Damit scheint er bei Betrieben und Privatleuten offene Türen einzurennen. In dem kleinen Flur, der den Wutraum Büro und den Wutraum Wohnzimmer miteinander verbindet, stehen vier große Bürokopierer hintereinander und warten auf ihren Auftritt. Mittlerweile melden sich die Betriebe, die ihre alten Einrichtungsgegenstände loswerden wollen, direkt bei ihm. Zuvor hatte er noch Klinken putzen müssen.
Dass die Kunden das Angebot so gut annehmen, erklärt sich Mersch mit dem Leistungsdruck, unter dem immer mehr Menschen stehen. Entsprechend wundert es ihn nicht, dass am Standort München das Demolieren von Büromöbeln der Renner unter seinen Angeboten ist. „Wer im Büro arbeitet, kennt das: Da hat man Ärger mit dem Chef und dann da hängt der Kopierer wieder, Papierstau. Und dann kann man endlich das Ganze bereinigen, auf andere Art.“
Was bei der Arbeit stresst
Was sorgt im Büro für Stress? Der Personaldienstleister Robert Half hat im höheren Management nach den wichtigsten Gründen gefragt. Dabei gaben 18 Prozent der Befragten zu viel Verantwortung oder ständiges an die-Arbeit-denken auch in der Freizeit als Grund für Stress bei der Arbeit an. Nur in Tschechien können die Beschäftigten außerhalb des Arbeitsplatzes schwerer abschalten - dort gaben 28 Prozent an, dauernd an die Arbeit denken zu müssen. Auf der anderen Seite der Skala ist Luxemburg: nur fünf Prozent haben dort dieses Problem.
Keinen Stress haben dagegen nur sieben Prozent der deutschen Befragten. Genauso niedrig ist der Anteil derer, die ihren aktuellen Job nicht mögen.
Unangemessener Druck vom Chef nannten 27 Prozent der Befragten hierzulande als Stressgrund. In Brasilien sind es dagegen 44 Prozent.
Wenn der Chef sich eher um sein Handicap kümmert, statt ordentlich zu führen: 28 Prozent der Befragten sind mit der Managementfähigkeit des Chefs unglücklich. Das Unvermögen des führenden Managers, das zu Stress führt, scheint in Luxemburg relativ unbekannt zu sein - nur 11 Prozent der Befragten sind dort mit den Befragten unglücklich, in Dubai sind es gar neun Prozent.
Dass unangenehme Kollegen oder fieser Büroklatsch zu Stress führen kann, ist allgemein bekannt. Dementsprechend führen auch 31 Prozent der Befragten das als Stressgrund an - der Anteil derer, die das ähnlich sehen, liegen in allen anderen Ländern fast gleich hoch - außer in Brasilien: 60 Prozent der Befragten geben unangenehme Kollegen und fiesen Büroklatsch als Stressgrund an.
Ein weitere Stressgrund: personelle Unterbesetzung. 41 Prozent der Befragten sehen das als wichtigen Grund für Stress bei der Arbeit an - ein Wert, der fast in allen Ländern ähnlich ist.
Doch am problematischsten, laut der Studie: die hohe Arbeitsbelastung. 51 Prozent der Befragten gaben dies als Stressgrund an. Deutschland liegt damit im Schnitt, auch in den anderen elf Ländern ist ein ähnlich hoher Anteil der gleichen Meinung.
Manche Kunden bringen sogar eigene Baseball- oder Golfschläger mit oder haben spezielle Einrichtungswünsche, um sich möglichst individuell auslassen zu können. Untermalt wird die Zerstörungsorgie mit Musik – wahlweise dem eigenen Lieblingssong oder etwas aus der Playlist von Mersch und seinem Team. Wer möchte, kann sich auch Unterstützung mitbringen – gemeinsames Zerstören verbindet. Jedoch dürfen aus Sicherheitsgründen maximal zwei Menschen eine Einrichtung kaputt schlagen. Weitere Freunde und Kollegen können das Spektakel an der Theke auf dem Monitor verfolgen. Drinks inklusive. Die Akteure selbst können sich anschließend ein Gläschen genehmigen. Während des Zerdepperns müssen sie nüchtern sein.
Was Psychologen vom Zertrümmern halten
Doch nach der Zerstörungsorgie ist bei den meisten erstmal das Bedürfnis nach Ruhe angesagt: Das Zertrümmern erschöpft nicht nur den Körper, sondern auch den Geist. Das Gute ist: Danach haben die meisten keine Lust mehr, sich über Kunden, Kollegen oder den Bahnstreik aufzuregen. „Wenn man eine halbe Stunde lang so ein Zimmer verwüstet hat, ist man danach selbst am Ende“, erklärt Mersch. Erschöpft, aber zumindest kurzfristig nicht mehr frustriert oder wütend.
Mal so richtig auszurasten - ist das wirklich hilfreich als Stressabbau? „Mal zu schreien oder etwas kaputt zu machen geht schon“, meint Psychologin Ilona Bürgel. Man dürfe es bloß nicht als Dauerlösung gegen Stress im Job einsetzen; eher als ein kurzfristiges Ventil.
Wutforscher Manuel Tusch erklärt, dass die meisten Probleme am Arbeitsplatz ihre Ursache in einer unglücklichen Kommunikation finden. „Es entstehen häufig Missverständnisse mit Kollegen oder Vorgesetzten, die wir nicht ganz zuordnen können. Wir sollten uns trauen, dies anzusprechen. Meist stellt sich heraus, dass der Kollege uns nicht absichtlich wütend machen wollte und es nicht böse gemeint hat“, so Tusch im Interview mit der WirtschaftsWoche.
Auch Bleyl bewertet seine Attacke auf das Büro im Wutraum lediglich als Ventil, nicht als Therapieansatz, wie er sagt. Trotzdem würde er das Angebot auf jeden Fall noch einmal nutzen. Einfach weil es Spaß gemacht habe, einmal etwas im großen Stil kaputt machen zu dürfen – ohne sich anschließend ums Aufräumen kümmern zu müssen.