Vielleicht haben Sie ja nur Ihre Anforderungen hochgeschraubt.
Nein. Wir leiden vielmehr unter den Folgen der Umstellung auf Bachelor- und Master-Abschlüsse. Die Ökonomenausbildung war früher generalistischer, die Absolventen hatten inhaltlich ein breiteres Spektrum. Dafür stand das Diplom. Nun entstehen vielerorts Modestudiengänge. Es findet eine frühe Spezialisierung der Studenten statt, da gibt es Eventmanagement und Gesundheitsmanagement und Medienmanagement; für jeden ist etwas dabei. Viele betrachten das Bachelor-Studium mittlerweile als Ersatz für eine klassische Ausbildung. So geht der Eliteanspruch, den eine universitäre Ausbildung haben sollte, verloren.
Heißt das: Wer seinen Bachelor in BWL oder VWL macht, sollte in jedem Fall das Master-Studium dranhängen, um die für Top-Jobs nötige wissenschaftliche Breite zu bekommen?
Wer als Ökonom Karriere machen will, sollte dies unbedingt tun – und womöglich auch noch die Promotion dranhängen. Es ist nun mal so, dass der Bachelor-Abschluss für viele Aufgabenbereiche, die die Unternehmen früher mit Diplom-Absolventen besetzt haben, nicht ausreicht. Selbst ein notenmäßig guter Bachelor-Abschluss ist kein Selbstläufer auf dem Arbeitsmarkt. Auf Zeugnisse und Zertifikate vertrauen viele Unternehmen nicht mehr. Die Bedeutung der Abschlussnote nimmt in vielen Personalabteilungen ab.
Konkret: Wie gehen Sie als Unternehmer vor, wenn Sie neues Personal rekrutieren?
Wenn wir Berufsanfänger von der Hochschule einstellen, wollen wir die Leute vorher im Arbeitsalltag kennenlernen, etwa durch Praktika in den Semesterferien oder kleine Nebenjobs. So lässt sich die Persönlichkeit der Bewerber besser beurteilen. Wir nutzen zudem die Netzwerke unserer Mitarbeiter, indem wir sie in die Personalakquise einbinden und sie im Erfolgsfall mit Prämien belohnen. Und was ganz wichtig ist: Der introvertierte Einzelkämpfer ist out – selbst wenn er über exzellente Kenntnisse verfügt.
Wen suchen Sie stattdessen?
Gefragt sind Mitarbeiter, die ihre Vorgehensweisen, Ideen und Ergebnisse vermitteln können. Es nützt nichts, wenn ich tolle Ergebnisse produziere, diese aber anderen nicht begreiflich machen kann. Die Ansprüche an soziale und kommunikative Kompetenz sind deutlich gestiegen.
Und am Ende regieren die eloquenten Schaumschläger, während die stillen Tüftler untergehen.
Es kommt nicht darauf an, besonders geschliffen zu reden. Sondern darauf, dass ich andere abholen kann, dass ich teamfähig bin. Leute, die nicht im Team arbeiten können oder wollen, versuchen wir von vornherein herauszufiltern. Wer als Volks- oder Betriebswirt Schwächen im kommunikativen Bereich hat, muss daran arbeiten. Sonst wird es schwer, einen guten Platz im Unternehmen zu finden.
Gibt es speziell für Volkswirte überhaupt noch Top-Jobs in Deutschland?
Ja, auch wenn die Zahl der attraktiven Stellen tendenziell abnimmt. Der klassische Einsatzbereich sind Verbände, politiknahe Institutionen und Forschungsinstitute. In der Privatwirtschaft ist es schwieriger. Vereinzelt stellen Beratungsunternehmen gezielt Volkswirte ein, aber auch Banken oder große Konzerne, die sich eine eigene volkswirtschaftliche Abteilung leisten können.
Müssten mit dem Wandel der Wirtschaft nicht auch neue Berufsbilder für Ökonomen entstehen?
Das passiert doch. Die Unternehmen fragen zum Beispiel immer stärker Informatiker nach, die betriebswirtschaftliche Kenntnisse mitbringen – oder suchen umgekehrt Betriebswirte, die sich gut mit IT-Fragen auskennen. Ähnlich ist es im Maschinenbau. Die Kombination aus technischem und ökonomischem Wissen wird auf dem Arbeitsmarkt immer wichtiger. Die zunehmende Vernetzung der Wirtschaft erhöht zudem in vielen Berufsbildern den Stellenwert von Logistikwissen. Darauf müssen die Hochschulen mit ihren Angeboten reagieren.
Und wie ist es mit den Schulen? Kommen wirtschaftliche Fragen im Unterricht ausreichend vor?
Nein, im Gegenteil. Wirtschaft findet an den meisten Schulen nur völlig unzureichend statt. Ökonomische Bildung muss daher dringend ein fester Bestandteil der schulischen Ausbildung werden. Unser Verband fordert seit Langem ein Pflichtschulfach Wirtschaft. Dass das Bundesland Baden-Württemberg entsprechende Pläne angekündigt hat, begrüßen wir ausdrücklich.
Wie soll das aussehen? Wollen Sie mit 11-Jährigen über Konjunkturtheorie diskutieren?
Es geht nicht darum, Dinge aus dem Studium vorwegzunehmen, sondern um das Verständnis ökonomischer Zusammenhänge. Die Schule sollte junge Menschen auf die vielen Facetten des Wirtschaftslebens vorbereiten. Das kann schon damit anfangen, wie Versicherungen funktionieren oder was man bei einem Sparplan oder Handyvertrag beachten muss.