"Kinder starren doch sowieso den ganzen Tag auf ihr Smartphone, da ist Mediennutzung doch gar kein Thema", scheint das Motto vieler Lehrer zu sein. Denn obwohl überall technische Fähigkeiten, IT-Verständnis und Medienkompetenz gefragt sind, arbeiten einige Pädagogen noch mit Rechenschiebern und Diaprojektoren. So scheint es jedenfalls, wenn man sich die Studie „Schule digital - Länderindikator 2015“ ansieht.
Demnach nutzen Lehrer in Bayern digitale Medien im Bundesvergleich noch am häufigsten in ihrem Unterricht: 70 Prozent der Pädagogen der Sekundarstufe 1 arbeiten dort mindestens einmal wöchentlich mit Computern und digitalen Inhalten. In Rheinland-Pfalz liegt der Anteil nach der Untersuchung des Bildungsforschers Wilfried Bos ebenfalls recht hoch bei 64 Prozent, in Schleswig-Holstein und Thüringen bei jeweils 57 Prozent, ansonsten deutlich darunter. Im Bundesdurchschnitt sind es nur 48 Prozent.
Das Ergebnis des analogen Unterrichts: Die Computer- und Internetkenntnisse von deutschen Achtklässlern sind im internationalen Vergleich höchstens mittelmäßig. Die „International Computer and Information Literacy Study“ (ICILS), ebenfalls unter Federführung von Bos, nahm Schüler aus 21 Ländern ins Visier. Deutsche Kinder sind demnach zwar fit, was die Nutzung sozialer Medien angeht, aber Informationen zu beschaffen, einen Brief zu schreiben oder eine Datei zu speichern, überfordert die Kinder.
Beispielaufgabe Kompetenzstufe III im ICILS-Test
Die Aufgabenstellung lautete: "Gehe zur WebDocs Internetseite". Diesen Text lasen die Schüler in einer E-Mail, in der die URL als Klartext angegeben war. Das bedeutet, dass kein direkter Link zum Anklicken hinterlegt war.
Die Schüler mussten also die Adresse in den Webbrowser eingeben - entweden durch Kopieren und Einfügen, oder indem sie den Text abtippten. Danach mussten sie die Navigation aktivieren - durch Drücken der Enter-Taste oder durch das Anklicken des grünen Pfeils neben der Adressleiste im Browser.
Mit der Aufgabe sollten die Kinder ihr Wissen zur Nutzung von Computern unter Beweis stellen. Die Aufgabe erfordert sowohl Wissen über den Umgang mit URL-Adressen als auch Anwendungskompetenzen: Eine gewünschte Seite aufrufen, indem die Adresse an der richtigen Stelle im Browser platziert wird.
Die Hälfte der Schüler (50 Prozent) war in der Lage, diese Aufgabe zu lösen. International waren es 49 Prozent.
Die Kultusministerkonferenz, kurz KMK, arbeite nun daran, „ein konkretes Handlungskonzept zum Thema digitales Lernen zu erarbeiten", sagt Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe, Sprecher der rot-grün geführten Länder in der KMK. "Insbesondere in den Bereichen Bildungspläne und Lehrerfortbildungen müssen wir vorankommen."
Besuch von Lehrerfortbildungen zu IT in Deutschland
In den vergangenen zwei Jahren besuchten 17,7 Prozent der deutschen Lehrer einen Kurs zur Integration von IT in den Unterricht.
Einen Kurs zu fachspezifischen digitalen Ressourcen besuchten in den letzten zwei Jahren 10,2 Prozent der Lehrer, die in Deutschland Achtklässler unterrichten.
Ebenfalls 10,2 Prozent der Lehrkräfte nahmen an einem Einführungskurs für allgemeine Anwendungen teil.
Lediglich 8,3 Prozent der deutschen Lehrer besuchten in den vergangenen zwei Jahren einen Einführungskurs in die Arbeit mit dem Internet.
Was den Erfolg des Lehrens und Lernens mit digitalen Medien betrifft, sind Pädagogen in Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz besonders optimistisch und aufgeschlossen, ergab die erstmals durchgeführte repräsentative Befragung von 1250 Lehrern weiterführender Schulen im Auftrag der Deutsche Telekom Stiftung.
Lehrer dieser drei Bundesländer bewerten den Sinn des Umgangs mit Computern im Unterricht deutlich höher als ihre Kollegen in den 13 anderen Ländern.
Immerhin ist bei den meisten Lehrern die Erkenntnis vorhanden, dass digitale Kompetenzen nicht nur der persönlichen Zerstreuung dienen: 75 Prozent der Lehrkräfte haben den Eindruck, dass die Jugendlichen die Digitalisierung in der Bildung für ihre künftige berufliche Tätigkeit als "sehr wichtig" oder "wichtig" einschätzen. "In einer digitalen Gesellschaft brauchen wir auch digitale Kompetenz, damit digitale Angebote nicht nur konsumiert, sondern auch verstanden und gestaltet werden können", so die Forderung von Brigitte Zypries, Parlamentarische Staatssekretärin, im Rahmen der Diskussionsrunde "Digitale Gesellschaft gestalten" an einem Berliner Gymnasium.