Hochschulabschlüsse Warum das Studium an Wert verliert

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Blütezeit des Studiums

 

Diese Blütezeit des Studierens war nicht auf das in Trümmern liegende Deutschland beschränkt. John Williams beschreibt die amerikanischen 45er-Studenten in seinem Campus-Roman "Stoner": "Die ihm eigenartig erwachsen scheinenden Studenten waren ungeheuer ernst und verachteten alles Triviale. Mode und Brauch interessierten sie nicht, und sie gingen ihre Studien an, als wäre ihr Studium das Leben selbst und nicht Mittel zum Zweck."     

In Williams wunderbarem Roman steht das intellektuelle „Entdeckergefühl“ des Titelhelden Stoner im Mittelpunkt. Die Universität verschafft dem auf einer Farm aufgewachsenen Provinzler ein Bildungserlebnis, das ihn in einem erhebenden Augenblick zu einem anderen Menschen macht. Davon ist heute keine Rede mehr. Keine Universität wirbt damit, dass man an ihr ein gebildeter Mensch wird.  

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Doch auch wenn man das Studium rein ökonomisch als Ausbildung und Voraussetzung für eine Karriere betrachtet, muss man einen galoppierenden Wertverfall feststellen. Je mehr Menschen ein Gut besitzen, desto weniger taugt es als Aushängeschild für Status. Selbst ein schwacher Student gehörte selbstverständlich zu einer Elite, als nur acht Prozent seines Jahrgangs studierten. Für heutige Studenten gilt das wohl kaum.

Die Inflation der (Aus-)Bildungsabschlüsse vollzieht sich auf zwei Feldern: Erstens ist der Anteil der Abiturienten und Studierten mit atemberaubenden Tempo gestiegen. Die Studentenquote, also der Anteil der Studienanfänger an der gleichaltrigen Bevölkerung ist in nur fünfzehn Jahren von 28,1 (1996) auf 54,7 Prozent (2012) gestiegen. Seit 2009 gibt es mehr Studenten als Auszubildende in Deutschland. 2012 standen  1,98 Millionen Azubis 2,51 Millionen Studenten gegenüber.

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Der politisch vor allem von der OECD forcierte Anstieg der Studierendenzahlen wird in der Regel dadurch begründet, dass die Arbeitslosigkeit unter Akademikern besonders niedrig ist. Viele Akademiker, so die Unterstellung, bedeuten weniger Arbeitslose. Die Konsequenz aus dieser Ansicht ist die aktuelle Bildungspolitik der totalen Ökonomisierung bei gleichzeitiger totaler Öffnung des Studiums.

Doch diese Politik beruht auf einem Denkfehler, wie der Bildungsphilosoph Julian Nida-Rümelin erklärt. Denn man übersehe den Effekt des Downgrading: „Es ist klar, dass immer die, die etwas höher qualifiziert sind oder scheinen, die Jobs bekommen. Das heißt aber nicht, dass die Gesamtarbeitslosigkeit sinkt, wenn immer mehr die sogenannten höheren Abschlüsse haben.“ Und vor allem: Ein Universitätsstudium mit wissenschaftlichem Anspruch bereitet auf die praktischen, nicht-akademischen Berufsanforderungen, die auf einen Großteil der heutigen Studenten warten, überhaupt nicht vor. 

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