Berufe der Zukunft Für digitale Bildung fehlt das Geld

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Betriebe sehen Schulen in der Pflicht

Das merken auch die Betriebe. Eines der Ergebnisse der Samsung-Umfrage: 90 Prozent der Unternehmen sehen die Schulen in der Pflicht, Grundlagen für die digitale Kompetenz zu schaffen. Zwar ist sich mehr als die Hälfte aller Befragten darin einig, dass die Stärkung digitaler Kompetenzen auch ihr eigener Job ist. Doch der Grundstein müsse in der Schule gelegt werden.

Die sind davon noch ziemlich weit entfernt – an sehr vielen Schulen sind Smartphones und Tablets sogar verboten. Dabei könnte man die durchaus sinnvoll einsetzen. „Die Kinder haben Übersetzungs-Apps und Google Earth auf dem Handy und schleppen dann Atlas und Wörterbuch im Ranzen zur Schule, der deshalb 18 Kilogramm wiegt“, bemängelt FDP-Fraktionschef Christian Lindner bei seinem Besuch auf der didacta. Das habe doch nichts mehr mit Inhalten zu tun. Um nicht zu sagen: Schön, dass Schüler lernen, Straßenkarten zu lesen, die es im Alltag nicht mehr gibt, man sich aber weigert, ihnen den Umgang mit Navigationssoftware beizubringen.

"Ausprobieren und Erfahrungen sammeln"

Dass und wie es anders gehen kann, zeigt etwa Benjamin Seelisch auf der didacta. Er ist Englisch- und Biologielehrer am Neuen Gymnasium Rüsselsheim. Die Schule wird seit 2013 über die Initiative „Digitale Bildung neu denken“ von Samsung unterstützt und gilt bundesweit als Vorreiterschule für den digitalen Unterricht. Besagte Initiative fördert seit 2013 die Digitalisierung des Unterrichts auf spielerische Weise: Schulen können sich mit digitalen Projekten bei dem Wettbewerb "Ideen Bewegen" bewerben. Ausgewählte Projekte bekommen für sechs Wochen ein komplett ausgestattetes digitales Klassenzimmer von Samsung, konkret Samsung School Solution, zur Verfügung gestellt und können damit „einfach mal ausprobieren und Erfahrungen sammeln“, wie Steffen Ganders, Head of Corporate Affairs bei Samsung, erklärt.

So wächst das Geschäft mit dem E-Learning

Man wolle junge Menschen fit machen für den sinnvollen Umgang mit Technologie und technischen Geräten und fördere deshalb sowohl Schulen und Hochschulen als auch Projekte der beruflichen Bildung und im außerschulischen Bereich. Und das ist nötig, wie Lehrer Seelisch sagt. Er verweist auf die ICILS-Studie aus dem Jahr 2014, wonach Achtklässler in Deutschland in punkto kompetente Internetnutzung nur im Mittelfeld liegen. Zumindest ein Drittel hat nur rudimentäre Kenntnisse im Umgang mit neuen Technologien. Eine vernünftige E-Mail schreiben, etwas suchen? Fehlanzeige.

Beispielaufgabe Kompetenzstufe III im ICILS-Test

An seiner Schule werden deshalb klassische Inhalte mit modernen Geräten gelehrt. Selbst die Tafeln sind digital – Kreide und Schwamm gibt es nicht. „Unsere Schulleiterin sagt immer ‚Pech gehabt, die Tafel war zuerst da‘, wenn sich jemand beschwert." Auch Ganders ist überzeugt, dass sich digitale Technik und klassische Lehrinhalte vereinbaren lassen. Ob das zu analysierende Gedicht oder Goethes Meisterwerk Faust nun in einem Reclam-Heftchen stehen oder auf einem Display, das auch im Mathe- oder Sportunterricht verwendet werden kann, mache für den Lernerfolg keinen Unterschied. Lesen und verstehen passiere schließlich im Kopf, ist sich Ganders sicher.

Selbst die Gefahr, dass die Jugendlichen statt zu lernen mit ihrem Tablet Quatsch machen, besteht laut Seelisch nicht. Die Geräte sind vernetzt und der Lehrer sieht, wenn einer seiner Schützlinge statt bei Wikipedia bei Facebook surft. Davon abgesehen lernen junge Menschen das Autofahren ja auch im modernen Golf und nicht in einem Ford Modell A, damit der Fahrschüler nicht vom Radio abgelenkt wird.

800 Millionen Euro Anschaffungskosten

Selbst Eltern fordern mittlerweile, dass Schulen in Deutschland die digitale Bildung vorantreiben. Bleibt nur ein Problem: Die Digitalisierung der Bildung kostet Geld. Zwar sind Tablets wesentlich billiger als Laptops, sodass heute schon die flächendeckende Versorgung aller Schulen mit entsprechenden Geräten nur noch halb so teuer wäre, wie noch vor zehn Jahren. Aber nach Igels Erfahrung ist trotz ausgeglichenem Haushalt auch die geringste Summe noch zu hoch. „Mit Bildung lassen sich keine Wahlen gewinnen“, sagt er. Und erzählt, wie binnen drei Jahren aus einem Landesprojekt, dem er beratend zur Seite stand, aus „flächendeckender Versorgung aller Schulklassen mit Tablets“ die „Pilotierung in ausgewählten Schulen“ wurde.

Der Verband BITKOM geht im Übrigen davon aus, dass es 600 bis 800 Millionen Euro kostet, alle acht Millionen Schüler in ganz Deutschland mit Tablet-Computern auszustatten. Zum Vergleich: Bundespräsident Joachim Gauck ist im aktuellen Bundeshaushalt mit 0,03 Milliarden Euro eingeplant – würde Herr Gauck also drei Jahre ehrenamtlich arbeiten, wären die Anschaffungskosten locker drin. Da vermutlich weder er noch seine Amtsnachfolger zugunsten von digitalen Geräten auf ihre Bezüge verzichten werden, bleibt es also wie gehabt: Politik, Lehrer und Ministerien sind bei digitalem Unterricht so lange mit Verve dabei, wie die Fördertöpfe voll sind.

Danach geht das Tablet zurück an den Förderer und die Schüler schreiben wieder von der Kreidetafel ab.

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