Edelwohnheime Studentenwerke kleckern, Privatinvestoren klotzen

Edelwohnheime für Studenten sind längst keine Seltenheit mehr in deutschen Uni-Hochburgen. Der Markt für Privatwohnheime boomt, während die öffentliche Hand nur schleppend neuen Wohnraum für Nachwuchsakademiker schafft.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
So sehen die Luxus-Studentenwohnungen aus
Ein Luxus-Zimmer von 19 bis 39 Quadratmetern kostet zwischen 500 und 900 Euro im Monat. Quelle: Youniq Quelle: Presse
Die Wohnungen sind fertig eingerichtet - der Ikea-Einkauf oder Flohmarktbummel entfällt also. Quelle: headquarter Quelle: Presse
Einer der führenden Anbieter dieser Luxus-Studentenbuden ist Youniq. Rund 2.500 Wohnungen befinden sich im Bau oder Besitz der Aktiengesellschaft, unter anderem in Frankfurt, München, Leipzig und Erlangen.Quelle: headquarter Quelle: Presse
Oft sind bei den Wohnungen auch noch schicke Extras mit drin: Beispielsweise ein Fitnessstudio, ein Kino oder eine Autovermietung im gleichen Haus.Quelle: headquarter Quelle: Presse
"In den Youniq-Studentenapartmentanlagen sind Studenten aller Fachrichtungen vertreten", sagt eine Sprecherin des Unternehmens. Quelle: headquarter
Zumindest die, die solvente Eltern haben und "auch während ihrer Studienzeit nicht auf die eigenen vier Wände und einen gewissen Komfort sowie auf Flexibilität verzichten möchten", so die Sprecherin.Quelle: headquarter Quelle: Presse
Wartezeiten von bis zu einem Semester müssen die Luxusstudenten jedoch in Kauf nehmen, bis eines der Appartements zur Verfügung steht. Quelle: headquarter Quelle: Presse

Irgendwann hatte Michaela Neuhauser (Name geändert) nach der Rückkehr aus dem Auslandssemester das Suchen satt: „Ich brauchte einfach schnell eine neue Wohnung, bevor die nächste Welle an neuen Studenten den Wohnungsmarkt überflutet.“ Statt weiter Kleinanzeigen und Onlineportale zu durchforsten, verabschiedete sie sich vom Gedanken an eine günstige Studentenbude. Neuhauser, gerade 22 Jahre alt, studiert an der Universität Konstanz im fünften Semester Jura und wohnt seit wenigen Wochen in einem privaten Wohnheim der Kapitalpartner Konzept GmbH, einem Immobilienunternehmen mit Wohnheimen in vier deutschen Studentenstädten.

480 Euro für 24 Quadratmeter

Für ihre rund 24 Quadratmeter große Ein-Zimmer-Wohnung zahlt sie rund 480 Euro Miete monatlich. Das ist wesentlich mehr, als sie für ein Zimmer in einem Wohnheim des lokalen Studentenwerkes „Seezeit“ gelöhnt hätte. Dort liegen die Preise für ein Zimmer grob zwischen 300 und 350 Euro. „Dort habe ich mich auch auf die Warteliste gesetzt, jedoch leider nie wieder etwas von denen gehört“, erklärt Neuhauser. Da sie in der knappen Zeit bis zum Semesterbeginn auch kein privates WG-Zimmer finden konnte, entschloss sie sich daher kurzerhand für die teurere Edelvariante.

Der Fall in Konstanz ist exemplarisch für viele Unistädte: Um die Wohnsituation von Nachwuchsakademiker in beliebten Hochschulstädten ist es schlecht bestellt. Die Wartezeiten für öffentliche Wohnheimplätze erstrecken sich oft über mehrere Semester und private Wohngemeinschaften können sich vor Anfragen bei frei werdenden Zimmern nicht retten.

Die Optionen und ihre Folgen

Private Investoren präsentieren sich in dieser Situation mittlerweile gerne als Retter - und bieten zahlungskräftigen Studenten eine Premium-Alternative. „In unseren Objekten haben sie das Rundum-Paket, inklusive Fitnessbereich,  großen Aufenthaltsräumen und hochwertiger Ausstattung der Zimmer“, wirbt Heiko Henneberg, Geschäftsführer der Youniq GmbH, mit zwölf Wohnanlagen zwischen Greifswald und München einer der Großen auf dem Markt. Auch um Wasser-Anschluss, Rundfunkgebühr und ähnlich lästigen Verwaltungskram müssen sich die Studenten nicht kümmern.

Bis vor wenigen Jahren waren solche Luxuswohnheime noch Exoten in den Studentenstädten der Republik. Heute sieht die Situation ganz anders aus, wie ein Blick auf die Zahlen verrät: Mittlerweile werden bereits 17 Prozent der bundesweit 223.000 Wohnheimplätze von privaten Anbietern betrieben, wie ein Marktreport des Immobiliendienstleisters CBRE zum Wintersemester 2013/14 verrät, Tendenz steigend.

30 Prozent können 500 Euro oder mehr für Miete ausgeben

Damit haben die Privatanbieter bereits kirchliche und gemeinnützige Betreiber überholt, die bis vor wenigen Jahren noch die einzige „Alternative“ zu Wohnheimplätzen der lokalen Studentenwerke waren. Auch verrät der Marktreport, dass gerade private Anbieter das „gehobene Preissegment“ dominieren, also Wohnheimplätze mit Monatsmieten über 400 Euro.

Dass studentisches Luxus-Wohnen zum Trend wird, hat mehrere Gründe. So gibt es immer mehr Studenten, die genügend finanzielle Mittel haben und bereit sind, mehr für die eigene Studentenbude zu bezahlen. „Wir haben ermittelt, dass rund 30 Prozent der Studenten heute 500 Euro und mehr im Monat fürs Wohnen ausgeben können“, sagt Henneberg von Youniq. Neben seinem Unternehmen buhlen mittlerweile rund ein Dutzend Anbieter um die Gunst der Studenten, die für eine schicke Innenausstattung und Fitnessstudio im Haus bereit sind, mehr Geld auszugeben.

Auf einen neuen öffentlichen Wohnheimplatz kommen vier private

Kann man also ganz simpel im volkswirtschaftlichen Jargon argumentieren: es gibt immer mehr Studenten, die für edleren Wohnraum bereit sind, mehr zu zahlen und der Markt bedient diese Nachfrage mit neuen Luxuswohnheimen? Nicht ganz, denn während private Wohnheime aus dem Boden schießen, reagieren die Studentenwerke der Republik nur langsam auf die riesige Nachfrage. So beziffert der CBRE Marktreport die Anzahl privater Wohnheimplätze, die in den vergangenen Jahren geschaffen wurden auf rund 40.000, weitere 14.000 seien bereits im Bau oder der Planungsphase.  

Die teuersten WG-Zimmer Deutschlands
500 Euro Belohnung für die erfolgreiche Vermittlung einer Wohnung im angesagten Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg verspricht eine Freiluftanzeige Quelle: dpa
Karlsruhe, BonnPlatz 20 teilen sich die Universitätsstädte Bonn und Karlsruhe. Hier werden die Hälfte aller WG-Zimmer für mindestens 315 Euro angeboten. Bei den günstigsten 25 Prozent aller inserierten Zimmer in Wohngemeinschaften schwanken die Preise zwischen 315 Euro pro Monat (Karlsruhe) und 325 Euro (Mannheim). Das obere Viertel aller Zimmer liegt in den genannten Städten zwischen 400 Euro (Bonn) und 404 Euro pro Monat (Karlsruhe). Quelle: dpa
Studenten schreiben im Zentrum für Datenverarbeitung (ZDV) der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz eine E-Klausur. Quelle: dpa
Das Luftbild zeigt die Altstadt von Ulm Quelle: dpa
Wiesbaden Quelle: dpa
Tübingen und Rosenheim Quelle: dpa/dpaweb
Ludwigsburg, Heidelberg, Freiburg (im Breisgau) Quelle: dpa

Im Gegensatz dazu moniert man beim Deutschen Studentenwerk (DSW), dem Dachverband der 58 Studentenwerke in Deutschland schon lange, dass mehr bezahlbarer Wohnraum für Studenten geschaffen werden muss. „Immer noch fehlen mindestens 25.000 neue Wohnheimplätze“, erklärt Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des DSW. Die Länder hätten in den vergangenen Jahren zwar ausgebaut und rund 10.000 neue Wohnheimplätze geschaffen mit 10.000 weiteren in der Planung, genug sei das jedoch noch lange nicht. Das heißt im Klartext: Im Deutschlandschnitt kamen in der Vergangenheit auf jeden neuen öffentlichen Wohnheimplatz vier private. In Zukunft dürfte dieses Verhältnis zwar sinken, jedoch weiterhin deutlich über eins liegen.

40 Prozent mehr Studenten treffen auf fünf Prozent mehr Wohnheimplätze

Grund für den hohen Bedarf sei die rapide wachsende Zahl der Studenten, worauf bei den Bauträgern öffentlicher Wohnheime aber sehr zögerlich reagiert werde: „Seit 2007 ist die Anzahl der Studenten um 40 Prozent gestiegen, gleichzeitig wurden aber das Wohnheimangebot um nur rund fünf Prozent erweitert“, fasst Meyer auf der Heyde zusammen. Für ihn ist klar, dass es daher gerade an diesem bezahlbaren Wohnraum mangele: „Wir brauchen mehr Plätze mit öffentlicher Förderung und damit Mieten, von rund 250 Euro im Monat.“

Denn private Wohnheime würden den Markt zwar punktuell entlasten, jedoch könne "nur ein kleiner Teil der Studenten dauerhaft solch relativ hohe Mieten zahlen.“ Das Problem: Neue öffentliche Wohnheime können nicht in dem Tempo entstehen, wie derzeit junge Studenten an die Unis strömen. „Als öffentlicher Träger müssen sie den Bau eines neues Hauses ausschreiben, außerdem haben sie oftmals andere Auflagen als ein Privatinvestor“, sagt Meyer auf der Heyde.  So könnten private Unternehmen ihre Häuser ohne Probleme auch an Personen ohne Studentenstatus vermieten, was bei Wohnheimen des Studentenwerkes nicht möglich ist. „Das ändert natürlich die ganze Kalkulation und gerade öffentliche Ausschreibungen nehmen oftmals viel Zeit in Anspruch.“

Studentenwohnheime rechnen sich als Geldanlage

Die privaten Bauträger profitieren also einerseits von zahlungskräftigen Studenten, andererseits vom  schleppenden Ausbau öffentlicher Wohnheimplätze. „Wenn in manchen Städten das Angebot an Wohnheimplätzen einfach viel kleiner als die Nachfrage ist, dann ist das für unsere Häuser an diesem Standort natürlich von Vorteil“, gibt auch Henneberg von Youniq zu. So sei diese sogenannte Versorgungslücke, also die Differenz zwischen nachgefragtem und angebotenem Wohnraum, eine der wichtigsten Kennzahlen bei der Entscheidung über den Bau eines neuen Wohnheimes. Bedeutet konkret: Besonders da, wo Wohnraum für viele Studenten Mangelware ist, investieren private Bauträger. Diese Rechnung geht aus Investorensicht auf.

Wo investieren? Die Top 10 der regionalen Wohnungsmärkte 2015

So ermittelte eine Untersuchung des Marktforschungsunternehmens BulwienGesa durchschnittliche Rendite zwischen fünf und sechs Prozent für „Studentenwohnheime als Anlageform“.  Zudem sind bei vielen Studenten die Eltern als Mietbürgen eingetragen, was die Ausfallwahrscheinlichkeit minimiere, wie die Anbieter betonen.  Eine Untersuchung der IC International Campus AG hat zwar ergeben, dass ein Investment in studentisches Wohnen gerade in kleineren Unistädten mit Risiken, wie zu geringer Nachfrage, verbunden sein kann.

Doch gerade in beliebten Unistädten wie München, Frankfurt oder Münster können sich die Anbieter oft vor Anfragen nicht retten. „Wir rechnen zwar mit relativ hohen Fluktuationen in den Objekten, einen Nachmieter zu finden ist in der Regel jedoch nicht schwer, sodass die Häuser meist vollvermietet sind“, freut sich Henneberg von Youniq. Das kann auch die Konstanzer Jurastudentin Neuhauser bestätigen: „ich habe direkt am Tag als die Website des Wohnheims freigeschaltet wurde dort angefragt, ansonsten hätte ich vermutlich wenig Chancen auf ein freies Zimmer gehabt.“

Werden in Zukunft also immer mehr Studenten in Häusern privater Träger wohnen? Zwar prognostizieren Studien der Kultusministerkonferenz (KMK)  und des privaten Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (Fibs) einen deutlichen Rückgang der Studienanfänger an deutschen Hochschulen bis 2025. Doch gerade in Städten wie München, Frankfurt oder Hamburg dürfte der angespannte Wohnungsmarkt dafür sorgen, dass die Wohnheimplätze von Youniq und Co weiterhin studentische Abnehmer finden.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%