Werner knallhart

Im Job duzen oder siezen? Macht Euch mal locker!

Manche Chefs wollen geduzt werden, andere wollen unbedingt beim "Sie" bleiben". Fest steht: Die Höflichkeitsform ist inzwischen zweideutig - was im Geschäftsleben zu Chaos führt. Da bleibt nur eine Möglichkeit.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
„Du Chef“ oder „Sie Chef“?
Die Frage nach dem „Du“ oder „Sie“ im Job ist nicht konfliktfrei: Etwa, wenn man von seinem Vorgesetzten geduzt wird, umgekehrt siezt man ihn aber. Bei 17,6 Prozent der Befragten trifft das zu. Fast genausovielen (17,0 Prozent) ist es aber sogar unangehm, wenn ihnen im beruflichen Umfeld das „Du“ angeboten wird. Quelle: dpa - picture-alliance
Das Zwang zum „Du“, wenn es angeboten wird: Fast jeder Zweite (44,7 Prozent) hat das ihm angebotene „Du“ aus Höflichkeit schon mal angenommen, obwohl er bei der betreffenden Person lieber beim „Sie“ geblieben wäre. Quelle: dpa - picture-alliance
Die meisten Befragten befolgen bewusst oder unbewusst den Knigge und warten bei älteren Personen, bis diese ihnen das „Du“ anbieten. 79,2 Prozent wahren die sprachliche Distanz, wenn das Gegenüber älter ist als man selbst. Quelle: dapd
Ab welchem Alter werden Kinder in der eigenen Wahrnehmung Erwachsene, also ab wann werden sie gesiezt? 47,4 Prozent der Befragten reden unbekannte Personen, von denen sie glauben, dass sie 16 Jahre oder älter sind, grundsätzlich mit „Sie“ an. Quelle: dpa
Neue Medien - neuer ungezwungenerer Umgang: Der Aussage „Mich stört es, dass man im Internet häufig mit ,Du' angesprochen wird“, stimmen nur 17,1 Prozent der Befragten. Die meisten stören sich also nicht an den Gepflogenheiten der Netzgemeinde. Quelle: dpa
Eine Mehrzahl der Befragten ist sich einig: Die Anrede „Fräulein“ für junge bzw. unverheiratete Frauen ist veraltet und heutzutage fast schon beleidigend gegenüber diesen Frauen, sagt fast jeder Dritte (63,7 Prozent). Quelle: dpa - picture-alliance
Nachrichtensprecher siezen zwar den Zuschauer, duzen sich aber oft untereinander. Nur 16,2 Prozent der Befragten finden das unangemessen und störend. Quelle: dpa

Neulich in einem Berliner Supermarkt. Der etwa 19-jährige Kassierer fragt seine gleichaltrige Kollegin von der Kasse nebenan beiläufig beim Scannen: „Du, Frau Stapper?“ (Der Name ist erfunden, ich habe ihn vergessen).

„Hä“?, antwortet sie.

Die Kasse piept.

„Wie lange müssen Sie heute?“

Piep.

„Bis acht. Und du?“

Ich frage den 19-Jährigen: „Warum siezt du deine Kollegin denn und sie duzt dich?“

„Ach, wir kommen immer durcheinander. Weil wir uns ja eigentlich duzen, aber vor Ihnen als Kunden dürfen wir das nicht.“

Was soll das? Diese Duz-Siez-Gepflogenheit ist mittlerweile so verworren - da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll.

Duze ich dich, mag ich dich

Gesiezt wird eigentlich aus Höflichkeit. Gleichzeitig duzen wir aber besonders jene Menschen, die uns sehr nahe stehen: Freunde, Familie, Kollegen. Heißt: Duze ich dich, mag ich dich. Und es heißt: „Man duzt keine Respektsperson.“ Spricht man einen Polizisten auf der Straße an, dann am besten nicht mit „Du, Herr Wachtmeister.“ Andererseits: Haben Sie vor einem wildfremden Beamten mehr Respekt als vor Ihrer eigenen Mutter?

Die zehn Knigge-Basics

Siezen ist eben für viele heute kein Zeichen von freundlicher Höflichkeit, sondern von kalter Distanz. Im Geschäftsleben kann diese mittlerweile zweideutige Höflichkeitsform jedoch zu Kuddelmuddel führen.

Schönstes Beispiel: Ikea. Der Möbelladen duzt seine Kunden, dass es nur so menschelt. Im Katalog, auf Plakaten, in der Radio- und Fernsehwerbung und in Durchsagen direkt im Markt. Man will zeigen: Wir gehören zusammen. Wir mögen dich.

Aber wendet man sich zur Beratung an die Mitarbeiter, wird man kaltschnäuzig angesiezt. Aha! Immer schön Nähe heucheln - und wenn Ikea dann direkt auf den Kunden stößt, wenn sich Kunde und Mitarbeiter Auge in Auge gegenüber stehen, dann wird ein Rückzieher gemacht. Alles nur Show.

Meist entscheidet das Umfeld

Es gibt Firmen, da gehört es zum guten Ton, wenn sich die Mitarbeiter untereinander duzen. Ich finde das nett. Aber ich habe mal bei einem privaten Fernsehsender gearbeitet, da haben sich alle untereinander geduzt, nur der Geschäftsführer wollte gesiezt werden - aber nicht von allen.

Wie lässt sich das erklären? Hat der Geschäftsführer mehr Höflichkeit verdient? Aber nur von einigen? Und was, wenn nun in dieser Firma ein Mitarbeiter zu einem anderen sagen würde: „Du, ich möchte, dass wir beide uns ab sofort siezen. Danke für Ihr Verständnis.“

Der Knigge fürs Großraumbüro
"Fenster zu!" Dem einen ist es zu kalt und zugig, dem anderen zu warm und stickig. Einer der Hauptstreitpunkte in Großraumbüros ist die Raumtemperatur. Das bestätigte auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Gut ein Viertel der Befragten gab an, dass es um die Temperatur im Büro immer wieder Diskussionen gibt. Da hilft nur, Frostbeulen und Kollegen mit Dauerhitzewallungen in getrennten Räumen unterzubringen. Quelle: dpa
Ein Mann und eine Frau reden in einem Büro Quelle: Rofeld Hempelmann
Meeting Quelle: Kzenon-Fotolia.com
Eine Frau telefoniert Quelle: Hanik - Fotolia.com
Ein Mann mit zugeklebtem Mund Quelle: Mirko Raatz - Fotolia
Eine Frau schreit aus einem Computer heraus Quelle: SnappyStock
Mann an einem Kopierer Quelle: Arne Pastoor - Fotolia

Oh, das wäre ein Affront! Beim einen ein Zeichen von Respekt, beim anderen ein Zeichen von Ablehnung. Kurios! Und wie schreiben Sie dann E-Mails an einen Geduzten und einen Gesiezten zusammen:

Lieber Herr Schneider,

liebe Michaela,

 

ich habe Ihnen/Dir das Konzept ausgearbeitet. Wenn Sie/Du noch Fragen haben/hast, dann erreichen Sie/erreichst Du mich am besten auf dem Mobiltelefon.

 

Eleganz auf Deutsch. Noch besser: Vorname statt Nachname, aber plus Sie. „Lutz, können Sie bitte mal kommen?“ Soll das nun höflich, verbunden, flapsig, formell, distanziert und vertraut gleichzeitig sein? Es ist zumindest eines: unentschlossen.

Oft zählt allein das Umfeld. Man käme kaum auf die Idee, die hübsche Flugbegleiterin in der Business-Class zu fragen: „Hast du noch ein Scheibchen Zitrone für meinen Gin Tonic?“ Das wäre ganz von oben herab. Schon fast sexistisch.

Jetzt dieselbe junge Frau in einer Cocktail-Bar hintern Tresen: Wer sie dort siezt, wirft sich selbst zum alten Eisen. Und wahrscheinlich würde auch die Bar-Frau ihre Gäste duzen.

Gebührt einem Fluggast mehr Respekt als einem Gast einer Cocktail-Bar? Und andersrum: Ist es mal wieder die Uniform, die uns so ehrfürchtig macht?

Oft zählt das Alter. Junge Menschen duzen sich meist untereinander. Ältere untereinander nicht wegen alter Schule. Und bei größerem Altersunterschied wird auch gesiezt. Aber wer einem End-Dreißiger einen Tritt in die Seele verpassen will, der siezt.

Das "Sie" ist veraltet

Im Fitnessstudio wird geduzt. Im Sportgeschäft nicht. Beim Tauch-Urlaub ja, im Schwimmbad nein. In der Medienbranche in der Redaktion ja, in der Verwaltung nicht automatisch. In der SPD schon, in der CDU nicht. Der junge Assistent wird im Geschäft wieder gesiezt, seitdem sich die Chefin auch nach Feierabend mit ihm trifft. Erkennen Sie in diesen Arten von Mitmenschlichkeit irgendein logisches System?

Der E-Mail-Knigge
Korrekte SignaturName, Firma, Position, Adresse und Telefonnummer sind ein absolutes Muss in der digitalen Signatur. So weiß der Empfänger stets mit wem er es zu tun hat und wie er ihn erreichen kann. Achten Sie darauf, dass Ihre Signatur auch mitgeschickt wird, wenn Sie auf Emails antworten oder die elektronische Post weiterleiten. Diese Einstellungen werden oftmals übersehen. Da eine berufliche Email seit 2007 als Geschäftsbrief gilt, müssen die erforderlichen Angaben des Unternehmens mitgesandt werden: Name der Firma, Handelsregisternummer, Rechtsform etc. Das passiert in den meisten Unternehmen automatisch. Quelle: Fotolia
Keine WerbungVermeiden Sie es unbedingt in die Signatur Werbebotschaften einzubauen. Ein einfacher Link zu einem bestimmten Angebot ist erlaubt, mehrzeilige Werbesprüche lenken vom eigentlichen Inhalt ab und wirken oftmals unübersichtlich. Außerdem sollte die Signatur auch bei kurzen Emails im richtigen Größenverhältnis zum restlichen Text stehen. Quelle: Fotolia
Individuelle Grußformeln  Legen Sie auf keinen Fall eine bestimmte Abschiedsformel in der Signatur fest. So können Sie je nach Verhältnis zum Email-Empfänger variieren. „Mit freundlichen Grüßen“ ist zwar die Standardverabschiedung, sie wirkt allerdings schräg, wenn sie an jemanden gerichtet wird, den man besser kennt, zum Beispiel einen Kollegen oder einen langjährigen Kunden, zu dem man ein gutes Verhältnis hat.  Quelle: Fotolia
Große Verteiler meidenJeder kennt es, jeden nervt es. Emails werden über einen Verteiler geschickt, obwohl nur ein oder zwei bestimmte Empfänger die Nachricht bekommen sollen. Machen Sie sich die Mühe und suchen Sie die persönlichen Email-Adressen raus. Die anderen auf der Verteilerliste sind sonst schnell genervt. Auch die Option „Allen antworten“ sollte nur genutzt werden, wenn Ihre Antwort wirklich für alle relevant ist. Quelle: Fotolia
Postfach pflegenAchten Sie darauf, dass Ihr digitales Postfach nicht überquillt. Ist nur noch wenig Platz im Posteingang, bekommen Geschäftspartner und Kollegen Fehlermeldungen, wenn sie versuchen Ihnen größere Anhänge zu schicken. Die Email kommt nicht an und der Absender hat mehr Arbeit, weil er Sie anrufen und auf das Problem hinweisen muss. Quelle: Fotolia
Abwesenheitsnotiz überprüfenVor allem während der Sommerferien und an Weihnachten sind viele Büros nur notbesetzt. In diesen Zeiten ist es besonders wichtig, darauf zu achten, dass in der Abwesenheitsnotiz ein Ersatzansprechpartner angegeben wird, der während des kompletten Urlaubs als Vertretung erreichbar ist. Eine Abwesenheitsnotiz von der Vertretung mit Verweis auf deren Vertretung ist inakzeptable. Quelle: Fotolia
Aussagekräftiger BetreffBei der täglichen Flut an Emails ist es wichtig den Überblick zu behalten. Hierbei helfen die Betreffzeilen. Emails ohne Betreff oder mit schwammiger Zeile wie „Frage“ oder „Pressemitteilung“ gehen unter oder werden spät beantwortet, weil der Inhalt nicht auf den ersten Blick erkennbar ist und damit auch nicht die Relevanz der Email. Quelle: Screenshot

Es wird ja auch schon von vorne herein falsch angelegt. In der Schule werden die Schüler von den Lehrern geduzt und die Schüler siezen den Lehrer. Diesmal nach der Regel: Kinder werden geduzt und Erwachsene nicht. Ab einer bestimmten Klassenstufe aber haben dann die Schüler mitunter einen Anspruch darauf, von den Lehrern gesiezt zu werden, obwohl sie bislang von ihnen geduzt wurden. Dabei haben wir ja gerade schon festgestellt, dass ein Wechsel von Du auf Sie nichts anderes ist als ein Schritt von einander weg.

Dennoch: Man wächst sozusagen mit der Pubertät in den angeordneten Respekt hinein. Nach den Sommerferien ist man plötzlich Sie-reif. Ein vergiftetes Sie.

Ich erinnere mich noch, wie wenig das mit Höflichkeit und Respekt zu tun hat. Einer meiner Lehrer sagte damals: „Wollt ihr gesiezt werden? Aber ich sag es gleich: Ich duze oder sieze nur klassenweise. Den Scheiß mit einzelnen Ausreißern, die sich für was Besonderes halten, könnt ihr vergessen.“

Wir boten damals jedem einzelnen Lehrer an: „Sie können uns gerne weiter duzen, wenn wir Sie auch duzen dürfen.“ Raten Sie mal, wie viele Lehrer sich darauf eingelassen haben.

Antwort: null. Begründung: „Sie Arschloch geht immer noch schwieriger über die Lippen als du Arschloch.“ Wie bei den Polizisten: Die Befürchtung, zu viel Nähe ruiniere den Respekt. Oje! Wo ist da das Selbstvertrauen geblieben? Und als wenn am Ende das Sie den letzten Funken Respekt noch am Glimmen halten könnte.

Wie machen wir weiter? Lasst uns uns duzen. Erster Schritt: Lasst uns nicht mehr beleidigt sein, wenn wir geduzt werden. Nicht, weil wir uns alle so doll lieb haben, sondern weil diese Zwei-Klassen-Ansprache einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Übrig geblieben aus dem alten Standesdenken, nachdem bei Hofe sogar die zweite Person Plural verwendet wurde („Habt Ihr noch Wünsche, gnädiger Herr?“), die sich auch längst erledigt hat.

Und weil das alberne Siezen-Duzen-Hickhack vor allem im Geschäftsverkehr in der aktuellen Übergangsphase nur zu Verunsicherung führt - und niemals zu mehr Souveränität zwischen Kollegen oder Kunden und Dienstleistern -, kann ein bisschen Tempo beim Abschaffen nichts schaden. Siezen nur noch als neue, dezente Art der Ablehnung - statt einer handfesten Beleidigung. Das hätte doch Stil.

Wie fühlen Sie sich, wenn ich Euch frage: Darf ich Euch Leser duzen? Komisch, ne? Schade eigentlich. War nämlich als Kompliment gemeint.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%