Wollen Frauen statt Karriere wirklich lieber Bequemlichkeit? Hier antwortet Milena Merten von der WirtschaftsWoche auf den Beitrag von Martina Lackner.
Neulich war ich bei einem Vortrag. Thema: Netzwerken für Frauen – was bringt es für den Job? Es war gruselig. Nein, nicht die Referentin. Es waren vielmehr die Zuhörerinnen - Akademikerinnen, Steuerberaterinnen, Rechtsanwältinnen, Ärztinnen. Sie sagten: „Warum sollen wir alle Karriere machen, wir sind doch zufrieden mit unserem Leben?“ und „Wir müssen doch nicht alle erfolgreich werden?“
Da dachte ich doch immer: Die armen Frauen! Entweder werden sie durch die Kinder am Erfolg gehindert, durch einen Mann, der sie nicht unterstützt oder durch die berühmte gläserne Decke, die hart sein muss wie Stahl, weil sie scheinbar nicht zu durchbrechen ist. Falsch gedacht. Frauen wollen offenbar gar nicht mehr wollen. Sie brauchen, wie es scheint, weder Erfolg noch Geld. Stress haben sie nur, wenn die Kinder quengeln, und ihre Ehe ist gerettet, wenn zu Hause der Herd nicht kalt bleibt.
Der trügerische Wunsch nach Wohlgefühl
Es geht gar nicht um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es geht auch nicht um mangelnde Karrieremöglichkeiten oder den Mangel an Frauenförderprogrammen. In Wirklichkeit geht es schlicht und einfach darum, dass Frauen es sich bequem machen wollen. Eine Bequemlichkeit, der mehrere Motive zugrunde liegen. Zum einen wollen Frauen ein kuscheliges Leben im familiären Nest führen, zum anderen sind Kind und Karriere Stressfaktoren. Der tägliche Kampf im Job und zu Hause im Kinderzimmer ist für viele ein Spagat, auf den sie lieber heute als morgen verzichten würden.
Zur Person
Martina Lackner ist Psychologin, Psychotherapeutin und Autorin. Sie arbeitet als Sparringspartnerin für Organisationen und Privatpersonen.
Allerdings zahlen manche Frauen einen hohen Preis für ihre angestrebte Wohlfühlatmosphäre, erzeugt durch Teilzeittätigkeit und Verzicht. Wie hoch er ist, wird den meisten spätestens dann klar, wenn der Rentenbescheid ins Haus flattert und der Versorger sich schon vor Jahren abgesetzt hat.
Manchen Frauen droht in so einem Fall die Altersarmut. Ein jähes Ende der Wohlfühlatmosphäre. Ganz abgesehen davon, dass sie sich in eine vom Mann abhängige Position begeben haben. Vielleicht ließe sich das noch ertragen, aber ein Kühlschrank, der sich nur schwer füllen lässt, und eine Miete, die frau sich nicht mehr leisten kann, gehen an die Existenz. Doch wer will sich schon frühzeitig mit Altersarmut beschäftigen? Sie vielleicht? Kein schönes Thema, am besten verdrängen. Freud lässt grüßen.
Killfaktor Kinderbetreuung
Die Politik setzt seit einigen Jahren viel daran, dass ambitionierte Frauen Karriere und Beruf unter einem Hut bringen können. Leider birgt das vorherrschende Betreuungskonzept noch immer gravierende Schwächen. Wer in Deutschland von Karriere spricht, meint einen 12-Stunden-Arbeitstag, also von 8 bis 20 Uhr. Kennen Sie eine Kita, in der Sie Ihr Kind bis 20 Uhr unterbringen können?
Politik meint mit Vereinbarkeit vor allem die Vereinbarkeit von Teilzeitjob und Familie, mehr geht in der Regel nicht. Wer um 17 Uhr sein Kind abholen muss, wer Rufbereitschaft hat oder das kränkelnde Kind vorzeitig holen muss, weil die Kita sich wieder mal gemeldet hat, hat in der Regel keine Führungsposition inne. Er oder sie hat nur einen „Job“. Oder eine Nanny, Tagesmutter oder Großeltern, allerdings kosten erstere Geld und letztere Nerven. Wer nicht schon in Führungsposition ist und sich diese Zusatzleistungen leisten kann, kann sich den Topjob nicht leisten und damit auch keine Kinderbetreuung. Karriere ist letztendlich nur jenen Frauen vorbehalten, die entweder keine Kinder haben, oder schon Geld haben, oder mit einem Sponsor verheiratet sind. Und wenn frau ganz großes Glück hat, hat sie einen Mann, der „nur“ einen Job hat und das kränkelnde Kind abholt.