Harvard Business School Die Eintrittskarte in die Welt der Mächtigen und Reichen

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Selbstkritik? Nein, danke.

Hätte man da nicht erwarten können, dass die HBS bei ihrer 100-Jahr-Feier im Oktober 2008 etwas Selbstkritik übt? Von wegen. Der damals amtierende Dekan sagte zwar, es laufe gerade viel schief in der Weltwirtschaft. Aber: „Wir werden die Frage, wer schuld war, anderen überlassen.“ Diese Frage sei schlicht nicht so interessant.

Peter Escher schüttelt darüber den Kopf. Escher (MBA 2009) arbeitet mittlerweile für eine Investmentfirma, aber nach der Weltfinanzkrise war er Geschäftsführer einer Non-Profit-Organisation, die MBA Oath heißt, MBA-Schwur.

Hippokratischer Eid für Manager

Sie wollte erreichen, dass Absolventen folgenden Eid schwören: „Als Manager ist es mein Ziel, einem höheren Gut zu dienen. Ich werde mit höchster Integrität handeln.“ Ein Gelübde wie der Eid des Hippokrates, dem die Ärzteschaft verpflichtet ist. Sätze, die man bisher selten von den Masters of the Universe gehört hatte. Aber deren Versagen in der Finanzkrise war ja auch einmalig gewesen.

Hunderte Absolventen der rund 900 Studenten starken HBS-Abschlussklasse, zu der Escher gehörte, schworen den Eid. Doch heute ist davon kaum noch die Rede. Escher musste feststellen, dass einer seiner HBS-Lehrer doch recht behalten hatte. Der hatte ihm gesagt, Wall-Street-Händler seien wie Raubtiere. „Wirft man ihnen Fleisch vor, stürzen sie sich darauf.“

Der MBA-Eid ist Geschichte, die MBA-Geldmaschine boomt weiter. Zu verlockend ist das Netzwerk der Turbokapitalisten. Die HBS-Alumnigruppe umfasst aktuell rund 46.000 Absolventen weltweit, in Deutschland etwa Adidas-Chef Kasper Rorsted. Es ist auch ein Netzwerk der Selbstvergewisserung: Wer immer jemanden findet, der bei Hedgefonds oder Risikokapitalgebern noch mehr verdient, dem erscheint das eigene hohe Gehalt nicht mehr obszön.

„Ohne zu werten: Ob bei Professoren oder Studenten, Geld ist hier einfach viel wichtiger als an anderen Universitäten“, sagt Gregor Schubert. Der gebürtige Ostdeutsche forscht als Doktorand an der Schnittstelle zwischen Ökonomie und Management. Er macht sich Gedanken über die Rolle von Universitäten – und ist sich nicht sicher, ob für eine Non-Profit-Organisation wie die HBS, die aber Profit auf dem Lehrplan stehen hat, moralische Maßstäbe passen.

Zumal selbst die stolze Hochschule um ihr Geschäftsmodell bangen muss. Das MBA-Geschäft ist bedroht, durch neue Schulen in Asien, durch die digitale Revolution. Soll man Kurse kostenlos online stellen, wie viele andere Unis? Darüber mache man sich an der HBS gerade viele Gedanken, sagt Schubert.

Und: Hilft es dem Geschäft, über eigene Fehler oder die des Kapitalismus laut nachzudenken? Das mögen Unternehmen ja auch nicht, schon um Kunden nicht zu verschrecken. Daher könnte sich eine HBS-Kulturrevolution schlicht nicht rechnen.

An dem Tag, an dem die Raubtiere in spe verabschiedet werden, spricht ein paar Hundert Meter weiter am Harvard College Mark Zuckerberg, Der Facebook-Gründer schmiss sein Harvard-Studium, jetzt erhält er einen Ehrendoktor. Dafür trägt Zuckerberg sogar blauen Anzug mit Krawatte. Er zitiert John F. Kennedy und spricht über Fabrikarbeiter, deren alte Jobs nicht wiederkommen. „Wir müssen Gleichheit neu definieren“, sagt er. „Wir müssten Gemeinschaften um die ganze Welt aufbauen.“

Später reden zwei HBS-Männer über Zuckerbergs Rede. Er hört sich an wie ein Politiker, sagt der eine, es klingt nicht wie ein Kompliment. Aber er habe auch Konkurrenten systematisch kleingehalten, erwidert der andere, rücksichtslos und hart. Es klingt anerkennend, es klingt wie: Zuckerberg ist doch einer von uns. Ein Raubtier halt.

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