Büroeinrichtung Was der Arbeitsplatz über Motivation und Charakter verrät

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Ähnliches gilt für den Hintergrund. Wo der Schreibtisch die Bühne ist, erzeugen Regale, Farben und Wandschmuck das passende Bühnenbild, im Fachjargon auch „Backing“ genannt.

Zu sehen ist das auf jeder Pressekonferenz: Staatschefs treffen sich vor Landesflaggen, Parteivorsitzende vor Wahlkampfslogans, Vorstandsvorsitzende vor dem Unternehmenslogo. Wer regelmäßig Gäste in seinem Büro empfängt, sollte sich deshalb genau überlegen, was hinter seinem Stuhl zu sehen ist – denn darauf schauen die Besucher im Zweifelsfall stundenlang und nehmen die Signale permanent aus dem Augenwinkel wahr.

Sind Ihre Regale etwa offen und einsehbar oder durch Glas- oder Holztüren abgeschirmt? Ersteres spricht für Extraversion, Offenheit, Selbstvertrauen; das Zweite für das Gegenteil. Ein gut bestücktes Bücherregal, bestehend aus Fachliteratur und Lexika, unterstreicht unaufdringlich Fachwissen. Auch Weltkarten, das Firmenlogo oder Auszeichnungen können ein starkes Backing abgeben – allerdings nur, wenn die davor sitzende Person diesen Anspruch halten kann. Soll heißen: Finger weg von der Weltkarte, wenn Ihr Unternehmen gerade erst die Expansion ins Nachbarland plant!

Am ungünstigsten sitzt, wer ein Fenster im Rücken hat. Hier wird der Blick des Besuchers zu sehr abgelenkt, und schlechtes Wetter draußen rückt den Bewohner drinnen immer in ein fahles Licht. Abhilfe schaffen buschige Pflanzen und wuchtige Deko-Accessoires wie Büsten oder Statuen auf dem Fensterbrett.

Was hinter den meisten Schreibtischen hängt, hat der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich kürzlich untersucht und in seinem Buch „Mit dem Rücken zur Kunst“ nicht ohne Spott festgestellt: So wie sich mächtige Männer früher vor Ölschinken in Szene setzten, hängen sie sich heute moderne Kunst in den Rücken. Am besten abstrakt.

Die Signalwirkung bleibt allerdings gleich: Großformatige Bilder schinden Eindruck und schaffen Distanz. So steht moderne Kunst zwar einerseits für Dynamik, Innovation und Mut – Eigenschaften, die Führungskräfte gerne ausstrahlen wollen. Gleichzeitig gilt sie immer aber auch als schwer verständlich und elitär. Hierarchieebenen werden so klar abgesteckt.

Das richtige Beiwerk

Vorsicht ist zudem bei Porträts von berühmten Firmengründern geboten. Schaut der verbiestert, „wirkt sein Blick wie eine fortwährende Kontrolle und Kritik“, sagt Beraterin Lipczinsky. Familienfotos hingegen, besonders der sichtbare Beweis von mehr als drei Kindern, sind inzwischen eine Art Statussymbol. Aussage: Ich kann mir so viele Kinder leisten.

Verbindender ist die Botschaft von Pflanzen. Ihr Grün belebt den grauen Büroalltag und sendet positive Signale: Wer Pflanzen gedeihen lässt, „muss ein gutes Händchen für Wachstum haben“, so die unbewusste Wahrnehmung, sagt US-Psychologe Gosling. Selbst Vorgesetzte erhalten eine Nachricht via Blumentopf: Wer sich Pflanzen ins Büro stellt, wird seinem Unternehmen länger treu bleiben.

Fast noch wichtiger ist allerdings die passende Auswahl der Vase oder des Pflanzkübels. Selbst das exklusivste Grün erinnert in einem schnöden Topf an einen Manager im Maßanzug und Flipflops. Wer modern, engagiert und ehrgeizig wirken will, wählt heute große Größen, also Kübelhöhen von bis zu 1,60 Meter sowie Materialien wie Stahl, Stein oder Holz oder aufwendig hergestellte Gefäße aus handgeflochtenem Hanf, geschliffenem Bambus oder lackierten Blättern. Was dagegen gar nicht geht, sind Ton-, Plastik- oder gar weiße Übertöpfe samt Untersetzer. Die Assoziation: altbacken, fantasielos, geizig.

Es gibt allerdings auch ein Zuviel an Individualität: Wer sein Büro überzieht mit Kinderzeichnungen, Familienfotos und Urlaubspostkarten provoziert Fragen wie: Ist so jemand im Job wirklich bei der Sache? Und welches Gewicht hat der Job in seinem Leben? „Bei Managern erwartet man deutlich weniger privaten Krimskrams und Kitsch“, sagt Architekturpsychologe Hertel. Natürlich müssen sie nicht auf die Erinnerungen an zu Hause verzichten, diese aber deutlich dosierter drapieren.

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