Es gibt Firmen, da gehört es zum guten Ton, wenn sich die Mitarbeiter untereinander duzen. Ich finde das nett. Aber ich habe mal bei einem privaten Fernsehsender gearbeitet, da haben sich alle untereinander geduzt, nur der Geschäftsführer wollte gesiezt werden - aber nicht von allen.
Wie lässt sich das erklären? Hat der Geschäftsführer mehr Höflichkeit verdient? Aber nur von einigen? Und was, wenn nun in dieser Firma ein Mitarbeiter zu einem anderen sagen würde: „Du, ich möchte, dass wir beide uns ab sofort siezen. Danke für Ihr Verständnis.“
Oh, das wäre ein Affront! Beim einen ein Zeichen von Respekt, beim anderen ein Zeichen von Ablehnung. Kurios! Und wie schreiben Sie dann E-Mails an einen Geduzten und einen Gesiezten zusammen:
Lieber Herr Schneider,
liebe Michaela,
ich habe Ihnen/Dir das Konzept ausgearbeitet. Wenn Sie/Du noch Fragen haben/hast, dann erreichen Sie/erreichst Du mich am besten auf dem Mobiltelefon.
Eleganz auf Deutsch. Noch besser: Vorname statt Nachname, aber plus Sie. „Lutz, können Sie bitte mal kommen?“ Soll das nun höflich, verbunden, flapsig, formell, distanziert und vertraut gleichzeitig sein? Es ist zumindest eines: unentschlossen.
Oft zählt allein das Umfeld. Man käme kaum auf die Idee, die hübsche Flugbegleiterin in der Business-Class zu fragen: „Hast du noch ein Scheibchen Zitrone für meinen Gin Tonic?“ Das wäre ganz von oben herab. Schon fast sexistisch.
Jetzt dieselbe junge Frau in einer Cocktail-Bar hintern Tresen: Wer sie dort siezt, wirft sich selbst zum alten Eisen. Und wahrscheinlich würde auch die Bar-Frau ihre Gäste duzen.
Gebührt einem Fluggast mehr Respekt als einem Gast einer Cocktail-Bar? Und andersrum: Ist es mal wieder die Uniform, die uns so ehrfürchtig macht?
Oft zählt das Alter. Junge Menschen duzen sich meist untereinander. Ältere untereinander nicht wegen alter Schule. Und bei größerem Altersunterschied wird auch gesiezt. Aber wer einem End-Dreißiger einen Tritt in die Seele verpassen will, der siezt.