Zukunft der Arbeit Warum die Frauenquote allein nicht reicht

Die Frauenquote ist beschlossen – doch jetzt fängt die Arbeit erst an. Unternehmen, die zukunftsfähig sein möchten, müssen ihre Kultur verändern. Vielfalt betrifft nicht nur die Geschlechter. Ein Gastkommentar.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der ehemalige Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger ist ein Verfechter des Diversity-Managements. Quelle: dpa

Berlin Nun haben wir also die Frauenquote. Ist jetzt alles gut? Mitnichten. Eigentlich müssten wir traurig sein! Unternehmer und Arbeitgeber, öffentliche wie private, hatten viel Zeit – und sie haben ihre Chance, proaktiv zu handeln und elegante Lösungen für eine Kultur der Diversity zu schaffen, vertan.

Die „Selbstverpflichtung zur Förderung von Chancengleichheit“, die die damalige Bundesregierung und die Arbeitgeberverbände bereits im Jahr 2001 (!) beschlossen haben, ist – was Frauen in Führungspositionen betrifft – in der Folgezeit nahezu ergebnislos verpufft, genauso wie die freiwilligen Selbstverpflichtungen der meisten Dax-30-Konzerne. Es stellt sich die Frage: Muss denn immer erst der Gesetzgeber das Handlungsvakuum der Unternehmen füllen? Mit welchem Recht glauben Unternehmen, sie könnten ihre soziale Sensorik ausschalten und soziale Themen einfach aussitzen – und hinterher aufjaulen?

Unternehmen sind, wie der große Managementdenker Peter F. Drucker sagte, wie Organe in einem Körper und haben damit die Aufgabe, der Gesellschaft zu dienen. Sie dürfen nicht autistisch handeln und zugunsten reinen Gewinnstrebens die soziale Realität um sich außer Acht lassen. Das ist in anderen Ländern – wie zum Beispiel im skandinavischen Raum – früh erkannt worden. Dort wurde nicht nur klug in Erziehung und Bildung investiert, man hat sich auch schon lange Gedanken gemacht, wie Leben, Chancenfairness und Arbeiten eine symbiotische Beziehung eingehen können.

Deutschland hingegen ist, wenn es um das Thema Arbeit geht, in vielen Punkten unterentwickelt. Das gilt nicht nur beim Thema Frauenförderung und Familie, sondern auch bei den Themen Führung, Gesundheit, Wissensmanagement und Innovationskultur. Nicht zuletzt aus diesem Grund setzt sich die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gegründete „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ seit mehr als zehn Jahren damit auseinander, dass Arbeit für Unternehmen rentabel und gleichzeitig für Mitarbeiter gesund, motivierend und attraktiv gestaltet werden muss. Der pure Effizienzkapitalismus ist ein Auslaufmodell und ignoriert Lebenswirklichkeiten.

Neben dem Verzicht auf Unternehmensautismus braucht es auch ein scheuklappenfreies Bekenntnis zu einer diversity-orientierten Kultur. Denn wer glaubt, es sei damit getan, eine neue, künstlich erzeugte Frauenelite in einer alten Unternehmenskultur heranzuziehen, der wird scheitern.


„Wenn eine Frau durchgreift, ist sie zickig“

Mit der Frauenquote fängt die Arbeit eigentlich erst an. Quotenregelungen, die technisch über Rekrutierung erfüllt werden, können nicht funktionieren. Elke Strathmann, Ex-Continental-Personalvorstand, bringt es auf den Punkt: „Wenn ein Mann klare Kante zeigt, dann ist er ein Entscheider“, sagte die ehemalige Personalverantwortliche dem „Manager Magazin“ im Juli des vergangenen Jahres. „Wenn eine Frau durchgreift, will sie sich etwas beweisen oder ist zickig.“

Das althergebrachte Immunsystem eines Unternehmens reagiert auf gefühlt-weiblichen, aber auch auf gefühlt-männlichen Stil einer Frau meist wie auf eine Störung – und mit erwartbaren Abstoßungsreaktionen. Aus diesem Grund muss Frauenförderung in einen größeren Kontext – nämlich Diversityarbeit – eingebettet werden. Unternehmen, die zukunftsfähig sein möchten, müssen Kulturarbeit leisten. Warum wird die Einstellung von behinderten Menschen durch Ausgleichsabgaben abgefedert? Warum haben nur sechs Prozent der deutschen Führungskräfte einen Migrationshintergrund? Warum scheitern innovative Querdenker? Auch diese Fragen müssen sich Unternehmen stellen – und Antworten darauf finden.

Das alles erfordert eine neue Qualität der Personalarbeit. Denn diese hat den Unternehmen die aktuelle Suppe ein Stück weit mit eingebrockt: durch Nichthandeln, durch ein Verschlafen des eminent wichtigen Themenkomplexes Diversity, der in anderen Ländern schon seit zwei Jahrzehnten fortschrittlicher bespielt wird. Vor uns liegt also noch ein weiter Weg. Unternehmen, die in Zukunft noch Erfolg haben möchten, müssen ihn gehen. Je eher, desto besser.

Über den Autor: Thomas Sattelberger, geboren 1949, arbeitete jahrelang als Top-Manager in deutschen Konzernen, unter anderem von 2007 bis 2012 als Personalvorstand bei der Deutschen Telekom. Er ist Verfechter des Diversity-Managements. Seit 2012 ist er Sprecher der „Initiative Neue Qualität der Arbeit“.

Diskutieren Sie diesen Beitrag auch in unserer Linkedin-Gruppe Leader.In; einem Businessnetzwerk mit dem Ziel, Female Leadership in Politik und Wirtschaft zu fördern sowie erfolgreiche Frauen und einflussreiche Männer zu vernetzen, um die Innovations- und Wirtschaftskraft Deutschlands zu stärken. Sie erhalten dort außerdem aktuelle Informationen und Tipps zum Thema Frauen in Führung und sind herzlich zum Austausch darüber eingeladen. Leader.In ist eine Kooperation des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) zusammen mit dem Medienpartner Handelsblatt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%