Hochschulabschlüsse Warum das Studium an Wert verliert

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Noten verlieren an Wert

Mittlerweile schwant auch Politikern, dass diese Politik zu extremen Verwerfungen führen muss. "Während in Zukunft auf jeden scheidenden Akademiker rund 1,5 Hochschulabsolventen kommen, ist das Verhältnis bei den beruflich Qualifizierten umgekehrt", sagt Martin Braun, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Freiburg (MIT). Besonders bei Meistern und Technikern sei mit größeren Engpässen zu rechnen.

Braun fordert daher im Einklang mit Julian Nida-Rümelin (SPD), den Akademisierungswahn zu stoppen. "Wir brauchen vor allem Facharbeiter und Meister in unseren Betrieben, nicht nur Bachelor und Master." Die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt seien für beruflich Qualifizierte heute besser als je zuvor.

Nach Berechnungen des Bundesinstituts für Berufliche Bildung (BIBB) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) werden bis 2030 in Deutschland rund 3,1 Millionen Akademiker aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Dem wird ein Neuangebot von rund 4,7 Millionen Hochschulabsolventen gegenüberstehen. Gleichzeitig scheiden rund 10,5 Millionen beruflich Ausgebildete aus dem Berufsleben aus. Es rückten aber nur 7,5 Millionen jüngere Menschen mit Berufsbildung nach.

Deutschlands beliebteste Fachhochschulen 2014

Zum Anstieg der Studentenzahlen, der an keiner Uni mehr zu übersehen ist, kommt als zweite Inflation der wundersame Anstieg der Durchschnittsnoten. Die Noteninflation beginnt an den Schulen und setzt sich an den Hochschulen fort. Kürzlich hat das Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (IFQ) in einer Studie „einen allgemeinen Trend zu einer immer häufigeren Vergabe der Bestnote ‚summa cum laude‘ ("mit höchstem Lob") bei Promotionen festgestellt.

Wurden im Zeitraum von 2001 bis 2003 noch 16 Prozent der Promotionen (ohne Medizin und Pharmazie) mit „summa“ bewertet, waren es von 2010 bis 2012 bereits 21 Prozent. An einzelnen Universitäten ist der Anteil der summa-Promotionen in diesen Jahren geradezu atemberaubend gestiegen: An der als Elite-Schmiede geltenden WHU Otto Beisheim School of Management von 13 auf 59 Prozent oder an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht von 14 auf 51 Prozent.

Darüber hinaus wird für mehr als die Hälfte aller Promotionen in Deutschland noch das zweitbeste Prädikat ‚magna cum laude‘ ("mit großem Lob") vergeben. Nur mit einem einfachen Lob ("cum laude") gehört man als Doktor heute zu denen, die gerade mal so durchgekommen sind. Die Note "rite" (befriedigend) kommt kaum noch vor.

Für Bachelor- und Master-Abschlüsse gilt, so Stefan Hornbostel, Leiter des IFQ, dasselbe: "Die Noten verlieren mehr und mehr an Wert. Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, wenn Arbeitgeber und weiterführende Bildungseinrichtungen verstärkt auf eigene Auswahlverfahren setzen und sich weniger auf die zertifizierenden Einrichtungen verlassen. Schulen und Hochschulen verschenken zunehmend ihre Definitionsmacht über Qualität und Kompetenz."

Für Studenten bedeutet die Universität also zunehmend eine doppelte Enttäuschung: Sowohl in ihrer althergebrachten Funktion als Ort der humanen Bildung, als auch in ihrer Signal-Funktion für diejenigen, die zeigen wollen, dass sie zu den Besten gehören.  

Für diejenigen, die Ersteres suchen, bleiben an den heutigen Massenuniversitäten allenfalls schrumpfende Nischen übrig. Und diejenigen, die die große Karriere in der Wirtschaft machen wollen, müssen sich entweder durch eine als besonders elitär und exklusiv geltende Hochschule oder durch Aktivitäten außerhalb des Studiums auszuzeichnen versuchen. Also auf zum nächsten Praktikum!

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