Bildung iPad & Co. erobern das Klassenzimmer

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Vorbild Musikindustrie

Didacta Quelle: dpa

Darin zeigt sich, dass der Wandel zum Digitalen auch die Branchengrößen infrage stellen könnte. Denn bisher agieren die in einem der am besten geschützten Märkte. Schulbücher werden nicht auf dem freien Markt gehandelt, sondern müssen von den Landesministerien zugelassen werden. Das geschieht alle paar Jahre, immer wenn der Lehrplan geändert wird. Dabei vertrauen die Ministerien am liebsten auf die Produkte der großen Verlage, schließlich funktioniert die Zusammenarbeit mit denen seit Jahrzehnten, und auch das Personal wechselt gerne mal von hier nach dort.

Dieses Modell jedoch stellen die Tablet-Computer dadurch infrage, dass sie als Äquivalent zum Buch taugen und zugleich freien Inhalten zugänglich sind. Was spräche in Zukunft dagegen, die Lernsoftware innovativer Kleinverlage zu nutzen und die offiziellen Schulbücher nur noch den Lehrern zur Unterrichtsvorbereitung an die Hand zu geben? Zumindest Geld sparen ließe sich damit wohl eine Menge.

Verlage pochen auf das Urheberrecht

Die Verlage reagieren auf diese Aussicht bisher so, wie es schon Musik- und Filmindustrie mit durchschlagendem Misserfolg vorgemacht haben: Sie pochen immer heftiger auf die Einhaltung von Urheberrechten. „Wir müssen die Lehrer stärker dafür sensibilisieren, was urheberrechtlich geht und was nicht“, verpackte Tilo Knoche, Geschäftsführer des Ernst Klett Verlags die Drohung vor der versammelten deutschen Lehrerschaft auf der Bildungsmesse Didacta jüngst in kümmernde Worte: „Schließlich sind es die Lehrer selbst, die an der Entwicklung von Schulbüchern mitarbeiten und so um ihr geistiges Eigentum gebracht werden.“ In der Realität heißt das, dass die Verlage gegen jede Fotokopie rechtlich vorgehen, die sie in Unterrichtsmaterialien von Lehrern entdecken. Mit einer von den Gegnern als „Schultrojaner“ titulierten Software wollten sie die Überwachung in den Schulen Ende vergangenen Jahres auf die Spitze treiben, erst ein bundesweiter Aufschrei von Lehrern und schließlich ein Erlass der Kultusministerkonferenz konnte sie stoppen.

Doch es spricht wenig dafür, dass sie mit dieser Haltung weit kommen werden. André Spang, der an einem Kölner Gymnasium Religion und Musik unterrichtet, beginnt bereits, sein eigenes Schulbuch zu entwickeln. Seit einiger Zeit hat er Teile des Unterrichts in ein schuleigenes Wiki verlagert, das von den Schülern regelmäßig gepflegt wird. Schon kurz nachdem Apple im Januar seine Software iBookAuthor veröffentlichte, begann Spang, aus den Inhalten ein Lehrwerk zu gestalten. „Wenn das fertig ist, werden wir es auch zum Download anbieten“, sagt er.

Bis das auch die Verlage in Bedrängnis bringt, ist es wohl nur eine Frage der Zeit – und des Geldes. Im Moment wird zwar noch in keinem Kultusministerium das bewährte System der Vorzensur von Schulbüchern auf den Prüfstand gestellt. Aber sobald es billige Apps mit vergleichbaren Inhalten geben wird, muss nur noch ein Ministerialrat auf die Idee kommen, den Taschenrechner aus dem Schubfach zu holen, und das faktische Monopol der etablierten Verlage würde wackeln.

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