Bildungsaufsteiger "Wer aufsteigen will, muss sich von seiner Herkunft trennen"

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Ähnliche Denkmuster, ähnliche Interessen

Menschen, die aus den gleichen sozialen Milieus kommen, sind sich sehr ähnlich - in ihren Denkmustern, ihren Interessen. Eine Schwierigkeit sieht er deshalb noch an einer anderen Stelle: "Wenn Jugendliche nun aber doch Abitur machen oder studieren, verändert sich zumindest ein Teil ihres Alltags - und es findet ein Loslösungsprozess statt." Die sozialen Aufsteiger entfremden sich von ihrer Herkunft, ohne irgendwo anzukommen.

Ein Ergebnis, das auch Katja Urbatsch, Gründerin der Initiative Arbeiterkind.de, erkannt hat. Den Kindern fehle es schlicht an Vorbildern aus ihrem familiären Umfeld: „Wenn man aus einer Familie kommt, in der noch keiner studiert hat, dann müssen sie erst einmal auf die Idee kommen, dass sie studieren können. Wenn sie sich dann für diesen neuen Weg entscheiden, sind sie als Studierender der ersten Generation auf sich allein gestellt, haben aus ihrem Umfeld, niemanden, der ihnen helfen kann und müssen sich alle Informationen und Wege zum und durchs Studium selbst aneignen“, erzählt sie aus ihren Erfahrungen.

Der Weg, den sie nun vor sich haben, ist oft mühsam – manchmal einsam und oft voller Widerstände von Lehrern, Eltern und dem Umfeld, die Wünsche als Hirngespinste deklarieren und die Unterstützung versagen. Deshalb brauchen Bildungsaufsteiger die Hilfe von Mentoren oder Paten, sagt auch El-Mafaalani: Talent, Fleiß und Lernbereitschaft sind zwar eine notwendige Bedingungen für den Erfolg, aber das allein reiche nicht.

An dieser Stelle setzt die Initiative Arbeiterkind.de an, die im Mai 2008 gegründet wurde. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der Nicht-Akademikerkinder an den Hochschulen zu erhöhen und sie in Fragen zum Studium unterstützt und begleitet – mit Paten und Gruppen in ganz Deutschland, die den Aufstieg schon geschafft haben. So wie Katja Urbatsch, die Gründerin der Initiative: „Als ich an der Universität angekommen war, hat mir zunächst das Selbstbewusstsein gefehlt, und ich musste mich in dieser akademischen Welt zurechtfinden. Ich hatte den Eindruck, dass viele meiner Mitstudenten einen größeren Wortschatz hatten, sich besser ausdrücken konnten und auch Unterstützung von ihren Eltern erhalten haben, wenn es um die Vorbereitung auf Referate oder das Schreiben von Hausarbeiten ging.“ Sie aber war auf sich allein gestellt und hat sich sehr unsicher gefühlt, ob sie dazu gehört oder überhaupt gut genug ist.

Auch Buchautor und Journalist Marco Maurer ist in dieser Welt mittlerweile angekommen, hat sich gegen alle Widerstände behauptet. Und hat eine Aussage seines Umfeldes konsequent ignoriert. „Du schaffst das doch eh nicht“.

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