Deutschland macht nach einer aktuellen Studie zu wenig aus seiner Beliebtheit bei ausländischen Studenten. Zu viele brechen das Studium ab oder kehren nach erfolgreichem Abschluss in die Heimat zurück und gehen somit dem deutschen Arbeitsmarkt als Fachkräfte verloren. Zu diesem Fazit kommt der „Hochschul-Bildungs-Report“, dessen neue Ausgabe der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und die Unternehmensberatung McKinsey am Mittwoch in Berlin vorstellten.
„Diese Zahlen sind alarmierend, denn für jedes zweite Unternehmen in Deutschland sind ausländische Studierende mittlerweile wichtig, um den eigenen Fachkräftebedarf zu decken“, sagte McKinsey-Direktor Jürgen Schröder zur der repräsentativen Umfrage unter 230 Unternehmen in Deutschland.
Nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes lag die Zahl aller ausländischen Studierenden im Wintersemester 2014/15 bei fast 320.000 - mehr als eine Verdoppelung seit 1996. Die für 2020 von der Politik gesetzte Zielmarke liegt bei 350.000. Den Statistikern zufolge gab es 2014 gut 107.000 ausländische Studienanfänger an deutschen Hochschulen, so viele wie nie zuvor.
Was Studenten aus anderen Ländern wollen
Die Wünsche der Australier entsprechen denen der meisten Befragten. Work-Life-Balance ist am wichtigsten, gefolgt von Jobsicherheit.
Überdurchschnittlich stark ist bei den Brasilianern der Wunsch nach unternehmerischem und kreativem Handeln ausgeprägt. Etwa 40 Prozent der Studenten legen darauf Wert, das sind deutlich mehr als im internationalen Vergleich. Am wichtigsten ist auch den Brasilianern die Work-Life-Balance.
Auch in China legen die jungen Menschen immer mehr Wert auf Work-Life-Balance und Jobsicherheit. Vor allem Ingenieure wünschen sich aber auch Führungsverantwortung.
Deutsche Ingenieure heben sich vom Durchschnitt ab, denn sie stellen einen sicheren Job über die Ausgewogenheit von Arbeit und Freizeit. Das tun sonst nur noch Russen und Japaner aus dem Kreis der zwölf größten Volkswirtschaften.
Die französischen Studenten halten die Jobsicherheit für weitaus weniger wichtig. Nicht mal ein Drittel gab sie als vortreffliches Karriereziel an. Dafür wollen viele Franzosen international Karriere machen und von ihrer Arbeit intellektuell herausgefordert sein.
Die Studenten aus UK antworteten sehr durchschnittlich. Work-Life-Balance am wichtigsten, gefolgt von Jobsicherheit und intellektueller Herausforderung.
Auffällig ist bei den indischen Studenten, dass ihnen die intellektuelle Herausforderung kaum am Herzen liegt. Nur 18 Prozent der Wirtschaftswissenschaftler legen darauf Wert. Die Ingenieure sind ausgesprochen offen, fast ein Drittel strebt eine internationale Karriere an.
Auch die Italiener streben ins Ausland. 34 Prozent der Ingenieure wollen fern der Heimat arbeiten. Bei den Wirtschaftswissenschaftlern ist die Internationalität sogar nach Work-Life-Balance das Ziel, das am zweithäufigsten genannt wurde.
Die angehenden Akademiker von der ostasiatischen Insel fallen vor allem dadurch auf, dass sie kaum Wert auf Führungsverantwortung und kreative Tätigkeiten legen. Den Ingenieuren ist neben Jobsicherheit auch wichtig, großes Fachwissen zu besitzen und in ihrem Bereich als Experte zu gelten.
Den Kanadiern ist das Gleichgewicht zwischen Freizeit und Beruf sehr wichtig. Über 60 Prozent der Befragten gaben Work-Life-Balance als Ziel an.
Gleiches gilt für die russischen Ingenieure. Russische Wirtschaftswissenschaftler wollen vor allem einen sicheren Job und intellektuell herausgefordert sein.
Auffällig ist bei den US-amerikanischen Studenten, dass sie sich für das Gemeinwohl engagieren wollen. Mehr als 30 Prozent finden diese Aussage wichtig.
Doch 41 Prozent der Ausländer brechen ihr Studium ab, und von den Erfolgreichen bleiben nach Studienabschluss nur rund 44 Prozent in Deutschland, heißt es in dem Report. Laut Stifterverband und McKinsey könnten bei gleichbleibenden Bildungsausgaben dem deutschen Arbeitsmarkt jährlich rund 10.000 Fachkräfte mehr zur Verfügung stehen - dazu müsse aber die Studienabbrecherquote auf das Niveau der deutschen Studienanfänger (unter 30 Prozent) gesenkt und die Verbleibquote für alle Ausländer auf das Niveau von EU-Ausländern in Deutschland (52 Prozent) gesteigert werden.
Vier von zehn Studienanfängern mit ausländischem Pass
„Deutschland ist ein Bildungstransitland. Wir investieren viel Geld in ausländische Studierende, tun aber zu wenig, um diese erfolgreich zum Studienabschluss zu führen und sie zum Verbleib in Deutschland zu motivieren“, sagte der stellvertretende Generalsekretär des Stifterverbandes, Volker Meyer-Guckel. Der Handlungsbedarf sei dringend, da aktuellen Prognosen zufolge im Jahr 2025 vier von zehn Studienanfängern einen ausländischen Pass hätten.
Es sei daher notwendig, diese Nachwuchsakademiker „zum Baustein einer gemeinsamen Zuwanderungsstrategie von Bund und Ländern weiterzuentwickeln, die sich auch an den Bedarfen des Arbeitsmarkts ausrichtet“. Stifterverband und McKinsey schlugen ein neues Finanzierungsmodell vor, mit dem der Bund Hochschulen „dauerhafte Anreize für eine qualitätsorientierte Gewinnung ausländischer Studierender und einen erfolgreichen Studienabschluss“ setze.
Der „Hochschul-Bildungs-Report“ erscheint seit 2013. Die jährliche Studie will messbare Ziele für das Jahr 2020 liefern, die im Dialog mit Experten aus den Stifterverbands-Mitgliedsunternehmen, Wissenschaftsorganisationen und Vertretern der Zivilgesellschaft formuliert wurden, und gibt entsprechende Empfehlungen.