Work-Life-Balance Was bringen Wohlfühlmanager wirklich?

Spreadshirt und researchgate haben sie, genauso wie Jimdo und Billiger-Mietwagen.de: Feelgood-Manager. Hitzig wurde über Sinn und Unsinn dieser Position diskutiert. Höchste Zeit für eine Bestandsaufnahme.

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Füße hoch im Büro. Quelle: Fotolia

Arbeitsrechtlich gesehen erstreckt sich die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auf die Pflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit. Die zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel und die Arbeitsumgebung müssen also sicher sein und dürfen nicht krank machen. Außerdem muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor Überanstrengung bewahren. Zu viele Überstunden sind nicht gut und zwischen Feierabend und Dienstbeginn muss eine gewisse Zeitspanne liegen. Sonst wird der Angestellte krank und kostet nur Geld, anstatt welches zu verdienen. Das Hauptinteresse liegt also auf der Sicherstellung der Betriebsabläufe im Interesse des Unternehmens, nicht des Einzelnen.   

Sich nur darauf zu konzentrieren, kostet jedoch langfristig gesehen ebenfalls Geld: Die steigende Stressbelastung kostet nach Angaben des Handelsblattes sechs Milliarden Euro jährlich. Der Präsentismus, also die Anwesenheit von Arbeitnehmern trotz Krankheit, schlägt laut einer Studie von Booz & Company mit 2.399 Euro pro Mitarbeiter und Jahr zu Buche. Damit ergibt sich ein gesamtwirtschaftlicher Schaden von neun Prozent des Bruttoinlandsproduktes: 225 Milliarden. Euro. Alles nur, weil es den Mitarbeitern trotz sicherer Arbeitsumgebung und entsprechender Schutzkleidung nicht gut geht. Unternehmen sollten sich also gezwungen sehen, anders zu investieren.

So finden Sie den Spaß im Job wieder!

Im Weg steht jedoch unsere Denkkultur: Haben Sie schon mal im Word-Thesaurus "Arbeit" eingegeben? Da erscheinen als erste Synonyme die Worte „Plage“ und „Schwierigkeit“. Interessant, stimmt’s?

Das Wort "Arbeit" hat immer einen negativen Beigeschmack

Der Philosoph Professor Dieter Thomä von der Universität St. Gallen hat sich mit der Dualität des Denkens bezüglich der Arbeit befasst. So wird Arbeit eher als Aktivität im Unterschied zur Passivität verstanden, die häufig mit Muße gleichgesetzt wird. Wir kennen die Trennung von Arbeit als Notwendigkeit und Spiel als Freiheit. Im Unterschied zur Freizeit begreifen wir Arbeit als Unfreizeit und Arbeit hat oft den Charakter eines Mittels zum Zweck. Arbeit kommt in verschiedenen Begriffen vor wie Hausarbeit, Beziehungsarbeit, Vereinsarbeit und hat immer einen negativen Beigeschmack. Dies wird auch im Begriff „work-life-balance“ deutlich.

Leben wir nicht, wenn wir arbeiten, und arbeiten wir nicht, wenn wir leben? Wir erleben auf der einen Seite schmerzlich die fehlende Balance zwischen Engagement in der Arbeit und Raum für Erholung und persönliche Interessen. Auf der anderen wählen wir das Wort zu einem der Unwörter des Jahres 2012. In keinem anderen Land der Welt wird Arbeit als so belastend empfunden wie in Deutschland. "Die Arbeit" gewinnt jede Stressumfrage.

Schlimmer geht immer – Wo noch mehr gearbeitet wird!

Allerdings folgen auf Platz zwei die eigenen Ansprüche an uns selbst. Eine gesellschaftlich geförderte Haltung der Selbstüberforderung in Arbeit und Privatleben, die widerspruchslos akzeptierten Maßstäbe einer Hochleistungsgesellschaft und die Duldung eines fremdbestimmten Stresslebens runden unsere Haltung gegenüber der Arbeit ab: Last und Frust statt Lust und Genuss.

Gute Nachrichten aus der Forschung

Die Glücksforschung hat herausgefunden, dass Investitionen in die Steigerung der Produktivität durchaus zu Erfolgen führen, sich aber nicht endlos steigern lassen. Die Freude über das Erreichte hält oft nur kurz an, wird durch den davorliegenden Aufwand getrübt oder ganz und gar vernichtet durch das nächsthöhere Ziel, das unmittelbar folgt. Drehen wir den Spieß um, dann haben Menschen, die sich wohlfühlen ganz klar die besseren Karten:

In einer Metaanalyse von Lyubomirsky, King und Diener zu Auswirkungen von Wohlbefinden auf die Arbeit fanden die Autoren, dass glückliche Arbeitnehmer positiver eingeschätzt werden, produktiver sind und weniger kontraproduktives Verhalten wie Mobbing zeigen. Sie haben weniger Burnout und sind zufriedener mit der Arbeit. Sie haben eine bessere Arbeitsqualität, Zuverlässigkeit und Kreativität, setzen sich höhere Ziele und arbeiten effizienter. Eine gute Stimmung im Unternehmen ist direkt korreliert mit Produktivität, weniger Fehlzeiten, weniger Fluktuation und Konflikten mit anderen Kollegen. Die Arbeitsleistung kann also durch das Wohlbefinden der Mitarbeiter signifikant gesteigert werden. Eine Studie der Managementberatung Kienbaum und ihres Partners ORC International fand entsprechend heraus, dass das persönliche Wohlbefinden maßgeblich über das Engagement am Arbeitsplatz entscheidet. Das Fazit: Wem es gut geht, der tut mehr.

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