn es dort hakt, kommt man auf der Sachebene nicht weiter. Es wird immer wieder unterschätzt, wie sehr uns negative Emotionen wie Enttäuschung oder Ärger im Alltag behindern. Dabei hilft es schon, einmal auszusprechen, was wir empfinden. Durch "Ich-Botschaften" geben wir der anderen Seite überhaupt erst einmal die Chance mitzubekommen, wie es uns geht. Teil drei ist dann das Alltagsgeschäft. Und diese Termine im Führungsteam sollte es regelmäßig geben, auch unter vier Augen geben.
"Mein Chef schätzt mich nicht."
Fall 4: "Mein Chef schätzt mich nicht."
Frau A. leitete die regionale Abteilung eines Kongressveranstalters. Mit Ende 30 hatte die Mutter eines kleinen Sohnes viel erreicht. Seit zwei Jahren ist sie wieder in Vollzeit zurück und möchte ihre Karriere vorantreiben und überregional, eventuell sogar international arbeiten. Doch ihr Chef gibt ihr keine größeren Aufgaben. Außerdem hat sie lange keine Gehaltserhöhung bekommen. Das sieht sie als Zeichen mangelnder Wertschätzung. "Ich wünsche mir von meinem Chef die Anerkennung dessen, was ich leiste. Und ich möchte von ihm einen Vorschlag, wie ich mich weiterentwickeln, größere Aufgaben und mehr Geld bekommen kann."
Das Problem
Wir projizieren unsere eigenen Konflikte gern nach außen. "Mein Chef will meine Karriere nicht fördern", ist leicht gesagt. Schwieriger ist es, sich einzugestehen, dass man selbst nicht weiß, was man will. So sagt Frau A. weder zur Karriere noch zu einem zweiten Kind bewusst und uneingeschränkt "ja". Dadurch geschieht nichts von beidem, was natürlich frustrierend ist.
Die Lösung
Definieren Sie zunächst für sich, was Sie innerhalb von zwei Jahren schaffen wollen. Nutzen Sie die Zeit, um eine private Entscheidung zu treffen. Der Wunsch nach Weiterbildung ist ein guter Anlass, um mit dem Chef zu sprechen. Gehen Sie auf ihn zu, anstatt zu warten. Sprechen Sie mit ihm über Ihre Qualifizierung, Ihre Gehaltsentwicklung - und bitten Sie gezielt um Feedback. So werden Sie erfahren, wie sehr Ihr Chef Sie beruflich schätzt.
Fall 5: „Ich gehöre zum alten Eisen, das nicht mehr gebraucht wird.“
Dr. K. ist 59 und Oberarzt in einem mittelgroßen Krankenhaus. Er hat anscheinend alles erreicht. Doch er ärgert sich immer öfter bei seiner Arbeit. Der neue, jüngere Chefarzt hat völlig andere wissenschaftliche und menschliche Vorstellungen und scheint sich kaum für ihn zu interessieren. "Ich fühle mich oft undankbar, weil ich so vieles habe, was andere sich wünschen und doch nicht glücklich bin", sagt er. Er liebäugelt mit dem Gedanken an einen vorgezogenen Ruhestand.
Das Problem
Was würde das bringen? Es gibt immer ein Ziel hinter dem Ziel. Manchmal gestehen wir uns nicht ein, was wir wollen. Und manchmal wissen wir es selbst nicht. Schnell wird deutlich, dass die Arbeit an sich Spaß macht - wenn der neue Chef nicht wäre. Es mangelt an Wertschätzung und Aufmerksamkeit.
Die Lösung
Sie ist simpel und anspruchsvoll zugleich: Sie müssen die Dinge selbst in die Hand nehmen und selbst tun, was Sie sich wünschen. Dabei müssen Sie beharrlich, freundlich und konsequent sein - und sich auf die eigenen Stärken besinnen. Was besonders wichtig ist: Teilen Sie dem Anderen die eigenen Bedürfnisse mit – denn niemand kann unsere Gedanken lesen.
"Ich kann mich gar nicht mehr richtig freuen."
Fall 6: "Ich kann mich gar nicht mehr richtig freuen."
Frau S. war früher Optimistin. Nun merkt sie, dass sie oft missmutig ist und wenig Lebensfreude hat. Sie schläft zunehmend schlechter, hat manchmal grundlos Angst oder ist reizbar. Sie fragt sich immer öfter, ob das alles sein soll. Die Arbeit in verantwortlicher Position laugt sie aus, Mann und Kinder verstehen ihre Unzufriedenheit nicht. Ihre Freundinnen leben in ähnlichen Situationen und werfen ihr vor, zu hohe Ansprüche zu haben.
Das Problem
Viele Menschen geraten irgendwann in eine Sinnkrise. Gerade um die 40 kommt plötzlich Leere, weil wir keine Visionen, Träume und Ziele mehr haben. Das führt dazu, dass Menschen reagieren anstatt zu agieren - und dass andere ihren Lebensweg bestimmen. Das macht hilflos und unzufrieden.
10 Orientierungsfragen: So kommen Sie aus der Midlife Crisis
Was will ich in meinem Leben (noch) erreichen?
Welche berufliche Erfahrung möchte ich unbedingt noch machen?
Was möchte ich noch lernen?
Was muss passieren, damit ich am Ende meines Lebens sagen kann: Das war gut!
Was kann ich gut?
Was fällt mir leicht?
Bei welchen Tätigkeiten bin ich „im Fluss“?
Welche Ziele motivieren mich?
Wann bin ich im Job am glücklichsten?
Wie kann ich mehr solcher Situationen erleben?
Die Lösung
Sie müssen Ihre Situation analysieren: Wo stehen Sie gerade, wie zufrieden sind Sie mit den einzelnen Lebensbereichen wie Beruf, Familie, soziale Kontakte, Gesundheit, Finanzen auf einer Skala von 1 bis10? Und wie zufrieden wollen Sie in den jeweiligen Bereichen sein?
Hilfreich ist ein Fünf-Punkte-Plan. Zunächst definieren Sie die Bereiche, in denen eine Veränderung ansteht: Beruf, soziale Kontakte und Gesundheit. Oft wirkt sich die Veränderung in einem Bereich gleichzeitig auch auf andere Bereiche aus. Dann legen Sie die genauen Ziele fest, wie Sie diese erreichen können - und machen einen Zeitplan.
Um der Perfektionismusfalle zu entgehen, tragen Sie einen Monat lang jeden Abend drei Erfolge des Tages in Ihren Kalender ein. Planen Sie einen Tag in der Woche fest für ihre Leidenschaft. Recherchieren Sie, wie und wo Sie sich weiterbilden können. Vielleicht finden Sie Freunde und Bekannte, die mitmachen wollen?