Werner knallhart

Streicht den "Doktor" aus dem Personalausweis!

Seite 2/2

Nur noch Ramschstatus

Ärzte hingegen stehen schon ganz oben auf der Berufe-Prestige-Liste. Da geht nicht mehr. Mehr Kohle aus dem Gesundheitssystem zu pressen, das geht nicht so einfach wie bei einer privatwirtschaftlich betriebenen Fluggesellschaft. Und durch die Nachtdienste, Überstunden, die berühmten Zankereien mit dem aufmüpfigen Pflegepersonal und durch den privaten Medikamenten-Missbrauch aus dem Schränkchen mit den unverkäuflichen Mustern leidet mitunter der Teint und die Figur. Wer da nach zehn Berufsjahren noch einmal sexuell durchstarten will, braucht das Klingelschild.

Die unsinnigsten Berufsbezeichnungen
Rotationsdesigner Wer bei diesem Berufstitel an hoch-kreative Arbeit denkt, wird enttäuscht. Dahinter verbirgt sich ein bodenständiger Handwerksberuf: nämlich der des Drehers - übrigens in der Ausbildung heute zumeist "Zerspanungsmechaniker". Quelle: dpa
Facility Manager Laut Definition wäre bei dieser Berufsbezeichnung eigentlich die Rede von einem Ingenieur, der für die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit größerer Gebäudekomplexe verantwortlich ist. Im deutschen Berufsalltag ist es am Ende der Hausmeister, der laut Jobanzeige gesucht wird. Quelle: AP
Office Manager Wie heißt das Personal, dass die Büros der Chefs organisiert? Richtig! Office Manager! Gemeinhin auch besser bekannt als Sekretärinnen und Sekretäre. Terminplanung, Gesprächsannahme und so weiter fallen aber laut Ausschreibungen heute in den Bereich der Office Manager. Die Sekretärinnen in den Jobbeschreibungen sterben nach und nach aus. Quelle: dpa
Junior Clerk Die Berufsbezeichnung klingt modern und das "Junior" im Namen klingt so, als sei man mit diesem Titel kurz vor dem "Senior"-Posten in der Firma. Am Ende steht es in Kombination mit "Clerk" nur für die Tätigkeit eines einfachen Bürogehilfen. Quelle: dpa
Sales Manager oder Store Manager Wer diesen Titel trägt, macht durchaus "Managing"-Arbeiten. Die meisten rechnen hier aber nicht mit einem Verkaufsleiter einer Filiale, wie etwa im Supermarkt. Aber vor allem Arbeitnehmer dieser Branchen, schreiben diese Bezeichnung in ihren Lebenslauf. Quelle: obs
Öko-AuditorDer "Umweltgutachter" kontrolliert, dass umweltrelevante Verordnungen und Gesetzen eingehalten werden. Dass er den gleichen Job macht, wie der "Öko-Auditor", dürfte den meisten Gutachtern bekannt sein… Quelle: Fotolia
Key Account ManagerKlingt wunderschön kompliziert, ist es aber gar nicht: Wer als "Key Account Manager" arbeitet, hat den engsten Kundenkontakt in einer Firma, denn hinter dieser Berufsbezeichnung versteckt sich der Kundenberater. Spricht man vom "Key Accountant" ist es übrigens zumeist der "normale" Berater, hängt man das Wörtchen "Manager" hinten dran, handelt es sich um die Kontaktperson für die Großkunden. Quelle: dpa

Doch die Wirkung des Klingelschildes schwindet. Wer als promovierter Arzt heute Eindruck schinden will, muss in gesellschaftlichen Gruppen wildern, zu denen es sich noch nicht herumgesprochen hat: Der Doktor-Titel in der deutschen Medizin genießt in Europa praktisch nur noch Ramschstatus.

Früher war die Dissertation ein Symbol für die unbedingte Liebe des Wissenschaftlers zu seinem ganz eigenen Thema. Für ein einsames, karges, aber freies Leben, gewidmet allein der Erkenntnis.

Heute kriegt man hierzulande eine medizinische Dissertation in einem halben Jahr zusammengeklöppelt. Auch wenn die Unis in Deutschland langsam aufwachen und den Ruf ihrer medizinischen Fakultäten retten wollen: Er hat längst nachhaltig gelitten. Die Mediziner in Deutschland streuen in einigen Jahren schon so viele Doktortitel unter ihren Nachwuchs wie Juristen, Wirtschaftswissenschaftler, die Geistigen und die Ingenieure zusammen. Der wissenschaftliche Wert ist dabei nicht selten null. Und ausgerechnet die Ärzte gelten den Menschen landläufig als Herr und Frau Doktor. Haben die ein Glück.

Vielleicht gibt es bei all diesen Discount-Doktoren ja klammheimliche Missgunst der redlich Unpromovierten in den Reihen der Grünen. Die scheiterten in der vergangenen Legislaturperiode im Bundestag gemeinsam mit der restlichen Opposition mit einer Initiative, den "Dr." aus Reisepass und Ausweis zu streichen. International führt diese Angeberei im Pass nicht selten zu Verwirrung, denn nur in Deutschland prahlt man mit seinem Doktor. In welche Zeile im Computer soll also bitte beim Check-in im Bangkok dieses D und r eingetragen werden?

Doktor? No! Weg mit dem Doktor aus den Ausweisdokumenten. Den aus dem Leim gegangenen Ärzten bleibt ja noch das Klingelschild.

Letztendlich lässt sich der ganze Aufwand für die Angeberei für alle doch ohnehin ganz einfach abkürzen. Ganz ohne das halbe Jahr für eine hohle Dissertation zu verblasen. Nehmen Sie den Vornamen Dragomir an und kürzen Sie ihn auf dem Klingelschild ab. Den Titel nimmt Ihnen keine Prüfkommission.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%